Können sich Hoheitsträger auf das Notwehr- und Nothilferecht des § 32 StGB berufen?
Überblick
Umstritten ist, ob sich Hoheitsträger in Ausübung ihres Dienstes ebenfalls auf das Notwehrrecht aus § 32 StGB berufen können. Relevanz erlangt dieser Meinungsstreit vor allem bei dem Gebrauch von Schusswaffen durch einen Polizeibeamten. Dies liegt darin begründet, dass die entsprechenden öffentlich-rechtlichen Ermächtigungsgrundlagen den Einsatz von Schusswaffen an engere Voraussetzungen knüpfen, als § 32 StGB. Daher stellt sich die Frage, ob sich ein Polizeibeamter, der zur Selbstverteidigung oder zur Verteidigung Dritter von der Schusswaffe in erforderlicher Weise Gebrauch macht, nach § 32 StGB gerechtfertigt sein kann, obwohl die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.1
Die Ansichten und ihre Argumente
1. Ansicht
Auch Hoheitsträger dürfen sich auf § 32 StGB berufen.2 Im Ergebnis stellt eine notwehrrechtlich zulässige Maßnahme ein rechtmäßiges hoheitliches Handeln dar.
Argumente für diese Ansicht
Es erscheint nicht plausibel einem Polizeibeamten Schranken aufzuerlegen, die ein anderer Notwehrübende/Nothelfer nicht hat.3
Vor allem, weil die Polizei dazu berufen und befähigt ist, Straftaten zu verhindern.
Bundesrecht geht dem Landesrecht vor.
Die bundesgesetzlich geregelten Rechtfertigungsgründe können nicht durch Landesrecht eingeschränkt werden.4
2. Ansicht
Hoheitsträger können sich nicht auf § 32 StGB berufen. Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richtet sich ausschließlich nach den landesgesetzlichen Regelungen bzw. wird § 32 StGB nur nach Maßgabe dieser Regelungen angewendet.5
Argumente für diese Ansicht
Vorbehalt des Gesetzes.
Nur so kann dem Grundsatz vom Vorbehalt des bereichsspezifischen Gesetzes und dem alle staatliche Gewaltausübung bindenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprochen werden.6
Nur diese Auffassung fügt sich in die Konzeption der Notwehr als ein Ausnahmerecht für den von den ordentlichen Schutzmechanismen der Gemeinschaft abgeschnittenen Bürger ein.
Bei der Verteidigung von Rechtsgütern durch Hoheitsträger geht es gerade nicht um Ausnahmesituationen, sondern um eine staatliche Aufgabe.7
3. Ansicht
Differenzierung: Handelt der Polizist bei einem Schusswaffeneinsatz, der durch die öffentlich-rechtliche Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt ist, unter den Voraussetzungen des § 32 StGB, bleibt das Verhalten polizeirechtlich rechtswidrig, strafrechtlich jedoch rechtmäßig.8
Argumente für diese Ansicht
Kein Verstoß gegen die Einheit der Rechtsordnung.
Die Unterwerfung des Beamten unter die allgemeinen Gesetze und die öffentlich-rechtliche Beziehung zwischen dem Staat und dem Adressaten der Notwehrhandlung sowie zwischen dem Staat und dem Beamten als Amtsträger, bilden voneinander unabhängige Rechtskreise. Daher kann auch ein gespaltenes Rechtswidrigkeitsurteil gefällt werden.9
- 1. MüKo/Erb, StGB, § 32, Rn. 186, Aufl. 2.
- 2. Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 32, Rn. 42c., Aufl. 29.; Rengier, AT, § 18, Rn. 95f., Aufl. 7.
- 3. Rengier, AT, § 18, Rn. 96, Aufl. 7.
- 4. Rengier, AT, § 18, Rn. 96, Aufl. 7.
- 5. LK/Röunnau/Hohn, StGB, § 32, Rn. 220, Aufl. 12.
- 6. LK/Röunnau/Hohn, StGB, § 32, Rn. 220, Aufl. 12.
- 7. LK/Röunnau/Hohn, StGB, § 32, Rn. 220, Aufl. 12.
- 8. MüKo/Erb, StGB, § 32, Rn. 189ff., Aufl. 2.
- 9. MüKo/Erb, StGB, § 32, Rn. 190, Aufl. 2, mit weiteren Argumenten und Nachweisen.
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