Knüpft der Gefahrenverwirklichungszusammenhang iSd. § 227 StGB an den Erfolg des Grundtatbestands an, oder bereits an die Tathandlung?

Überblick

Mit dem spezifischen Gefahrenverwirklichungszusammenhang zwischen dem Grunddelikt und der Todesfolge ist gemeint, dass sich in dem tödlichen Erfolg gerade die dem Grunddelikt anhaftende eigentümliche Gefahr verwirklichen muss.1

Nun ist aber fraglich, ob es für diesen Zusammenhang ausreicht, dass die Todesfolge „lediglich“ an die vorangegangene Tathandlung anknüpft, oder ob es demgegenüber erforderlich ist, dass der konkrete Erfolg des Grunddelikts eingetreten sein muss, an welchem sich dann die spezifische Todesfolge anschließt. Fraglich ist also, ob z.B. der durch die Schlagbewegung gelöste Schuss, der das Opfer tötet dem spezifischen Gefahrenverwirklichungszusammenhang genügt.2

Dieser Meinungsstreit lässt sich überdies auf alle erfolgsqualifizierten Delikte übertragen.

Die Auffassungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Letalitätslehre

Der tödliche Erfolg muss sich gerade aus dem vorangegangenen Körperverletzungserfolg entwickeln.3

Argumente für diese Ansicht

Schutzzweckzusammenhang des § 223 StGB

Dass sich die tödliche Folge an den Körperverletzungserfolg anschließen muss, ergibt sich bereits aus dem Schutzzweckzusammenhang des § 223 StGB. Die aus § 223 StGB resultierende Sorgfaltspflicht hat nur den Zweck, andere vor Verletzungen zu schützen, nicht aber vor den Gefahren irgendwelcher Bewegungen.4

Wortlaut des § 227 StGB „Tod der verletzten Person“

Bereits aus dem Wortlaut des § 227 I StGB „Tod der verletzten Person“, ergibt sich, dass die tödliche Folge an den Körperverletzungserfolg anknüpfen muss.5

Somit hat § 227 StGB einen sicheren Anwendungsbereich ohne Auslegungsschwierigkeiten.6

Somit wird auch dem hohen Strafrahmen entsprochen

Durch die Einengung des Tatbestandes bzw. des Anwendungsbereichs des § 227 StGB, werden nur Fälle erfasst, die nach ihrem Unrechtsgehalt dem hohen Strafmaß entsprechen.7

2. Ansicht - Es genügt, wenn bereits die Körperverletzungshandlung den tödlichen Erfolg herbeiführt.8

Argumente für diese Ansicht

Parallele zum Sprachgebrauch in den §§ 223 I Var. 1 und 224 I Nr. 5 StGB

Der Begriff Körperverletzung bezeichnet bei § 223 I Var. 1 StGB („körperlich misshandelt“) und bei § 224 I Nr. 5 StGB („lebensgefährdende Behandlung“) auch die Körperverletzungshandlung.9

Die Körperverletzungshandlung kann genauso lebensgefährlich sein wie der Körperverletzungserfolg10

  • 1. Lackner/Kühl, StGB, § 227, Rn. 2, Aufl. 28.; BGHSt 32, 25.
  • 2. Dieses Beispiel bei MüKo/Hardtung, StGB, § 227, Rn. 11, Aufl. 2.; Rengier, Fall 1, S.131, Aufl. 13.; BGHSt 14, 110.
  • 3. Lackner/Kühl, StGB, § 227, Rn. 2, Aufl. 28.; Schönke/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben, StGB, § 227, Rn. 5, Aufl. 29.
  • 4. MüKo/Hardtung, § 227, Rn. 11., Aufl. 2.
  • 5. Lackner/Kühl, StGB, § 227, Rn. 2.; m.w.N., Aufl. 28.: Schönke/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben, StGB, § 227, Rn. 5, Aufl. 29.
  • 6. Schönke/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben, StGB, § 227, Rn. 5, Aufl. 29.
  • 7. Schönke/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben, StGB, § 227, Rn. 5, Aufl. 29.
  • 8. BGHSt 14, 110.; Wessels/Hettinger, BT I, § 5, Rn. 298, Aufl. 34.; Rengier, BT II; § 16, Rn. 11, Aufl. 13.
  • 9. Rengier, BT II, § 16, Rn. 11, Aufl. 13.
  • 10. Rengier, BT II, § 16, Rn. 11, Aufl. 13.

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