Ist die Folter durch Hoheitsträger im Rahmen § 32 StGB gerechtfertigt?

Überblick

Relevanz erlangt der Meinungsstreit in Fällen, in denen der Polizeibeamte beispielsweise Folter androht oder solche verübt, um dem Täter Informationen über den Aufenthaltsort einer Geisel zu entlocken. Dabei ist anzumerken, dass der Streit bereits dann nicht zum Tragen kommt, wenn man annimmt, dass sich Hoheitsträger in Ausübung ihrer Dienste generell nicht auf § 32 StGB berufen können (s.o.).
Der gegenwärtige Angriff liegt grundsätzlich in der Aufrechterhaltung der fortdauernden Entführung und/oder in dem entsprechenden Unterlassen der Aufklärung bzw. Beendigung des Zustandes. Ergibt sich die Erforderlichkeit der Foltermaßnahme, stellt sich dann auf der Ebene der Gebotenheit die Frage nach entsprechenden normativen Einschränkungen. Hier kann der Meinungsstreit innerhalb der Klausur dann auch geführt werden.

Die Ansichten und ihre Argumente

1. Ansicht - Unter keinem Gesichtspunkt kann die staatlich durchgeführte Folter eine zulässige Notwehrhandlung im Rahmen des § 32 StGB darstellen.1

Argumente für diese Ansicht

Verstoß gegen verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundpfeiler des deutschen Rechts.

Die staatliche Folter verstößt sowohl gegen die verfassungsrechtlich konstatierte Menschenwürde gemäß Art. 1 I GG sowie gegen Art. 104 I 2 GG, Art. 3, 15 II EMRK und gegen andere, einfachgesetzliche Regelungen wie z.B. § 136a StPO.2 Der Schutz vor Folter stellt ein elementares Menschenrecht dar, betrifft einen Grundwert der demokratischen Gesellschaft und ist Schranke staatlicher Macht.3

Dammbruch/Tabubruch

Ein Anerkennen von solchen Ausnahmen bringt die Gefahr eines Tabu- bzw. Dammbruchs und somit ein Abgleiten in den „Folterstaat“ mit sich.4

2. Ansicht - Unter gewissen Umständen, wenn die Folter präventiv auf Lebenserhaltung gerichtet ist, kann eine Foltermaßnahme eine zulässige Notwehrhandlung (Nothilfe) im Rahmen des § 32 StGB darstellen. 5

Argumente für diese Ansicht

Die Gebotenheit iSd. § 32 StGB gebietet zwar die Berücksichtigung von Wertungen der Gesamtrechtsordnung, sollte aber für derartige Extremfälle einer Rechtfertigung nicht entgegenstehen.6

Menschenwürde des Entführten

Die von der Gegenauffassung ins Feld geführte Menschenwürde trägt nichts zur Lösung bei, da ihr in gleicher Weise die Menschenwürde des entführten, beispielsweise in einem Erdloch sterbenden, Opfers entgegengehalten werden kann.7

Das „Dammbruch“-Argument ist lediglich ein Appell an diffuse Ängste.

Das Argument des vermeintlichen Dammbruchs kann dadurch entkräftet werden, dass damit unterstellt werden würde, dass die Justiz allein deshalb zu evidenten Verfassungsbrüchen bereit wäre, nur weil in dieser einen Konstellation § 32 StGB zur Rechtfertigung von Folter Anwendung findet. Tatsächlich hat es noch keinen „Folterstaat“ gegeben, dessen Praktiken sich von dem Ausgangspunkt der Notwehrfolter entwickelt haben.8

  • 1. Schönke/Schröder/Perron/Eisele, StGB, 30. Auflage 2019, § 32 Rn. 62a; Fischer, StGB, 69. Auflage 2022, § 32 Rn. 13 ff.; Saliger, ZStW 116, 35.
  • 2. Schönke/Schröder/Perron/Eisele, StGB, 30. Auflage 2019, § 32 Rn. 62a.
  • 3. LK/Rönnau/Hohn, StGB, 13. Auflage 2019, § 32 Rn. 223.
  • 4. Schönke/Schröder/Perron/Eisele, StGB, 30. Auflage 2019, § 32 Rn. 62a.
  • 5. Götz, NJW 2005, 953; Erb, NStZ 2005, 593.
  • 6. Erb, NStZ 2005, 593 (596 f.).
  • 7. Zur Abwägung vgl. Amelung, JR 2012, 18.
  • 8. Götz, NJW 2005, 953.

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