Ist die Rechtsfigur der actio libera in causa zulässig?
Überblick
Bei der Rechtsfigur der vorsätzlichen actio libera in causa (a.l.i.c.) handelt es sich um Konstellationen, in denen der Täter den Zustand der Schuldunfähigkeit vorab frei und bewusst, d.h. schuldhaft herbeigeführt hat. Fraglich ist, inwieweit sich der Täter dann noch auf seine Schuldunfähigkeit berufen kann, weil er diese vorsätzlich herbeigeführt hat, um dann in diesem schuldausschließenden Zustand eine Straftat zu begehen. Zu diesem Zwecke wurde die Rechtsfigur der a.l.i.c. konstruiert, die dem Täter im Ergebnis die Berufung auf seine vorsätzlich herbeigeführte Schuldunfähigkeit versagt.
Die Rechtsfigur besagt, dass derjenige, der eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit begeht, diesen Zustand aber vorsätzlich herbeigeführt und dabei jene Tat bereits in seinen Vorsatz aufgenommen hat, wegen vorsätzlicher und schuldhafter Begehung der fraglichen rechtswidrigen Tat strafbar ist. Dabei muss der Vorsatz neben der geplanten Tat auch die Herbeiführung der Schuldunfähigkeit umfassen (Doppelvorsatz).
Umstritten ist zum einen, ob die Rechtsfigur generell zulässig oder gänzlich abzulehnen ist. Zum anderen – wenn man davon ausgeht, dass eine Anwendung rechtmäßig ist – ist fraglich, auf welche Begründung dieses Ergebnis zu stützen ist.
Die Ansichten und ihre Argumente
1. Ansicht - Die Rechtsfigur der actio libera in causa ist grundsätzlich zulässig.1
Argumente für diese Ansicht
Geringer Strafrahmen des § 323a StGB
Verzichtet man auf die Rechtsfigur der actio libera in causa in Gänze, würde dies zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, soweit der Täter in dem vorsätzlich herbeigeführten Zustand der Schuldunfähigkeit ein Tötungsdelikt begeht. Dann stünde nur noch § 323a StGB zur Verfügung, der lediglich einen Strafrahmen von maximal fünf Jahren vorsieht.2
(Siehe dafür zusätzlich die unterschiedlichen Begründungen der Zulässigkeit im Streitstand: „Folgt man der Meinung, dass die actio libera in causa zulässig ist, bleibt die Frage, unter welchen Voraussetzungen?“)
2. Ansicht - 2. Ansicht - Die Rechtsfigur der actio libera in causa ist generell abzulehnen.3
Argumente für diese Ansicht
Umkehrschluss aus § 17 S. 2 StGB und § 35 I 2 StGB
Für die Unzulässigkeit der actio libera in causa spricht bereits der Umkehrschluss aus den Regelungen in § 17 S. 2 StGB und § 35 I 2 StGB, in denen der Gesetzgeber Fälle der Mitverantwortung des Handelnden – mit für ihn nachteiligen Folgen – normiert hat. In § 20 StGB ist eine solche Ausnahme gerade nicht vorgesehen.4
Keine gravierenden Strafbarkeitslücken
Für dieses Ergebnis spricht zudem – entgegen verbreiteten Befürchtungen –, dass die Unzulässigkeit der a.l.i.c. zu keinen gravierenden Strafbarkeitslücken führen würde. Das StGB stellt mit § 323a StGB gerade Straftaten, die im Vollrausch begangen worden sind, unter Strafe. Auch der im Vergleich zu anderen Delikten relativ geringe Strafrahmen von maximal fünf Jahren führt zu keinem anderen Ergebnis. Sieht man darin einen unerträglichen Missstand, wäre ein Tätigwerden des Gesetzgebers erforderlich.5
Es ist dem Gesetzgeber vorbehalten in § 20 StGB eine entsprechende Einschränkung der Anwendung bei vorwerfbarer Herbeiführung der Schuldunfähigkeit zu verankern.6
- 1. BGHSt 42, 235 (241); Rönnau, JA 1997, 708 ff.
- 2. Schönke/Schröder/Perron/Weißer, StGB, 30. Auflage 2019, § 20 Rn. 33.
- 3. Schönke/Schröder/Perron/Weißer, StGB, 30. Auflage 2019, § 20 Rn. 35b.
- 4. Hilgendorf/Kudlich/Valerius/Joerden, Handbuch des Strafrechts, Bd. II, § 39 D. V. Rn. 71.
- 5. Dazu Rönnau, JuS 2010, 300 mwN.
- 6. Fischer, StGB, 69. Auflage 2022, § 20 Rn. 55.
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