Ist der Gefahrverwirklichungszusammenhang bei den Erfolgsqualifikationen nach §§ 306b I, II Nr. 1, 306c, und 306a II StGB auch dann gegeben, wenn die gefährliche Folge bei einem „Retter“ eintritt? (Sog. Retterfälle)

Überblick

Umstritten ist, ob der qualifizierende Erfolg, der bei einem Retter eintritt, dem Brandstifter noch zugerechnet werden kann. Der erforderlich Gefahrverwirklichungszusammenhang setzt insoweit also die objektive Zurechnung des qualifizierende Erfolges voraus. Diese Zurechnung wird nach den allgemeinen Grundsätzen allerdings durch ein eigenverantwortliches Dazwischentreten in Form einer freiverantwortlichen Selbstgefährdung unterbrochen. Fraglich ist dann, inwieweit ein Retter bei seinem Handeln auch tatsächlich freiwillig handelt. Unstreitig ist, dass z.B. aus § 323c StGB zur Rettung verpflichtete Helfer nicht freiwillig handeln und ein bei ihnen eintretender qualifizierender Erfolg dem Brandstifter ohne Weiteres zugerechnet wird. Gleiches gilt für Personen, denen zwar keine rechtliche Handlungspflicht obliegt, die jedoch eine gegenwärtige Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eines Angehörigen oder einer anderen ihnen nahe stehenden Person abwenden wollen. Gestützt auf den Gedanken des § 35 StGB handeln auch diese Personen nicht freiwillig. Umstritten ist nun, ob es auch darüber hinausgehend möglich ist, das Verhalten des Retters dem Brandstifter trotzdem zuzurechnen – fraglich ist vor allem, ob ein berufsmäßiger Helfer, in Situationen, die jenseits seiner Handlungspflicht oder des § 35 StGB liegen, dennoch in den Schutzbereich der Norm fällt.


Folgen und Auswirkungen des Meinungstreites

1. Ansicht - Das Kriterium der Freiwilligkeit ist nicht auf Fälle des § 35 StGB beschränkt.

Der qualifizierende Erfolg ist dem Brandstifter auch dann zuzurechnen, wenn die durch die Brandstiftung hervorgerufene, nötigungsähnliche Drucksituation ein einsichtiges Motiv für gefährliche Rettungsmaßnahmen geschaffen und der Retter sich nicht unvernünftig riskant verhalten hat. Das Eingreifen muss also typische Folge der Brandstiftung sein.1 Professionelle Retter fallen daher auch dann in den Schutzbereich der Norm, wenn sie nicht aus einer Handlungspflicht heraus oder aufgrund des § 35 StGB handeln.

2. Ansicht - Erfolge, die aus einer Rettungsmaße resultieren und die nicht auf einer beruflichen Pflicht oder auf dem Näheverhältnis iSd. § 35 StGB beruhen, sind dem Brandstifter nicht zuzurechnen.2

Argumente für diese Ansicht

Hohes Strafmaß erfordert eine restriktive Auslegung.

Die hohe Mindeststrafe der §§ 306b II Nr. 1 und 306c StGB fordern eine restriktive Auslegung. Die Realisierung typischer, bewusst eingegangener Berufsrisiken kann die Strafschärfung nicht rechtfertigen.3

  • 1. BGHSt 39, 322 (324ff.).; Eisele, BT I, Rn. 1080ff., Aufl. 3.; Fischer, StGB, § 306c, Rn. 4a., Aufl. 63.
  • 2. Schönke/Schröder/Heine/Bosch, StGB, § 306c, Rn. 7, Aufl. 29.
  • 3. Schönke/Schröder/Heine/Bosch, StGB, § 306c, Rn. 7, Aufl. 29.

Lass dir das Thema Ist der Gefahrverwirklichungszusammenhang bei den Erfolgsqualifikationen nach §§ 306b I, II Nr. 1, 306c, und 306a II StGB auch dann gegeben, wenn die gefährliche Folge bei einem „Retter“ eintritt? (Sog. Retterfälle) noch mal ausführlich erklären auf Jura Online!


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