Entfernt sich auch derjenige nach § 142 II Nr. 2 berechtigt oder entschuldigt, der sich dahingehend in einem Erlaubnistatbestandsirrtum befindet?

Überblick

Nach § 142 I wird laut § 142 II Nr. 2 StGB auch derjenige bestraft, der sich zwar vorab berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, die Feststellung aber nicht unverzüglich nachholt. Berechtigt iSd. § 142 II Nr. 2 StGB entfernt sich der, für den Rechtfertigungsgründe eingreifen. Entsprechend entfernt sich der Täter entschuldigt, wenn dieser ohne Schuld gehandelt hat, da insoweit Entschuldigungs- oder Schuldausschließungsgründe eingreifen.
Fraglich ist nun, ob die Pflicht, die Feststellung nachzuholen, auch denjenigen Täter trifft, der hinsichtlich der berechtigenden oder entschuldigenden Umstände einem Erlaubnistatbestandsirrtum unterlegen hat.

Die Ansichten und ihre Argumente

1. Ansicht

Auch der Täter, der sich in einem Erlaubnistatbestandsirrtum befindet, entfernt sich entschuldigt oder berechtigt vom Unfallort. Daher trifft diesen auch die Pflicht, die Unfallfeststellung nachzuholen.1

Argumente für diese Ansicht

Die irrtümliche Annahme der tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes ist dem Fall eines tatsächlich bestehenden Grundes gleichzusetzen.2

Auch bei einer irrigen Annahme erreicht den Täter der „Appell der Unfallsituation“3 ebenso wie, wenn die rechtfertigenden oder entschuldigenden Umstände tatsächlich vorlägen.

Insoweit besteht zwischen beiden Situationen eine gewisse sachliche Vergleichbarkeit, die die Gleichstellung, mit der Folge der nachträglichen Feststellungspflicht auch eines sich in einem Erlaubnistatbestandsirrtum befindlichen Täters, rechtfertigt.4

Es leuchtet nicht ein, wieso derjenige, der sich das Bestehen eines Rechtfertigungsgrundes nur vorstellt, besser gestellt werden soll als derjenige, bei dem ein Rechtfertigungsgrund tatsächlich vorliegt.5

2. Ansicht

Soweit der Täter irrtümlich von einem Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes ausgeht, entfernt er sich nicht berechtigt oder entschuldigt iSd. § 142 II Nr. 2 StGB, sodass ihn auch nicht die Pflicht trifft, die Unfallfeststellung nachträglich nachzuholen.6

Argumente für diese Ansicht

Die Einbeziehung auch desjenigen Täters, der sich hinsichtlich eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes in einem Irrtum befindet, führt zu einer Ausweitung des Tatbestandes und widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes.

Bei einer systematischen Trennung der Pflichten nach Abs. 1 und Abs. 2, führt die Einbeziehung des Täters, der einem Erlaubnistatbestandsirrtum unterliegt im Ergebnis zu einer Ausweitung der Handlungspflichten auf einen Unfallbeteiligten gegen den Wortlaut des Gesetzes. Der Gesetzgeber hat die in Abs. 2 normierte Pflicht nicht ohne Grund an das Vorliegen tatsächlicher und nicht nur eingebildeter Notsituationen gebunden. Wenn eine solche Situation nur nach der Vorstellung der Täters gegeben ist, stellt sich schon die Frage des Verstoßes gegen die Pflicht aus § 142 Abs. 1 StGB.7

  • 1. BGHSt 28, 134.; Fischer, StGB, § 142, Rn. 50, Aufl. 63.; Rengier, BT II, § 46, Rn. 25a., Aufl. 16.; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 142, Rn. 55.; NK/Schild, StGB, § 142, Rn. 131, Aufl. 4.
  • 2. BGHSt 28, 134.; Fischer, StGB, § 142, Rn. 50, Aufl. 63.
  • 3. NK/Schild, StGB, § 142, Rn. 131, Aufl. 4.
  • 4. NK/Schild, StGB, § 142, Rn. 131, Aufl. 4.
  • 5. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 142, Rn. 55.
  • 6. Dornseifer in JZ 80, 299 (303).
  • 7. Dornseifer in JZ 80, 299 (303).

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