Sind im Rahmen der „Verwerflichkeit“ im Sinne des § 240 II StGB auch Fernziele zu berücksichtigen?

Überblick

Im Rahmen der Prüfung der Verwerflichkeit im Sinne des § 240 II StGB ist das konkrete Nötigungsmittel zu dem angestrebten Zweck in Beziehung zu setzen.1 Grundsätzlich meint der Zweck insoweit das beabsichtigte Nahziel. Dieses ist anknüpfend an § 240 I StGB in der erstrebten Handlung, Duldung oder Unterlassung zu sehen. Gerade im Hinblick auf politisch motivierte Blockaden und Demonstrationen stellt sich nun die Frage, ob diese Fernziele ggf. die Verwerflichkeit der Nötigung entfallen lassen, oder erst im Rahmen der Strafzumessung beachtet werden können.

Die Auffassungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Fernziele sind ausschließlich erst bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.

Argumente für diese Ansicht

Schutz Dritter, die nicht betroffen sind

Mit dieser Auffassung wird insbesondere sicher gestellt, dass nicht in die Freiheitsrechte anderer, die nicht betroffen sind, eingegriffen wird.2 Aus der Struktur des dem Individualschutz dienenden Nötigungsverbots folgt zwangsläufig, dass sich die Verwerflichkeit aus Sicht des Nötigungsopfers beurteilen muss.3

Unabhängigkeit bei der Urteilsfindung

Es wird vermieden, dass das Urteil über die Strafbarkeit von politischen Einflüssen und persönlichen Einstellungen abhängig gemacht wird.4

2. Ansicht - Fernziele sind bereits bei der Prüfung der Verwerflichkeit im Rahmen des § 240 II StGB zu beachten.5

Je gewichtiger und positiver im Sinne der von der Rechtsordnung geschützten Werte das verfolgte Ziel ist, umso positiver stellt sich auch der Nötigungserfolg dar.

Argumente für diese Ansicht

Weder rechtsdogmatisch noch rechtspolitisch ist es überzeugend, jede Berücksichtigung von Fernzielen auf der Tatbestandsebene auszuschließen.6

Auslegung der Gegenansicht zu eng

Die von der Gegenansicht vorgenommene Gleichsetzung des Nötigungszwecks mit dem unmittelbaren Nötigungerfolg, führt unberechtigten zur Verengung des Blickwinkels.7

Freiheitsbeeinträchtigung ist nicht Ziel, sondern lediglich Mittel

Die Freiheitsbeeinträchtigung ist in der Regel nicht das Ziel einer Demonstration, sondern vielmehr das Mittel, um eine aufklärende Wirkung zu erzielen.8

  • 1. IdS.: Lackner/Kühl, StGB, § 240, Rn. 18, Aufl. 28.
  • 2. Ähnlich: MüKo/Sinn, § 240, Rn. 126, Aufl. 2.; Rengier, BT II, § 23, Rn. 66, Aufl. 13.
  • 3. Lackner/Kühl, StGB, § 240, Rn. 18, Aufl. 28.
  • 4. In diesem Punkt zustimmend: Rengier, BT II, § 23, Rn. 66, Aufl. 13.
  • 5. Schönke/Schröder/Eser/Eisele, StGB, § 240, Rn. 29, Aufl. 29.; NK/Toepel, § 240, Rn. 156, Aufl. 3.
  • 6. Schönke/Schröder/Eser/Eisele, StGB, § 240, Rn. 29, Aufl. 29.
  • 7. Schönke/Schröder/Eser/Eisele, StGB, § 240, Rn. 29, Aufl. 29.
  • 8. Schönke/Schröder/Eser/Eisele, StGB, § 240, Rn. 29, Aufl. 29.

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