Inwieweit beeinflussen Verfahrensverstöße die Strafbarkeit nach den §§ 153 ff. StGB?
Überblick
Soweit es um prozessrechtliche Fragen zur Zuständigkeit, zum Umfang der Wahrheitspflicht und zum Begriff des Eides geht, stehen etwaige Verfahrensfehler, die sich auf diese Gebiete erstrecken, einer Strafbarkeit nach den §§ 153ff. grundsätzlich nicht entgegen.
Umstritten ist nun aber, inwieweit sich andere Verfahrensfehler auswirken, z.B., wenn der Zeuge vernommen wird und falsch aussagt, wobei er zuvor nicht belehrt wurde.
Die Ansichten und ihre Argumente
1. Ansicht - Strafzumessungslösung
Soweit ein solcher Verfahrensverstoß vorliegt, ist dies auf der Ebene der Strafzumessung als Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen.1
Argumente für diese Ansicht
Schutzgut der Rechtspflege wird dennoch gefährdet.
Auch durch eine prozessual unverwertbare Falschaussage kann die Rechtspflege gefährdet werden.2 Denn damit, dass eine Aussage nicht verwertet werden darf, ist noch nicht sichergestellt, dass sie im Einzelfall nicht doch verwendet und zur Grundlage einer Entscheidung gemacht wird, da der Verfahrensmangel dem Gericht verborgen bleiben kann.3
§ 157 II StGB.
Diese Rechtsansicht wird zudem durch § 157 II StGB bestätigt, wo solche Umstände grundsätzlich nur als Strafmilderungsgründe behandelt werden.4
Die Wahrheitspflicht besteht dennoch fort.
Die Tatsache, dass die Aussage aufgrund Verfahrensmängel unverwertbar ist, entbindet die Aussageperson allenfalls von der Aussagepflicht, nicht aber von der Wahrheitspflicht, wenn sie dennoch aussagt.5
2. Ansicht - Tatbestandslösung
Falsche Aussagen fallen, soweit sie durch einen Verfahrensverstoß unverwertbar sind, tatbestandlich nicht unter den Schutzbereich der §§ 153 ff. StGB.6
Argumente für diese Ansicht
Widerspruch zu den Zielen der Rechtspflege.
Würde man unverwertbare Aussagen bei der Wahrheitsfindung berücksichtigen, würde dies den Zielen der Rechtspflege widersprechen (nämlich eine prozessual ordnungsgemäß zustande gekommen Entscheidung zu treffen). Die Rechtspflege würde im Falle der Unwahrheit der Aussage daher auch nicht gefährdet werden.7
- 1. Schönke/Schröder/Lenckner/Bosch, StGB, vor §§ 153 ff. Rn. 23, Aufl. 29.; Rengier, BT II, § 49, Rn. 36, Aufl. 15.; BGHSt 10, 142 (144).
- 2. Rengier, BT II, § 49, Rn. 36, Aufl. 15.; BGHSt 10, 142 (144).
- 3. Schönke/Schröder/Lenckner/Bosch, StGB, vor §§ 153 ff., Rn. 23, Aufl. 29.
- 4. BGHSt 10, 142 (144).
- 5. Schönke/Schröder/Lenckner/Bosch, StGB, vor §§ 153 ff., Rn. 23, Aufl. 29.
- 6. Geppert in Jura 88, 498.; SK/Rudolphi, StGB, vor § 153, Rn. 33ff., Lieferung 140.
- 7. SK/Rudolphi, StGB, vor § 153, Rn. 34f., Lieferung 140.; ähnlich auch: NK/Vormbaum, StGB, § 153, Rn. 32, Aufl. 4.
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