Gibt es einen Rücktritt vom erfolgsqualifizierten Versuch im Rahmen des § 251 StGB?

Überblick

Umstritten ist, ob ein Rücktritt vom erfolgsqualifizierten Versuch auch dann noch möglich ist, wenn der Täter die qualifizierende Todesfolge leichtfertig herbeigeführt hat. Der Streit betrifft also die Situation, in der die Wegnahme an sich scheitert, der Raub also versucht bleibt, der Einsatz der spezifischen Nötigungsmittel allerdings leichtfertig (also grob fahrlässig) den Tod des Opfers herbeigeführt hat. Fraglich ist, ob ein Rücktritt nach dem Eintritt des Todeserfolges möglich ist, wenn der Täter es freiwillig aufgibt, die Sache wegzunehmen.

Die Auffassungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Ein Rücktritt ist nicht möglich. 1

Der Täter macht sich dann u.a. aus §§ 251, 22 StGB strafbar.

Argumente für diese Ansicht

§ 251 StGB ist materiell vollendet

Dadurch, dass das Opfer leichtfertig getötet wurde und somit die schwere Folge und der straferhöhende Umstand eingetreten sind, ist § 251 StGB materiell vollendet, sodass ein Rücktritt des Täters nicht mehr möglich ist. Zwar handelt es sich formal betrachtet um einen Versuchsfall, da die Verwirklichung des Raubes fehlt, doch ist unter dem Gesichtspunkt der Gefahrverwirklichung und der ratio legis der Erfolgsqualifikation in dem Versuch ein vollendetes Delikt zu sehen.2

Der Rücktritt vom Versuch stellt eine Umkehr der Gefährdung dar.

Von einer durch den Versuch provozierten Gefahr kann der Täter nur zurücktreten, wenn die Gefahr beseitigt wird. Das ist ausgeschlossen, wenn bei einem erfolgsqualifizierten Delikt der Erfolg als Verwirklichung der Gefahr bereits eingetreten ist.3

Es ist sachgerecht, den Täter für die Unterlassung der Wegnahme mit der Versuchsmilderung zu belohnen, nicht aber mit der Aufhebung der nach § 251 schon verwirklichten Strafe für die Erfolgsqualifikation.

„Tat“ im Sinne von § 24 StGB meint das gesamte Delikt einschließlich der Qualifikation.4

2. Ansicht - Der Rücktritt vom erfolgsqualifizierten Delikt ist möglich.5

Argumente für diese Ansicht

Der Qualifikation fehlt ohne die vollendete Wegnahme der Bezugspunkt

§ 24 StGB umfasst uneingeschränkt den Rücktritt vom Versuch eines Grunddelikts. Wenn davon zurückgetreten wird, entfällt damit aber auch der Anknüpfungspunkt für die Erfolgsqualifikation.6

Dass mit der „Tat“ im Sinne des § 24 StGB die Gesamttat gemeint ist, spricht mehr für als gegen eine Rücktrittsmöglichkeit.

Der Rücktritt beseitigt nie das Unrecht des Versuchs, wirkt allerdings strafbefreiend. Bei jeder Teilverwirklichung eines Delikts realisiert sich auch eine tatbestandsspezifische Gefahr. Die Besonderheit, dass der Teil, der verwirklicht wird, denjenigen, von dem der Täter Abstand nimmt, in seinem Unrechtsgehalt krass überwiegt, kann die Möglichkeit eines Rücktritts nicht ausschließen.7

Ein Rücktritt vom erfolgsqualifizierten Versuch widerspricht der allgemeinen Akzessorietät zwischen Qualifikation und Grunddelikt.8

Bei der Kombination vom versuchten Grunddelikt und dem vollendeten Qualifikationstatbestand gelten sonst auch die Versuchs- und Rücktrittsregeln. 9

Verstoß gegen Art. 103 II GG10

Der Ausschluss des Rücktritts käme einer teleologischen Reduktion des § 24 StGB gleich, die gegen Art .103 II GG verstößt. Ein solcher Ausschluss ist dem Gesetzgeber vorenthalten.

  • 1. Ulsenheimer in Bockelmann-FS, 1979, 405ff.
  • 2. Ulsenheimer in Bockelmann-FS, 79, 405 (415).
  • 3. LK-StGB/Vogel/Burchard, 13. Auflage 2023, § 251 Rn. 27.
  • 4. Ulsenheimer in Bockelmann-FS, 79, 405 (419).
  • 5. BGHSt 42, 158.; Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Auflage 2019, § 251 Rn. 7.
  • 6. AK-StGB/Habetha, 3. Auflage 2020, § 251 Rn. 14; a.A: Wolters, GA 2007, 65 ff., der ausführlich erklärt, wieso die Wegnahme nicht der Anknüpfungspunkt der Erfolgsqualifikation ist.
  • 7. AK-StGB/Habetha, 3. Auflage 2020, § 251 Rn. 14.
  • 8. Hilgendorf/Kudlich/Valerius/Jäger, Handbuch des Strafrechts Bd. 3, § 58 Rn. 170.
  • 9. Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Auflage 2019, § 251 Rn. 7.
  • 10. LK-StGB/Vogel/Burchard, 13. Auflage 2023, § 251 Rn. 27.

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