Wie bestimmt sich der Rechtsweg bei doppeltfunktionalen Maßnahmen?

Überblick

Problematisch ist innerhalb des § 23 I EGGVG die Bestimmung des Rechtsweges, wenn die Polizei mit einer Maßnahme sowohl präventiv als auch repressiv tätig wird. Die Abgrenzung ist daher umstritten.

Die Ansichten und ihre Argumente

1. Ansicht - Schwerpunkttheorie1

Der Rechtsweg wird durch den Schwerpunkt der polizeilichen Maßnahme bestimmt. Es wird darauf abgestellt, wie ein objektiver Beobachter die polizeiliche Maßnahme qualifizieren würde. Dabei entscheidet insgesamt der Gesamteindruck im Einzelfall. Eine präventive und eine repressive Maßnahme stehen insoweit in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander.
In Problemfällen kann der Wille des Polizeibeamten zur Bestimmung zusätzlich hinzugezogen werden.

Argumente für diese Ansicht

Bürger weiß in der Regel, wie Polizei handelt

Der Bürger erkennt in der Regel, ob die Polizei repressiv oder präventiv handelt, sodass ein gewisses Maß an Rechtssicherheit gewährleistet wird. Leitet die Polizeibehörde die Sache beispielsweise gem. § 163 II StPO an die Staatsanwaltschaft weiter, so ist jedem verständigen Beobachter klar, dass die Maßnahme strafprozessualer Natur ist.

Polizei gibt meistens Auskunft

Auch kann der Bürger regelmäßig erwarten, dass er auf Anfrage von der Polizeibehörde mitgeteilt bekommt, aus welchem Grund gegen ihn vorgegangen wurde.

Missbrauchsgefahr

Würde man auf die Zwecksetzung durch die Polizei abstellen, so könnte sie sich jedes Mal den Rechtsweg durch ihre Begründung selbst aussuchen.

2. Ansicht - Zwecksetzungslehre2

Nach der Zwecksetzungslehre kommt es ausschließlich auf die Zwecksetzung durch die Polizei an. Lässt sich diese nicht ermitteln, so hat der Betroffene ein Wahlrecht zwischen den Rechtswegen. Repressive und präventive Maßnahmen können danach nebeneinander stehen.
Problematisch wird es innerhalb der Zwecksetzungslehre, wenn die Polizei im Rahmen ihrer Begründungspflicht ihr Handeln sowohl auf repressive Befugnisnormen als auch auf präventive Befugnisnormen stützen will („doppelt- gestützte Maßnahme“).3

Argumente für diese Ansicht

Schwerpunkttheorie ist systemwidrig

Der Polizei darf nicht verwehrt werden, ihr Handeln auf zwei verschiedene Befugnisnormen zu stützen. Andernfalls würden die materiell-rechtlichen Handlungsbefugnisse aus prozessrechtlichen Gründen unzulässig beschränkt.

  • 1. BVerwGE 47, 255 (265), OVG Berlin, NJW 1971, 637; Habermehl, Rn. 484; Knemeyer, Rn. 122, 400.
  • 2. Schenke, POR, Rn. 419 ff.; Schoch, FS Stree u. Wessels, 1993, S.1095, 1115.
  • 3. zur Problematik der doppeltgestützten Maßnahme vgl: Schenke, POR, Rn. 424; ders., VerwProzR, Rn. 140 und Götz, 13. Auflage, Rn. 548, 550.

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