Wie gestaltet sich das Näheverhältnis zwischen dem Verfügenden und dem Geschädigten beim Dreiecksbetrug?

Überblick

Die Abgrenzung zwischen einem Diebstahl in mittelbarer Täterschaft und einem Dreiecksbetrug erfolgt durch die Feststellung eines besonderen Näheverhältnisses zwischen dem Verfügenden und dem Geschädigten. Besteht ein solches Verhältnis, wird der Verfügende dem Herrschaftsbereich des Geschädigten zugerechnet. Man kann sich dies so vorstellen, als bildeten Verfügender und Geschädigter faktisch eine Einheit. Wird der Verfügende getäuscht, wird dies dem Geschädigten gleichsam einer eigenen Täuschung zugerechnet.1 Die Verfügung bewirkt, dass sich der Täuschende nicht wegen Diebstahls, sondern wegen Betruges nach § 263 StGB strafbar macht. Besteht ein solches Näheverhältnis zwischen dem Verfügenden und dem Geschädigten allerdings nicht, ist das Verhalten des Verfügenden sozusagen dem Bereich des Täuschenden zuzurechnen. Der Verfügende steht aus Sicht des Geschädigten auf Seiten des Täuschenden und erscheint in dieser Konstellation als fremder Dritter, der als Werkzeug des Täuschenden in die Vermögensposition des Geschädigten eingreift. Dieses Verhalten stellt sich dann nicht mehr als Verfügung, sondern vielmehr als Wegnahme dar. Der Täuschende macht sich dann wegen eines Diebstahls in mittelbarer Täterschaft strafbar, indem er den Verfügenden als Werkzeug einsetzt. Umstritten ist nun, wann ein solches Näheverhältnis besteht, bzw. wie dieses ausgestaltet sein muss. Dabei besteht allein dahingehend Einigkeit, dass die bloße faktische Möglichkeit des Getäuschten, sich Zugang zu dem Vermögen des Geschädigten zu verschaffen allein nicht ausreicht, da jeder Dieb oder Betrüger diese Möglichkeit hat.2

Die Auffassungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Ermächtigungstheorie3

Nach der Ermächtigungstheorie besteht ein Näheverhältnis dann, wenn der Verfügenden von dem Geschädigten nach dem Zivilrecht ausdrücklich, stillschweigend oder dem Anschein nach zu der Verfügung ermächtigt gewesen ist. Diese Ansicht führt im Ergebnis zu einer Anwendung der zivilrechtlichen Regeln über die Stellvertretung, samt Duldungs- und Anscheinsvollmacht.

Argumente für diese Ansicht

Die Ermächtigungstheorie ermöglicht eine sichere Abgrenzung von Diebstahl und Betrug.4

Die Zurechnung muss auf einer Zurechnungsnorm basieren. Die faktische Nähe zwischen Verfügenden und Geschädigten genügt dafür nicht

Die besondere Beziehung zwischen dem Verfügenden und dem Getäuschten führt dazu, dass dem Vermögensinhaber das ihn schädigende Verhalten des Dritten so zugerechnet wird, als habe er es selbst vorgenommen. Allein die faktische Nähe kann für eine solche Verhaltenszurechnung nicht genügen. Dafür bedarf es stets einer besonderen Zurechnungsnorm.5


Argumente gegen diese Ansicht

Die Ermächtigungstheorie ist zu eng

Mit dem alleinigen Abstellen auf eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage werden im Bereich der Abgrenzung von Vermögensverfügung und Wegnahme die Grenzen zu eng gesetzt.6

Die Ermächtigungstheorie ist zu eng

Mit dem alleinigen Abstellen auf eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage werden im Bereich der Abgrenzung von Vermögensverfügung und Wegnahme die Grenzen zu eng gesetzt.7

2. Ansicht - Lagertheorie

Nach dieser Theorie genügt es zur Annahme eines Näheverhältnisses bereits aus, dass der Verfügende rechtlich oder bloß tatsächlich in der Lage gewesen ist, über das fremde Vermögen zu verfügen. Voraussetzung ist dann aber, dass der Verfügende schon vor der Tat dem Lager des Geschädigten zugerechnet werden musste. Insoweit muss der Verfügende eine wie auch immer geartete Obhutsfunktion bezüglich der betreffenden Sache inne haben. Eine bloße, faktische Zugriffsmöglichkeit genügt hingegen nicht.8

Argumente für diese Ansicht

Die Theorie passt sich der überwiegenden, ebenfalls faktisch orientierten Auslegung der Merkmale der Vermögensverfügung und des Vermögensschadens an. 9


Argumente gegen diese Ansicht

Keine sichere Abgrenzung

Die Lagertheorie bieten keine klare und sichere Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, da die Entscheidungsfindung aufgrund mangelnder objektiver Kriterien intuitiv und gefühlsgeleitet ist.10

  • 1. Mitsch, BT 2/1, § 7, Rn. 72, Aufl. 2.
  • 2. Mitsch, BT 2/1, § 7, Rn. 73, Aufl. 2.; auch: SK/Hoyer, StGB, § 263, Rn. 144, Aufl. 8.; Wessels/Hillenkamp, BT II, § 15, Rn. 645, Aufl. 36.
  • 3. SK/Hoyer, StGB, § 263, Rn. 144ff., Aufl. 8.; Mitsch, BT 2/1, § 7, Rn. 74, Aufl. 2.
  • 4. Mitsch, BT 2/1, § 7, Rn. 74, Aufl. 2.
  • 5. SK/Hoyer, StGB, § 263, Rn. 146, Aufl. 8., m.w.N.
  • 6. Wessels/Hillenkamp, BT II, § 15, Rn. 643, Aufl. 36.
  • 7. Wessels/Hillenkamp, BT II, § 15, Rn. 643, Aufl. 36.
  • 8. BGHSt 18, 221.; Wessels/Hillenkamp, BT II, § 15, Rn. 643, Aufl. 36.; Rengier, BT I, § 13, Rn. 103, Aufl. 14.; Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 263, Rn. 66, Aufl. 29.
  • 9. Rengier, BT I, § 13, Rn. 103, Aufl. 14.
  • 10. Mitsch, BT 2/1, § 7, Rn. 74, Aufl. 2.

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