Was ist „Gewalt“ iSd. § 240 StGB?

1. Ansicht - Gewalt meint, dass der Täter durch körperliche Kraftentfaltung Zwang ausübt, indem er auf den Körper eines anderen einwirkt, um geleisteten Widerstand zu überwinden.

2. Ansicht - Gewalt meint, dass der Täter durch körperliche Tätigkeit Zwang ausübt, indem er auf den Körper eines anderen einwirkt, um geleisteten Widerstand zu überwinden.1

Nach dieser (heute herrschenden) Ansicht ist die Intensität der Einwirkung seitens des Täters namentlich die körperliche Kraftentfaltung auf eine bloße körperliche Tätigkeit zu reduzieren

Argumente für diese Ansicht

Körperlich Kraftentfaltung als Maßstab unzulässig

Es kann nicht darauf ankommen, ob eine Explosion durch Knopfdruck oder erhebliche körperliche Arbeit ausgelöst wird.2

Zufallsargument

Zudem wird es wohl dem Zufall überlassen sein, ob der vermittelte Zwang eine körperliche Kraftentfaltung oder lediglich eine körperliche Tätigkeit erfordert.

3. Ansicht - Für den Gewaltbegriff reicht auch ein psychisch vermittelter Zwang aus, solange er als körperlicher Zwang empfunden wird.
(Vergeistigter Gewaltbegriff)3

Dies soll der Fall sein, wenn das Opfer dem Zwang nicht, oder nur mit erheblicher Kraftentfaltung oder in unzumutbarer Weise begegnen kann.

Argumente für diese Ansicht

Kein Unterschied zwischen psychischem und physischen Zwang aus Sicht des Opfers

Aus Sicht des Opfers kann durch psychischen Zwang der gleiche Effekt erreicht werden, wie durch physischen Zwang.


Argumente gegen diese Ansicht

Wortlaut

Der vergeistigte Gewaltbegriff ist mit dem Wortlaut „Gewalt“ nicht vereinbar.4

Verstoß gegen Art. 103 II GG

Zudem wird hier ein Verstoß gegen Art. 103 II GG angenommen. Wenn die Zwangswirkung nur psychischer Natur ist, wird die Strafbarkeit nicht mehr vor der Tat vom Gesetzgeber, sondern nach der Tat im konkreten Fall vom Richter aufgrund seiner Überzeugung von der Strafwürdigkeit eines Tuns bestimmt.5

  • 1. RGSt 27, 405, 60, 157.; BGHSt 1, 145.
  • 2. Rengier, BT II, § 23, Rn. 6, Aufl. 13.
  • 3. BGHSt 23, 46.; BGHSt 37, 350 (353).
  • 4. BverfGE 73, 206 (233ff., 239ff.).
  • 5. Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 9, Rn. 68, Aufl. 3.; BverfGE 92, 1.

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