Aus welchen Gründen ist die bloße Namenstäuschung im Rahmen des § 267 I Var. 1 StGB straflos?
Überblick
Im Ergebnis unumstritten ist die Tatsache, dass eine bloße Namenstäuschung im Rahmen des § 267 I Var. 1 StGB straflos bleibt. Von einer Namenstäuschung spricht man dann, wenn allgemein oder in einer bestimmten Beweissituation der Urheber der Urkunde so gekennzeichnet ist, dass über seine Person selbst keine Zweifel bestehen. Dies ist z.B. der Fall, wenn jemand unter einem falschen Namen lebt oder ein Künstlername verwendet wird. Gleiches gilt für Fälle, in denen die Identität des Unterzeichners für die beteiligten Kreise ohne jede Bedeutung ist.1
Umstritten ist allerdings die dogmatische Begründung dieses Ergebnisses. Es ist fraglich, ob sich die Straflosigkeit bereits aus dem mangelnden objektiven Tatbestand ergibt oder ob die Strafbarkeit erst am subjektiven Tatbestand, namentlich am Merkmal der Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr scheitert.
Die Ansichten und ihre Argumente
1. Ansicht
Bei bloßer Namenstäuschung entfällt bereits der objektive Tatbestand.2
Argumente für diese Ansicht
Es fehlt an einer Identitätstäuschung.
Bei der bloßen Namenstäuschung entfällt der objektive Tatbestand bereits deshalb, weil der Aussteller als Person feststeht und sich auch als solcher bekennt. Somit wird schon nicht über die Identität des Ausstellers getäuscht, sondern lediglich ein Name verborgen.3
2. Ansicht
Bei bloßer Namenstäuschung entfällt erst der subjektive Tatbestand mangels Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr.4 Der objektive Tatbestand in Form der Ausstellung einer unechten Urkunde liegt hingegen vor.
Argumente für diese Ansicht
Objektiver Erklärungswert im Rechtsverkehr maßgebend
Es gilt der strafrechtliche Grundsatz, dass es nicht darauf ankommt, was der Betroffene denkt und will. Dies würde sonst zu einem Gesinnungsstrafrecht führen. Maßgebend ist, was er objektiv erklärt. Der Wille des unter falschem Namen Handelnden, sich an die Erklärung zu binden, ist nämlich nicht sichergestellt. Ändert der vermeintliche Täter später seine Absicht, zeigt sich, dass die Urkunde seine Erklärung nicht (mehr) beweist. Vielmehr erweckt die Urkunde nur den Anschein, ein Träger des betreffenden Namens habe diese Erklärung abgegeben. Die Angabe des Ausstellers wäre dann falsch und die Urkunde unecht. Die Intention des Täters kann aber erst innerhalb des subjektiven Tatbestandes berücksichtigt werden.5
Relativer Echtheitsbegriff
Es würde im Ergebnis zu einem relativen Echtheitsbegriff führen, wenn man die Echtheit einer unter falschem Namen ausgestellten Urkunde davon abhängig macht, ob derjenige, gegenüber dem die Urkunde gebraucht wird, ein Interesse am wirklichen Namen des Erklärenden hat. Folglich könnte eine Urkunde gegenüber einer Person echt und gegenüber einer anderen Person unecht sein.6
Name einer Person ist entscheidendes Identitätsmerkmal
Im Rechtsverkehr wird die Identität einer Person maßgebend durch ihren Namen bestimmt. Daher ist eine Urkunde grundsätzlich unecht, wenn der Aussteller mit einem ihm nicht zustehenden Namen unterzeichnet.7
- 1. Leipold/Tsambikakis/Zöller/Krell, StGB, 3. Auflage 2020, § 267 Rn. 28.
- 2. LK-StGB/Zieschang, 13. Auflage 2023, § 267 Rn. 150; BGHSt 33, 159.
- 3. BGHSt 33, 159; BGH vom 19.11.2020 2 StR 358/20.
- 4. Seier, JA 1979, 137; Schönke/Schröder/Heine/Schuster, StGB, 30. Auflage 2019, § 267 Rn. 48 ff.
- 5. Leipold/Tsambikakis/Zöller/Krell, StGB, 3. Auflage 2020, § 267 Rn. 28.
- 6. Steinmetz, Der Echtheitsbegriff im Tatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 StGB), 1991, S. 145 f.
- 7. Schönke/Schröder/Heine/Schuster, StGB, 30. Auflage 2019, § 267, Rn. 49.
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