Ist die Rechtfertigung des Behandlungsabbruchs von der Einhaltung der in den §§ 1827 ff. BGB (1901a ff. BGB aF) geregelten verfahrensrechtlichen Absicherungen abhängig?

Überblick

Umstritten ist, ob die Patientenverfügung nach § 1827 BGB nur dann wirksam ist und den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen rechtfertigen kann, wenn alle verfahrensrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt insbesondere für die Bestellung eines Betreuers. Fraglich ist also, ob die Beachtung der §§ 1827 ff. BGB konstitutive Wirkung entfalten, oder nur der möglichst fehlerfreien Feststellung des (mutmaßlichen) Patientenwillens dienen.1

Die Auffassungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Es kommt nur darauf an, dass der (mutmaßliche) Patientenwille materiell-rechtlich vorliegt.2

Argumente für diese Ansicht

Nicht die betreuungsgerichtliche Entscheidung, sondern nur der tatsächliche Patientenwille enthält einen konstitutiven Rechtfertigungsgrund.3

Andernfalls würde sich die Strafe nicht mehr gegen das geschützte Rechtsgut richten, sondern gegen die Verletzung reiner Verfahrensvorschriften.

Würde man den Behandlungsabbruch, der zwar dem Patientenwillen entspricht, aber nicht die prozessualen Voraussetzungen erfüllt, nach den §§ 212, 216 StGB bestrafen, wäre die Strafe nur auf die Sanktionierung wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gerichtet und nicht auf Verletzung des Rechtsguts Leben.4

2. Ansicht - Bei einem rechtfertigenden Behandlungsabbruch sind die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der §§ 1827 ff. BGB zu beachten.5

Argumente für diese Ansicht

Gewährleistung von Rechts- und Verhaltenssicherheit

Die Vorschriften enthalten verfahrensrechtliche Absicherungen, die den Beteiligten bei der Ermittlung des Patientenwillens und der Entscheidung über einen Behandlungsabbruch Rechts- und Verhaltenssicherheit bieten sollen.6

Sicherung des Selbstbestimmungsrechts

Es wird angeführt, dass durch die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen gerade das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht von den Patienten gewährleistet werden soll, die zu einer Willensäußerung nicht mehr fähig sind.7

Schutz des menschlichen Lebens, das gerade durch die Verfassung besonders geschützt ist.8
Der Schutz des Rechtsguts Leben, welches hohen Verfassungsrang hat, wird gerade durch die strengen Beweisanforderungen bei der Feststellung des Patientenwillens erreicht.

  • 1. Fischer, StGB, 69. Auflage 2022, vor §§ 211 Rn. 53a.
  • 2. Fischer, StGB, 69. Auflage 2022, vor §§ 211 Rn. 53a.
  • 3. Fischer, StGB, 69. Auflage 2022, vor § 211 Rn. 53a.
  • 4. Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Auflage 2019, Vor § 211 ff. Rn. 28j.
  • 5. BGH NJW 11, 161 (162); BGHSt 55, 191.
  • 6. BGH NJW 11, 161 (162); BGHSt 55, 191.
  • 7. BGH NJW 11, 161 (162); BGHSt 55, 191.
  • 8. BGH NJW 11, 161 (162); BGHSt 55, 191.

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