Bezieht sich die Subsidiaritätsklausel in § 246 StGB auf alle Taten?

Überblick

In § 246 I StGB heißt es, dass der Täter nur dann wegen Unterschlagung bestraft wird, wenn die „Tat“ nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Umstritten ist nun, was mit dem Wort „Tat“ genau gemeint ist.

Die Auffassungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Mit der „Tat“ iSd. § 246 StGB sind alle schwereren Taten gemeint1

Argumente für diese Ansicht

Wortlaut

Die Einschränkung der Subsidiaritätsklausel auf Zueignungsdelikte ist mit dem Wortlaut unvereinbar.2

Gegenüberstellung der Subsidiaritätsklauseln aus § 246 und § 265 StGB

Dafür, dass mit „Tat“ alle schwereren Taten gemeint sind, spricht der Vergleich mit der Subsidiaritätsklausel aus § 265 StGB. Dieser enthält eine spezielle Subsidiaritätsklausel ("wenn die Tat nicht in § 263 mit Strafe bedroht ist"), deren Wortlaut demjenigen spezieller Subsidiaritätsklauseln anderer Strafbestimmungen angeglichen wurde. Die gleichzeitig in § 246 StGB eingefügte allgemeine Subsidiaritätsklausel kann dann nur so verstanden werden, dass die Unterschlagung hinter sämtlichen Vorschriften mit höherer Strafdrohung zurücktritt.3

2. Ansicht - Das Merkmal „Tat“ bezieht sich nur auf Delikte mit gleicher Angriffs- bzw. Schutzrichtung – mithin nur auf Eigentums- und Vermögensdelikte4

Argumente für diese Ansicht

Wortlaut steht nicht entgegen

Unter dem Wort „Tat“ kann genauso auch nur die konkrete „Zueignungstat“ zu verstehen sein.5

Entspricht Gesetzeszweck und Auffangfunktion des § 246 StGB

§ 246 StGB erfüllt den Zweck eines Auffangtatbestandes, der alle Formen rechtswidriger Zueignung fremder beweglicher Sachen umfasst, die nicht einen mit schwererer Strafe bedrohten eigenständigen Straftatbestand verwirklichen.6 Die Einschränkung der Subsidiaritätsklausel auf Zueignungsdelikte entspricht dieser Auffangfunktion. 7

Es entspricht ferner dem Sinn der Subsidiarität, dass die nachrangigen Vorschriften nur hinter Normen zurücktreten, die Handlungen gleicher Angriffsrichtung erfassen. 8

Gefahr zufälliger Konkurrenzfolgen

Die Annahme der Erfassung aller Taten, die mit schwererer Strafe bedroht sind, führt zu der Gefahr widersinniger Ergebnisse. § 246 I StGB kann bereits durch eine Bagatelltat zB. nach § 223 StGB verdrängt werden. Eine Berücksichtigung des § 246 StGB im Rahmen der Strafzumessung ist dann schwer mit dem Grundsatz formeller Subsidiarität zu vereinbaren. Dadurch wird der spezifische Unrechtsgehalt von § 246 StGB im Schuldspruch nicht ausreichend berücksichtigt.9

  • 1. BGH Urt. v. 06.02.02 – 1 StR 613/01; BGH Urt. v. 24.07.2014 – 3 StR 188/14.
  • 2. BGH Urt. v. 06.02.02 – 1 StR 613/01, Ziffer 13.
  • 3. BGH Urt. v. 06.02.02 – 1 StR 613/01, Ziffer 15.
  • 4. Fischer, StGB, 69. Auflage 2022, § 246 Rn. 23 ff.; Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Auflage 2019, § 246 Rn. 32.
  • 5. Hilgendorf/Kudlich/Valerius/Reinbacher, Handbuch des Strafrechts, Bd. III, § 62 Rn. 39.
  • 6. BT-Drucks. 13/8587, S. 43.
  • 7. Bittmann/Schulze, Handbuch Insolvenzstrafrecht, 2. Auflage 2017, § 19 Unterschlagungen Rn. 14 f.
  • 8. Schönke/Schröder/Bosch, 30. Auflage 2019, § 246 Rn. 32.
  • 9. Fischer, StGB, 69. Auflage 2022, § 246 Rn. 23c.

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