Beweisverwertungsverbote

Autorin: Rechtsanwältin Vera Oldenburger

I. Fehlerhafte Beweiserhebung

Zuerst ist zu prüfen, ob ein Beweis fehlerhaft erhoben wurde. Dabei ist zwischen drei Beweiserhebungsfehlern zu unterscheiden:

1. Beweisthemenverbot

  • § 100d V StPO (Kernbereich der Privatsphäre)
  • § 61 BBG; § 54 StPO
  • § 51 BZRG (Informationen über getilgte Vorstrafen)

2. Beweismittelverbot

  • Zeugen §§ 53 ff. StPO
  • Protokolle § 250 S. 2 StPO
  • § 81c III; § 97 StPO

3. Verbotene Methoden der Beweiserhebung

  • § 136a StPO (Folter)

II. Beweisverwertungsverbot

Ist ein Beweis fehlerhaft erhoben worden, ist in einem weiteren Schritt zu untersuchen, ob aus der fehlerhaften Beweiserhebung auch ein Beweisverwertungsverbot folgt. Dabei ist zwischen relativen und absoluten Beweisverwertungsverboten zu unterscheiden:

1. absolut (normiert)

Absolute Verwertungsverbote werden gesetzlich angeordnet. Eine Heilung ist nicht möglich. Dazu zählen insbesondere:

  • § 81a III; § 81c III s. StPO
  • § 100d V S. 3 StPO
  • § 136a III S. 2 StPO
  • § 252 StPO
  • § 257c StPO
  • § 477 II S. 2, 3 StPO Verbot der Verwendung gewonnener Erkenntnisse aus Maßnahmen nach dem 6-8 Abschnitt der StPO („Zufallsfunde“)

2. relativ (nicht normiert)

Ein relatives Beweisverwertungsverbot besteht immer dann, wenn das Gesetz die Verwertung eines fehlerhaft erhobenen Beweises nicht bestimmt. Dann ist im Wege der Abwägungslehre zu untersuchen, ob aus dem Verstoß ein Verwertungsverbot folgt. Dabei sind

  • die Rechte des Beschuldigten
    (Schutzrichtung der verletzten Norm und Bedeutung der Vorschrift für den Beschuldigten)
  • mit dem Interesse der Öffentlichkeit an der Verfolgung der Straftat
    (Schwere der Vorgeworfenen Tat und die Rechtsfolgen für die Allgemeinheit/ das Opfer)

gegeneinander abzuwägen.

Der jeweilige Tatvorwurf und der Verdachtsgrad muss die Eingriffintensität der jeweiligen Maßnahme rechtfertigen.

Ein bewusster Verstoß gegen oder Willkür bei der Anwendung von Verfahrensvorschriften durch die Verfolgungsorgane führt regelmäßig zu einem Beweisverwertungsverbot.

III. Heilungsmöglichkeit

Ist ein Beweisverwertungsverbot festgestellt worden, ist zu prüfen, ob eine Heilung des Verstoßes möglich ist. Heilungsmöglichkeiten sind:

  • qualifizierte Belehrung
    = Belehrung darüber, dass fehlerhaft erhobene Beweiserhebung zu einem Beweisverwertungsverbot führt + Vornahme der erforderlichen „richtigen“ Handlung.
  • Beispiel:
    Beschuldigter wurde vor erster Vernehmung nicht über das Bestehen eines Aussageverweigerungsrechts belehrt. Geheilt werden kann der Verstoß durch eine Belehrung darüber, dass das, was er bei seiner ersten Vernehmung ausgesagt hat, nicht verwertet werden darf und er auch (für die Zukunft) ein Aussageverweigerungsrecht hat.
  • Widerspruchslösung
  • Grundsätzlich ist der Verwendung des unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften zustande gekommenen Beweises zu widersprechen. Der Angeklagte soll selbst entscheiden können, ob Beweis verwertet wird, oder nicht.

    Beachte:

    • Bei vorhandenem Verteidiger immer ein Widerspruch erfolgen (kennt Verfahrensrechte)
    • Ist der Angeklagte ohne Verteidiger muss dieser nur dann widersprechen, wenn er auf die Widerspruchsmöglichkeit und die Möglichkeit sich auf das Verwertungsverbot zu berufen durch das Gericht unterrichtet wurde!
    • Die Widerspruchslösung nicht anwendbar bei absoluten Verwertungsverboten!

    Einzelne Verfahrensverstöße: