III. Abgrenzung nach Verantwortungsbereichen

Einschränkungen der Erfolgszurechnung können sich beim Fahrlässigkeitsdelikt genau wie auch beim Vorsatzdelikt ebenfalls aus dem Eigenverantwortlichkeitsprinzip ergeben. Diese Abgrenzung von Verantwortungsbereichen führt zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs. Sie wird vor allem dann vorgenommen, wenn sich das Opfer freiverantwortlich bewusst selbst schädigt oder gefährdet. Zur Konkretisierung kann auf den Artikel des objektiven Tatbestands verwiesen werden („Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit“).

Drei Fallgruppen spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle. Zum einen sind die so gennanten Retterfälle zu nennen, bei denen der Täter das Opfer in eine Gefahrenlage gebracht hat, in die ein Helfer durch eine Rettungsaktion eingreift, bei der selbiger getötet wird. Ob der Täter für den Tod des Helfers nach § 229 StGB oder § 222 StGB bestraft werden kann, hängt von der freiverantwortlichen Selbstgefährdung des Helfers ab. Abgegrenzt werden muss also freies von unfreiem Verhalten. Unfreies Verhalten ist dann gegeben, wenn der Helfer verpflichtet ist, in die Situation einzugreifen. Diese Verpflichtungen ergeben sich zum Beispiel aus einer Garantenstellung aus § 323c StGB oder aus beruflichen Vorgaben. In den Fällen, in denen einem Menschen das helfende Eingreifen nicht zugemutet werden kann, aber ein Retter trotzdem hilft, spricht man von freiem Verhalten. Jedoch kann in solchen Konstellationen trotzdem von unfreiem Retterverhalten ausgegangen werden, in denen der Retter durch seine Hilfe versucht, eine gegenwärtige Gefahr für Leben Leib oder Freiheit eines Angehörigen oder einer nahestehenden Person abzuwenden. Die h.M. geht sogar so weit, dass sie ein unfreies Retterverhalten auch dann annimmt, wenn der Täter ein Motiv für gefährliche Rettungsmaßnahmen geschaffen und der Retter sich nicht unvernünftig riskant verhalten hat.1

Eine weitere Fallgruppe bilden die Verfolgerfälle. In diesen Fällen nehmen entweder Polizisten oder Opfer bzw. Passanten die Verfolgung von Tätern auf und verunglücken dabei (teilweise tödlich). Eine solche Verfolgung geschieht etwa, weil der Flüchtende festgenommen werden oder Beute nach einem Diebstahl zurückgewonnen werden soll. Diese Verfolgerfälle weisen Parallelen zu den Retterfällen auf. Grundsätzlich muss der Flüchtende dann für den Verfolger haften, wenn die Erfolge auf denen durch die Anfangsgefahr gesetzten Risiken beruht. Dies ist natürlich nicht der Fall, wenn der Erfolgseintritt in den Verantwortungsbereich des Verfolgers fällt, weil er sich unvernünftig riskant verhält. Nach h.M. werden dem Flüchtenden die Fälle zugerechnet, bei denen die Verfolger zum Eingreifen verpflichtet sind (z.B. Polizisten).2

Schließlich geht es bei den sogenannten Fluchtfällen um die Konstellationen, bei denen das Opfer einer Straftat versucht, dem Angreifer auszuweichen oder vor ihm zu flüchten. Stürzt in solchen Fällen das Opfer aus Angst vor weiteren Schädigungen durch den Täter einen Abgrund hinunter, weil es einen riskanten Fluchtweg eingeschlagen hat oder verletzt es sich sonst durch Stolpern, werden dem Täter die Folgen zugerechnet – dies zumindest bei unfreiem Opferverhalten.3

  • 1. BGHSt 39, 322 ff.; OLG Stuttgart NJW 2008, 1971 ff; Kindhäuser § 11 Rn. 55 ff.; S/S/Sternberg-Lieben § 15 Rn. 168.
  • 2. Rengier § 52 Rn. 51; S/S/Sternberg-Lieben § 15 Rn. 168; Roxin § 11 Rn. 116.
  • 3. Rengier § 52 Rn. 55.