Anwendbarkeit des § 1155 BGB bei gefälschter Abtretungserklärung und öffentlicher Beglaubigung?

Überblick

Problematisch ist die Anwendung von § 1155 BGB wenn es sich um eine gefälschte Abtretungserklärung und eine gefälschte öffentliche Beglaubigung handelt.

Die Auffassungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Gutglaubensschutztheorie

Nach dieser Meinung genügt der Schein einer echten Urkunde, dies ist dann der Fall, wenn die gefälschten Dokumente unerkennbar sind. In diesen Fällen ist § 1155 BGB anwendbar.1

Argumente für diese Ansicht

Hypothekenbrief ist zum Umlauf bestimmt

Der Hypothekenbrief ist zur Kreditbeschaffung bestimmt, damit ist seine Aufgabe, die Zirkulationsfähigkeit der Hypothek zu erleichtern. Müsste der Erwerber jedes Mal zunächst die Echtheit der öffentlichen Beglaubigung prüfen, würde das dem Zweck widersprechen.

Parallele zum Wechsel

Beim Wechsel ist der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten schon dann möglich, wenn dieser durch ein äußerlich einwandfreies Indossament legitimiert ist. Ist dieses Indossament unerkennbar gefälscht, schließt dieses den gutgläubigen Erwerb nicht aus. Da der Hypothekenbrief ähnlich wie der Wechsel zum Umlauf bestimmt ist, muss ein gutgläubiger Erwerb auch hier möglich sein.

Erwerber ist schutzwürdiger als Hypothekar

Der gutgläubige Erwerber muss mehr Schutz genießen dürfen als der Hypothekar. Während dieser es in der Hand hatte seinen Hypothekenbrief zu verwahren, so dass niemand diesen missbrauchen kann, musste der gutgläubige Erwerber bei einer nicht erkennbaren Fälschung von der Echtheit ausgehen.

2. Ansicht - Schutzversagungstheorie

Da § 1155 BGB eine echte öffentliche Beglaubigung voraussetzt, schließen auch nicht erkennbare Fälschungen die Anwendung der Norm aus.2

Argumente für diese Ansicht

Wortlaut des § 1155 BGB

Der Wortlaut ist eindeutig und das Gesetz fordert eine echte öffentliche Beglaubigung, nicht aber deren Schein.

Gutgläubiger Erwerb schützt nur wenn Rechtsscheinsträger legitimiert war

Grundsätzlich ist ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten nur dann möglich, wenn dieser durch einen vom Gesetz für geeignet erklärten Rechtsscheinsträger legitimiert war. Für § 1155 BGB ist dieser die ununterbrochene Reihe der öffentlich beglaubigen Abtretungserklärungen. Der gutgläubige Erwerber aber, glaubt nur an das Vorhandensein des Rechtsscheinträgers, dieser Glaube wird gerade nicht geschützt.

Zirkulationsfähigkeit kein Argument

Das Gesetz hat die Absicht dem Berechtigten sein Recht zu sichern. Dieses Ansinnen steht der Belebung des Hypothekenverkehrs gegenüber und kann nicht höher gewertet werden, als die Sicherung des Rechts für den Berechtigten.

3. Ansicht - Differenzierende Theorie

3

Argumente für diese Ansicht

Doppelte Legitimation

Der Verfügende wird nicht nur durch die (gefälschte) öffentlich beglaubigte Abtretungserklärung legitimiert, sondern auch durch seinen Besitz am Hypothekenbrief. Diese doppelte Legitimation muss im Hinblick auf den gutgläubigen Erwerber einen gutgläubigen Erwerb möglich machen.

Hypothekar muss sich Verlust gefallen lassen

Der Hypothekar muss den Verlust seines Rechts hinnehmen, wenn er selbst veranlasst hat, dass der Brief zum Nichtberechtigten gelangte. Dies entspricht dem Veranlasserprinzip und ist auch unter dem Aspekt der sicheren Verwahrungspflicht plausibel.

  • 1. MüKoBGB/Eickmann, 6. Auflage, § 1155, Rn. 12;RGZ 93,41 (44).
  • 2. Jauernig/Berger, 15. Auflage, § 1155, Rn. 4; Palandt/Bassenge, 74. Auflage, § 1155, Rn.4.
  • 3.

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