Der Kellerbrand (BGH 1 StR 578/12)

Sachverhalt

A will sich an seiner Vermieterin rächen, da diese ihm gekündigt hat. Daher deponiert er in dem Kellergeschoss eines einheitlich sowohl zu Wohnzwecken, als auch gewerblich genutzten Gebäudes, in dem er als Mieter lange gewohnt hatte, eine Vorrichtung zur Auslösung eines Brandes. Dazu verbindet er eine elektrische Einzelherdplatte mit einer auf 5:45 Uhr eingestellten Zeitschaltuhr mit dem Stromnetz. Auf der Herdplatte deponiert er einen Kunststoffkanister mit 10 Litern Benzin; einen weiteren stellte er unter die Stromzählerkästen des Hauses. Dabei handelt er in der Absicht, das gesamte Gebäude in Brand zu setzen oder zumindest massiv zu zerstören. Anschließend verlässt er den Zählerraum und verschließt dessen Tür. Danach verklebt A das Schloss der Kellertür mit Sekundenkleber. Hierdurch will er ein Vordringen von zum Löschen bereiten Personen verhindern oder zumindest erschweren.

Dem Tatplan entsprechend wird die Herdplatte um 5:45 Uhr mit Strom versorgt und erhitzt, wodurch sie nachfolgend einen Brand verursacht. Dieser wird kurze Zeit später von dem Hausmeister des Gebäudes entdeckt, welcher aufgrund der Manipulationen an den Türen jedoch nicht gleich zum Brandherd vordringen kann. Die dadurch verzögert einsetzenden Löscharbeiten werden möglich, nachdem die Feuerwehr die Türen gewaltsam hatte öffnen können.

Aufgrund des Brandes sind sämtliche im Zählerraum verlaufenden Elektroleitungen einschließlich der zentralen Stromleitung zum Haus verschmort; dort gelagerte Gegenstände sind vollständig verbrannt. Zudem wurden alle Stromzähler so stark beschädigt, dass sie ausgetauscht werden mussten. Noch am Tattag ist allerdings eine Notstromversorgung eingerichtet worden, die den Betrieb weniger elektrischer Geräte in den Wohneinheiten gestattete. Außerhalb des Zählerraums wurden große Teile des Gemeinschaftskellers beschädigt und unbenutzbar; im Treppenhaus und in einigen Wohnungen kam es zu leichten Rußniederschlägen.

Der Schaden beläuft sich auf ca. 100.000 Euro.

Wie hat sich A nach den § 306 f. StGB strafbar gemacht?

Die Fallhistorie

Diesen Fall hatte der BGH am 06.03.2013 zu entscheiden. Berufungsinstanz war das LG München I.  

Der Problemkreis

Der vorliegende Fall behandelt die Problematik rund um die Brandstiftungsdelikte. Es wird sich im weiteren Verlauf auch vertieft mit dem Tatbestandsmerkmal des „teilweise zerstören“ auseinandergesetzt. Das Gutachten bietet daher sowohl für Anfangssemester, als auch für Examenskandidaten Gelegenheit sich mit der Systematik der Brandstiftungsdelikte zu beschäftigen.

 

Lösungsskizze

A. Strafbarkeit nach § 306 I Nr. 1 StGB

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Tatobjekt: fremdes Gebäude nach Nr. 1

b) Tathandlung:

aa) In-Brand-Setzen (-)

bb) Ganz oder teilweise zerstören (+)

2. Subjektiver Tatbestand

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

IV. Ergebnis

B. Strafbarkeit nach § 306a I Nr. 1 StGB

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Tatobjekt: Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient (+)

(P) gemischt- genutztes Gebäude

b) Tathandlung

aa) In-Brand-Setzen (-)

bb) ganz oder teilweise zerstört (-)

(P) restriktive Auslegung

2. Zwischenergebnis (-)

II. Ergebnis

C. Strafbarkeit nach § 306a II StGB (-)

Keine Angaben im Sachverhalt

D. Strafbarkeit nach §§ 306a I Nr. 1, 22, 23 I StGB

I. Vorprüfung

1. Keine Vollendung (s.o.)

2. Strafbarkeit des Versuchs nach §§ 23 I Alt. 1, 12 I StGB

II. Tatentschluss

III. Unmittelbares Ansetzen

IV. Rechtswidrigkeit und Schuld

V. Rücktritt

Hier: keine Angaben, die auf Rücktritt deuten

VI. Ergebnis

E. Strafbarkeit gem. §§ 306b II Nr. 3, 306a I Nr. 1, 22, 23 I StGB

I. Vorprüfung

II. Tatentschluss

III. Unmittelbares Ansetzen

IV. Rechtswidrigkeit und Schuld

V. Ergebnis/ Konkurrenzen

§§ 306a I Nr. 1, 306b II Nr. 3, 22, 23 I StGB gem. § 52 StGB in Tateinheit zur vollendeten Brandstiftung gem. § 306 I Nr. 1 StGB (aus Klarstellungsgründen; a.A. vertretbar).

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Gutachten

[Anmerkung: Bei Brandstiftungsdelikten bietet es sich an, aus Übersichtlichkeitsgründen, mit dem Grunddelikt zu beginnen.]

A. Strafbarkeit nach § 306 I Nr. 1 StGB
Indem der A eine Vorrichtung zur Auslösung eines Brandes auf der Herdplatte deponierte, könnte er sich gem. § 306 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben.

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand
Zunächst müsste der objektive Tatbestand vorliegen.

a) Tatobjekt: fremdes Gebäude nach Nr. 1
Es müsste ein fremdes Gebäude vorliegen. A wohnte nur zur Miete, das Gebäude stand im Eigentum der Vermieterin und war somit für A ein fremdes Gebäude.

b) Tathandlung
Es müsste auch eine Tathandlung i.S.d § 306 I Nr. 1 StGB vorliegen.

aa) In-Brand-Setzen
A könnte ein Gebäude in Brand gesetzt haben. In-Brand-Setzen ist gegeben, wenn die Sache vom Feuer in einer Weise erfasst ist, dass ein selbstständiges Weiterbrennen aus eigener Kraft, d.h. auch nach Entfernung des Zündstoffs gegeben ist. Vollendung liegt nur dann vor, wenn der Brand Teile des Gegenstandes erfasst hat, die für dessen bestimmungsmäßigen Gebrauch wesentlich sind.

Hier wurden die Kellerräume derart vom Feuer erfasst, dass ein selbstständiges Weiterbrennen aus eigener Kraft möglich war. Ausweislich des Sachverhalts erfasste das Feuer jedoch nur Gegenstände, die Im Zählerraum deponiert waren. Diese stellen keine wesentlichen Gegenstände dar, die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlich sind.

Damit liegt kein „In-Brand-Setzen“ vor.

bb) Ganz oder teilweise zerstören
A könnte jedoch das Gebäude ganz oder teilweise zerstört haben. Dies liegt vor, wenn durch die vom Feuer ausgehende Ruß-, Gas-, Rauch- oder Hitzeentwicklung, das Tatobjekt die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit ganz verliert (zerstören) oder wesentliche Teile für diese bestimmungsgemäße Brauchbarkeit unbrauchbar geworden sind (teilweise zerstören).

Ausweislich des Sachverhalts wurden auch alle Stromzähler und Leitungen im Keller vollständig in ihrer Funktionalität beeinträchtigt und durch Verschmorung zerstört. Der Keller eines Gebäudes stellt auch einen wesentlichen Bestandteil des Gebäudes dar. Damit liegt die Tathandlung des ganzen oder teilweisen Zerstörens vor.

2. Subjektiver Tatbestand
Es müsste auch der subjektive Tatbestand vorliegen. A müsste vorsätzlich gehandelt haben. Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestands in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände. Er müsste zumindest mit dolus eventualis gehandelt haben. Hier handelte der A gerade, um das Gebäude in Brand zu setzen und ganz oder teilweise Zerstören. Dadurch wollte sich A bei seiner Vermieterin rächen. Damit handelte A sogar absichtlich und damit vorsätzlich. Der subjektive Tatbestand liegt ebenfalls vor.

II. Rechtswidrigkeit
Nach der Lehre vom Erfolgsunrecht wird die Rechtswidrigkeit tatbestandlich indiziert. Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich, sodass A rechtswidrig handelte.

III. Schuld
A handelte auch schuldhaft.

IV. Ergebnis
Damit hat sich A gem. § 306 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht.

B. Strafbarkeit nach § 306a I Nr. 1 StGB
A könnte sich durch das Deponieren einer Brandauslösungsanlage nach § 306a I Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben.

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand
Es müsste der objektive Tatbestand gegeben sein.

a) Tatobjekt: Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient
Es müsste eine Räumlichkeit vorliegen, die der Wohnung von Menschen dient.

Problematisch ist hier, dass ein gemischt- genutztes Gebäude vorliegt. Das Gebäude besteht sowohl aus Wohneinheiten, als auch aus gewerblich genutzten Teilen.

Der § 306a I Nr. 1 StGB stellt ein abstraktes Gefährdungsdelikt dar, sodass nach der Systematik wesentlich sein so, ob durch das Handeln typischerweise das Leben von Personen gefährdet sein kann. Wenn bei gemischt- genutzten Gebäuden diese eine Einheit mit den bewohnten Teilen bilden, ist eine Personengefährdung nicht unwahrscheinlich.

Damit liegt hier eine Räumlichkeit vor, die der Wohnung von Menschen dient.

b) Tathandlung
Fraglich ist, ob eine taugliche Tathandlung vorliegt.

aa) In-Brand-Setzen
Ein In-Brand-Setzen scheidet aus (s.o.)

bb) ganz oder teilweise zerstört
Die Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient, könnte ganz oder teilweise zerstört worden sein.

Eine ganze Zerstörung ist gegeben, wenn ein dem Wohnen dienender Teil des Gebäudes durch die Brandlegung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist.

Teilweise zerstört kann schon vorliegen, wenn Wohnräume durch die Zerstörungswirkung tatsächlich erfasst worden sind, sei es durch Rußeinwirkungen oder anderen Brandeinwirkungen.

Problematisch ist allerdings, dass hier nicht die Wohnräume, sondern die Kellerräume von der teilweisen Zerstörung betroffen sind (s.o.). Die hohe Strafandrohung des § 306a I Nr.1 StGB gebietet daher eine restriktive Auslegung dahingehend, dass tatsächlich der bewohnbare Teil des Gebäudes teilweise oder ganz zerstört worden sein muss.

Ausweislich des Sachverhalts gab es Rußeinwirkungen in den Treppenhäusern und auch in einigen Wohnteilen. Fraglich ist jedoch, ob diese Verrußungen ausreichen, um eine dauerhafte Unnutzbarkeit der Wohnteile anzunehmen und damit ein teilweise zerstören zu bejahen.

Dagegen spricht, dass einfache Rußeinwirkungen i.d.R. nicht so stark sind, dass die Wohnungen dauerhaft nicht mehr bewohnbar sind. Diese Folgen könnten mit einem gewissen Aufwand beseitigt werden. Eine nur vorübergehende Aufhebung des bestimmungsmäßigen Gebrauchs ist hingegen nicht ausreichend.

Damit liegt kein ganzes oder teilweises Zerstören vor.

[Anmerkung: Macht dem Korrektor an dieser Stelle deutlich, dass Ihr die Systematik und den Strafgrund der einzelnen Brandstiftungsdelikte verstanden habt.]

2. Zwischenergebnis
Damit liegt schon der objektive Tatbestand nicht vor.

II. Ergebnis
A hat sich nicht gem. § 306a I Nr. 1 StGB strafbar gemacht.

C. Strafbarkeit nach § 306a II StGB
Für eine konkrete Personengefährdung gibt der Sachverhalt an dieser Stelle nichts her, sodass eine Strafbarkeit nach § 306a II StGB in dubio pro reo ausscheidet.

D. Strafbarkeit nach §§ 306a I Nr. 1, 22, 23 I StGB
A könnte sich durch das Deponieren der Brandauslösungsanlage nach §§ 306a I Nr. 1, 22, 23 I StGB strafbar gemacht haben.

I. Vorprüfung

1. Keine Vollendung
Die Tat ist nicht vollendet (s.o.)

2. Strafbarkeit des Versuchs
Die Strafbarkeit des Versuchs ergibt sich aus §§ 23 I Alt. 1, 12 I StGB.

II. Tatentschluss
A müsste Tatentschluss gehabt haben ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, ganz oder teilweise zu zerstören. Ausweislich des Sachverhalts handelte A mit der Absicht das Gebäude ganz oder teilweise zu zerstören, sodass der Tatentschluss zu bejahen ist.

III. Unmittelbares Ansetzen
A müsste auch unmittelbar zur Tat angesetzt haben. Nach der subjektiv-objektiv gemischten Theorie setzt der Täter unmittelbar zur Tat an, wenn er subjektiv die Schwelle zum Jetzt- geht’s- Los überschritten hat und bereits eine Rechtsgutsgefährdung eingetreten ist. Das Rechtsgut ist gefährdet, wenn nach der Vorstellung des Täters seine Handlung ohne wesentliche Zwischenakte und ohne zeitliche Zäsur unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll.

Hier hat der A die Benzinkanister deponiert, die Anlage penibel installiert und nach seiner Vorstellung alles Erforderliche getan, damit der Brand das Gebäude zerstören kann. Damit hat er unmittelbar zur Tat angesetzt.

IV. Rechtswidrigkeit und Schuld
A handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.

V. Rücktritt
Für einen strafbefreienden Rücktritt sind keine Sachverhaltsangaben ersichtlich.

VI. Ergebnis
Somit hat sich A gem. §§ 306a I Nr. 1, 22, 23 I StGB strafbar gemacht.

E. Strafbarkeit gem. §§ 306b II Nr. 3, 306a I Nr. 1, 22, 23 I StGB
A könnte sich durch dieselbe Handlung auch nach §§ 306b II Nr.3, 306a I Nr.1, 22, 23 I StGB strafbar gemacht haben.

I. Vorprüfung
Die Tat ist nicht vollendet (s.o.). Die Strafbarkeit des Versuchs ergibt sich aus §§ 23 I Alt. 1, 12 I StGB.

II. Tatentschluss
A müsste Tatentschluss gehabt haben. Ausweislich des Sachverhalts verklebte und manipulierte A die Türen, damit keine zum Löschen bereitwilligen Personen in den Zählerraum vordringen konnten. Damit hatte er Tatentschluss.

III. Unmittelbares Ansetzen
Mit der Manipulation der Tür und dem Verlassen des Gebäudes hat er das Tatgeschehen auch unmittelbar aus den Händen gegeben und die Gefahr unwiderruflich in den Verkehr gebracht. Damit ist auch das unmittelbare Ansetzen zu bejahen.

IV. Rechtswidrigkeit und Schuld
A handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.

V. Ergebnis/ Konkurrenzen
Die §§ 306a I Nr. 1, 306b II Nr. 3, 22, 23 I StGB stehen aus Klarstellungsgründen gem. § 52 StGB in Tateinheit zur vollendeten Brandstiftung gem. § 306 I Nr. 1 StGB (a.A. vertretbar).

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  Vielen Dank an Sinan Akcakaya (Dipl.iur.) für die Zusendung dieses Falls!

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