1. Allgemeines
Beachte das Subsidiaritätsprinzip.
2. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB
Für die Nichtleistungskondiktion (die in Eingriffs-, Verwendungs- und Rückgriffskondiktion unterschieden werden kann, aber in der Klausur nicht muss) muss auch ein vermögenswertes Etwas ohne Rechtsgrund erlangt worden sein.
Anders als bei der Leistungskondiktion geschieht dies aber „in sonstiger Weise auf Kosten eines anderen“. Es gilt hier das sog. Unmittelbarkeitserfordernis, d.h. Schuldner der Nichtleistungskondiktion ist immer die Person, die etwas unmittelbar auf Kosten des Bereicherungsgläubigers (=Anspruchsinhabers) erlangt hat.
Prüfungsaufbau der Nichtleistungskondiktion:
1. etwas erlangt
2. in sonstiger Weise auf Kosten eines anderen
a. Eingriffskondiktion
- Die Eingriffskondiktion sanktioniert Eingriffe in den fremden Zuweisungsgehalt eines Rechts oder einer Sache.
- Die Verwendungskondiktion sanktioniert die Verwendung von Vermögenswerten auf eine fremde Sache, ohne eine Leistung zu erbringen.
- Die Rückgriffskondiktion sanktioniert, dass ein anderer auf Kosten des Bereicherungsgläubigers von einer Verbindlichkeit befreit wird.
Achtung: „Ohne Rechtsgrund" hat innerhalb des Anspruchs der Nichtleistungskondiktion eine andere Bedeutung als bei der Leistungskondiktion.
Bei der Eingriffskondiktion1 ist zu fragen, ob die Rechtsordnung eine Sache oder ein Recht dem Gläubiger des Anspruchs zuordnet und der Schuldner daher zur Herausgabe verpflichtet ist. Es geht darum, den Zuweisungsgehalt eines Rechts zu ermitteln. Erlangt der Schuldner einen Vermögenswert, den die Rechtsordnung ihm nicht zuweist, dann verletzt er diesen Zuweisungsgehalt gegenüber dem Gläubiger.
Den umfassendsten Zuweisungsgehalt trifft das Gesetz in § 903 S. 1 BGB für das Eigentum, mit dem der Eigentümer nach Belieben verfahren kann und daher weite Nutzungsmöglichkeiten hat. Wer in diese Möglichkeiten eingreift, greift in den Zuweisungsgehalt ein.
3. § 816 Abs. 1 BGB
Bei § 816 Abs. 1 BGB handelt es sich um einen Sonderfall der Eingriffskondiktion. Da er spezieller ist, ist er in der Klausur noch vor § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB zu prüfen.
Verfügt ein Nichtberechtigter über eine Sache und ist diese Verfügung dem Berechtigten gegenüber wirksam, muss der Nichtberechtigte das herausgeben, was er durch die Verfügung erlangt hat (Achtung: Hier formuliert das Gesetz ungenau. Aufgrund des Abstraktionsprinzips hat der Nichtberechtigte natürlich nicht direkt aus der Verfügung etwas erlangt. Gemeint ist das entgeltliche Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft.)
An § 816 Abs. 1 BGB ist immer im Fall eines gutgläubigen Erwerbs nach §§ 929 S. 1, 932 BGB zu denken. Anhand des Beispiels unter I.
Y verkauft die dem X gehörende PS4 für 300 € an Z. X hat gegen Z aufgrund des Subsidiaritätsprinzips keinen Anspruch aus Herausgabe der PS4 gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Dank § 816 Abs. 1 S. 1 BGB hat er jedoch einen Anspruch gegen Y auf Herausgabe des Verkaufserlöses i.H.v. 300 €.
Anders steht es, wenn Y dem X die PS4 gestohlen hat und sie dann an Z veräußert. Aufgrund § 935 BGB (kein gutgläubiger Erwerb bei abhanden gekommener Sache) ist die Verfügung des Y nicht gegenüber X wirksam. X hat also einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB und aus der Eingriffskondiktion (beachte die Rechtsfortwirkungslehre).
In den Fällen, in denen der Z nicht mehr auffindbar ist, Dieb Y aber schon, kann X die Verfügung gem. § 185 Abs. 2 BGB genehmigen. Dann wird die Verfügung ihm gegenüber wirksam und er kann den Erlös nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB herausverlangen.
Achtung: Durch die Genehmigung wird lediglich die Verfügung gegenüber X wirksam. Y handelt trotzdem als Nichtberechtigter. Er wird durch die Genehmigung nicht berechtigt.
Umstritten ist, was unter dem „durch die Verfügung erlangten“ i.S.v. § 816 Abs. 1 BGB gemeint ist. Die h.M. sieht darin den Erlös, der durch die Veräußerung erzielt wird. Das sind im Beispiel oben 300 €. Eine Gegenmeinung will hingegen über § 816 Abs. 1 BGB nur den objektiven Wert der Sache erstatten. Hat die PS4 nur noch einen Wert von 200 €, so muss Y an X auch nur diese herausgeben. Die Gegenmeinung argumentiert, dass durch die Verfügung selbst zunächst nur die Befreiung der Verbindlichkeit aus dem Kaufvertrag erlangt wurde (die Verbindlichkeit besteht in der Übereignung der Kaufsache gem. § 929 S. 1 BGB). Diese Befreiung habe den Wert, den die Sache objektiv hat.
Dagegen ist einzuwenden, dass im Falle, dass der Verkaufserlös hinter dem objektivem Wert der Sache zurückbleibt, § 816 Abs. 1 S. 1 BGB faktisch auf einen Schadensersatzanspruch hinausläuft, für den das Gesetz sonst ein Verschulden erfordert. Außerdem entspricht es den Grundgedanken des Sachenrechts, dass die Parteien nur herausgeben müssen, was sie tatsächlich haben (vgl. § 818 Abs. 3 BGB).
§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB sieht die Möglichkeit eines Direktanspruchs von Bereicherungsgläubiger gegen den Erwerber vor, sofern er die Sache unentgeltlich erworben hat. Unentgeltlichkeit bedeutet i.d.R. eine Schenkung i.S.d. § 516 BGB, d.h. Y hat die PS4 dem Z geschenkt, statt sie an ihn zu veräußern. Ist Z gutgläubig, so wird er im Fall des unentgeltlichen Erwerbs trotzdem nicht als gleichermaßen schutzwürdig befunden, da er für den Erwerb der Sache nichts selbst investieren musste.
§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB durchbricht also das Prinzip vom Vorrang der Leistungsbeziehungen bei unentgeltlichen Verfügungen.
Beachte: Der Unterschied zu § 822 BGB liegt darin, dass der Beschenkte bei § 816 Abs. 1 S. 2 BGB vom Nichtberechtigten erwirbt. Bei § 822 BGB erwirbt er von einem Berechtigten, der hinsichtlich der Sache einem Bereicherungsanspruch ausgesetzt ist. Dies ist der Fall, wenn zwischen Bereicherungsschuldner und Bereicherungsgläubiger ein unwirksamer Kaufvertrag gem. § 433 BGB geschlossen wurde und der Schuldner die nach § 929 S. 1 BGB wirksam übereignete Sache (Abstraktionsprinzip!) dann weiterverschenkt.
Prüfungsschema § 816 Abs. 1 S. 1 BGB
1. (entgeltliche) Verfügung
2. durch einen Nichtberechtigten
3. Wirksamkeit gegenüber dem Berechtigten (Anspruchsinhaber)
- a. durch gutgläubigen Erwerb
b. durch Genehmigung
Prüfungsschema § 816 Abs. 1 S. 2 BGB
1. unentgeltliche Verfügung
2. durch einen Nichtberechtigten
3. wirksam gegenüber dem Berechtigten (Anspruchsinhaber)
- a. durch gutgläubigen Erwerb
b. durch Genehmigung
4. § 816 Abs. 2 BGB
Abs. 2 hat geringe Relevanz und meint Fälle, in denen ein Schuldner mit schuldbefreiender Wirkung an einen falschen Gläubiger geliefert hat (insbesondere im Falle der Forderungsabtretung). Hier kennen §§ 404 ff. BGB aber schützende Vorschriften.
- 1. Die Eingriffskondiktion ist die prüfungsrelevanteste der Nichtleistungskondiktionen aus § 812 Abs. 1 S. 1. Alt. 2. Die Verwendungs- und Rückgriffskondiktion bleiben in diesem Skript ausgeklammert.