§ 823 Abs. 1 BGB Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung

Autorin: Kim Alexandra Reichenbach (Referendarin)

Skriptaufbau ist zugleich Prüfungsschema:

a. Handlung

Definition:
Unter Handlung ist eine der Bewusstseinskontrolle und Willenslenkung unterliegendes beherrschbares Verhalten unter Ausschluss physischen Zwangs oder unwillkürlichen Reflexes durch fremde Einwirkung zu verstehen.
Die Handlung kann in einem positiven Tun oder Unterlassen bestehen. Im Fall des Unterlassens muss eine Pflicht zur Verhütung der Rechtsgutsverletzung bestehen, z. B. durch eine vertragliche oder gesetzliche (z. B. § 1631 BGB) Garantenstellung.
In der Klausur gilt, die Tathandlung kurz zu umschreiben und ein positives Tun festzustellen (hier liegt selten ein Problemschwerpunkt). Nur wenn die Handlung in einem Unterlassen besteht oder unklar ist, ob die Tathandlung in einem positiven Tun oder in einem Unterlassen besteht, ist an dieser Stelle gutachterlich zu differenzieren.

b. Rechtsgutsverletzung

Definition:
Ein Rechtsgut ist ein vitales Lebensinteresse jedes Menschen, das absolut gegenüber jedermann geschützt ist. Wie bereits erwähnt, sind die in § 823 Abs. 1 BGB aufgezählten Rechtsgüter (Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum und sonstige Rechte) abschließend.
aa. Leben

Das Leben des Menschen ist das höchste Rechtsgut und in Art. 2 GG als unverletzbar bezeichnet. Eine Einwilligung in die Rechtsgutsverletzung ist grundsätzlich unbeachtlich (vgl. § 216 StGB: Tötung auf Verlangen). Eine Einschränkung dieses unbedingten Lebensschutzes gibt es in der Medizin (passive Sterbehilfe, Patientenverfügung, ...).
Geschützt ist auch das noch nicht existierende Leben (sog. Nasciturus, BGHZ 58, 48).

bb. Körper

Auch die Unversehrtheit des Körpers ist grundgesetzlich geschützt, vgl. Art. 2 GG.

Definition:
Die Körperverletzung meint jeden Eingriff in die körperliche Integrität.

Auch hier ergeben sich Besonderheiten In der Medizin: Ärztliche Heileingriffe sind tatbestandsmäßige Körperverletzungen i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB. Zu ihrer Rechtfertigung bedürfen sie der (vorherigen) Zustimmung des Patienten (s. §§ 630d ff. BGB).

cc. Gesundheit
Definition:
Die Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen Zustands. Körperverletzungen führen meist auch zu Gesundheitsbeeinträchtigungen. Eigenständige Bedeutung erlangt das Rechtsgut Gesundheit z. B. bei Vergiftungen, HIV-Infektionen oder den sog. Schockschäden.
dd. Freiheit

Die von § 823 Abs. 1 BGB geschützte Freiheit meint die körperliche Bewegungsfreiheit. In Abs. 1 ist anders als im Strafrecht auch die fahrlässige Freiheitsverletzung umfasst.

ee. Eigentum
Definition:
Der Begriff des Eigentums entspricht dem des Sachenrechts und umfasst die Rechte des Eigentümers aus § 903 BGB. Eigentumsverletzungen sind i.d.R. Substanzverletzungen (d.h. Zerstörung, Beschädigung, Verunstaltung), Entziehung der Sache, Störung der Sach-Umweltbeziehung (d.h. Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs einer Sache), rechtliche und tatsächliche Beeinträchtigungen.

Beachte die Sperrwirkung des EBV der §§ 985 ff. BGB sowie die des Mängelgewährleistungsrechts im Kauf- und Werkvertragsrecht für den deliktischen Schutzbereich.

ff. Sonstige Rechte des § 823 Abs. 1 BGB

§ 823 Abs. 1 BGB schützt auch sonstige Rechte, die sich nach h.M. auf solche nach Art des Eigentums beziehen, d.h. eigentumsähnlich sind. Das sind auch die beschränkten Rechte an fremden Sachen wie Sicherungs- und Anwartschaftsrechte. Nach h.M. ist auch der rechtmäßige Besitz an einer Sache geschützt.

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist als sonstiges Recht des § 823 Abs. 1 BGB geschützt. Es schützt Betriebsinhaber und Angehörige freier Berufe (Zahnärzte, Künstler, ...) vor unmittelbar betriebsbezogenen Eingriffen bzw. unmittelbaren Eingriffen in ihre Berufstätigkeit (mittelbare Beeinträchtigungen sind nicht geschützt). Unmittelbar ist der Eingriff, wenn er in den betrieblichen Tätigkeitskreis eingreift. Der Eingriff muss sich nach objektiven Maßstäben spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten (Stoßrichtung), nicht nur gegen vom Betrieb ohne Weiteres ablösbare Rechte und Rechtsgüter.

In der Klausur ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbegebiet subsidiär zu prüfen. Die Rechtswidrigkeit muss positiv festgestellt werden.

Der sog. Weiterfresserschaden

Ist eine Kaufsache mangelhaft, liegt nicht automatisch eine Rechtsgutsverletzung am Eigentum vor, denn das Eigentum war ja bereits mangelhaft. Eine Rechtsgutsverletzung kann aber an einem mangelfreien Teil der mangelhaften Sache entstehen, sodass ein sog. Weiterfresserschaden vorliegt, der eine Schadensersatzpflicht auslöst.

Voraussetzung ist, dass die mangelhafte Restsache ein isolierbares Einzelteil ist, das gegenüber der mangelfreien Restsache einen eigenständigen Wert besitzt (Erfordernis der funktionellen Abgrenzbarkeit). Schadensersatz kann aber nur geltend gemacht werden, wenn die Rechtsgutsverletzung nicht durch Nacherfüllung zu beheben ist (das Recht der zweiten Andienung soll durch das Deliktsrecht nicht unterlaufen werden, außerdem schützt § 823 Abs. 1 BGB nicht das Äquivalenzinteresse1.

Das schadhafte Einzelteil muss ursächlich für die Rechtsgutsverletzung an dem eigenständig nutzbaren, zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 466 BGB) mangelfreien restlichen Kaufgegenstands sein (Kausalitätserfordernis). Der Prüfungspunkt Handlung liegt in einem positives Tun (Verkauf der mangelhaften Ware) vor.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG)

Das APR ist als „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB geschützt. Das Persönlichkeitsrecht ist das Recht auf Achtung und Nichtverletzung der Person, sowohl in ihrem unmittelbaren Dasein als auch in ihren einzelnen Erscheinungsformen. Geschützt sind lebende als auch bereits verstorbene Personen (postmortales Persönlichkeitsrecht). Zum personellen und sachlichen Schutzbereich vgl. Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG.

Ausdrücklich anerkannt sind u.a. das Namensrecht (§ 12 BGB), das Recht am eigenen Bild (§§ 22 ff. KUG) und das Urheberpersönlichkeitsrecht (§§ 12 ff. UrhG).

Beachte, dass im Prüfungspunkt „Haftungsbegründende Kausalität“ eine Güter- und Interessenabwägung vorgenommen wird, in der die Interessen des Verletzten ebenso wie des Verletzenden und der Öffentlichkeit einschließlich der Wahrung berechtigter Interessen (§ 824 Abs. 2 BGB) berücksichtigt werden müssen.

Ehe

Ob die Ehe als „sonstiges Recht“ des § 823 Abs. 1 BGB geschützt wird, ist umstritten. Geschützt sein soll der räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe, aus dem Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche erwachsen.

Der BGH verneint Schadensersatzansprüche aus Eheverletzung mit der Begründung, dass die Untreue ein innerehelicher Vorgang ist, der nicht von Dritten verletzt werden kann und damit nicht dem Schutzbereich des Deliktsrechts unterfällt. Weiterhin regelt das Familienrecht die vermögensrechtlichen Folgen der Ehe abschließend.

Die andere Ansicht bejaht zumindest den Ersatz des Abwicklungsinteresses, also die Schäden, die aus der Durchführung der Scheidung und der Ehelichkeitsanfechtung resultieren. Das Bestandsinteresse soll nicht ersatzfähig sein, d.h. diejenigen Vorteile, die dem treuen Ehegatten aufgrund der Nichtfortführung der Ehe entgangen sind.
Medicus bejaht nur gegenüber dem Dritten den Ersatz des Abwicklungsinteresses, denn das Verhältnis zum untreuen Ehegatten regelt § 150 FamFG abschließend.

c. Haftungsbegründende Kausalität

Die Handlung muss für die Rechtsgutsverletzung adäquat kausal sein. Die haftungsbegründende Kausalität umfasst drei Prüfungspunkte:

(1.) Äquivalenztheorie


Die Kausalität bestimmt sich nach der condicio sine qua non-Formel, d.h. die Handlung ist kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Diese Formel ist beim Unterlassen entsprechend zu modifizieren, d.h. die Handlung darf nicht hinzugedacht werden, ohne dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele, sog. Quasi-Kausalität.

(2.) Adäquanztheorie


Der Erfolg muss adäquat kausal sein, d.h. er darf nicht außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit liegen und muss die Folge einer durch die Verletzung gesteigerten Möglichkeit sein.

Beispiel:
Ein Fußgänger wird beim Überqueren der Straße von einem Pkw erfasst und bricht sich ein Bein. Auf dem Weg ins Krankenhaus gerät der Krankenwagen seinerseits in einen Unfall, weswegen der Fußgänger sich zusätzlich noch einen Arm bricht. Der Beinbruch ist sowohl äquivalent als auch adäquat kausal im Verhältnis Fußgänger – Autofahrer. Der Armbruch ist äquivalent, aber nicht mehr adäquat kausal im Verhältnis Fußgänger – Autofahrer, denn auf dem Weg ins Krankenhaus durch einen erneuten Unfall zu Schaden zu kommen, ist unwahrscheinlich.

-> Die Adäquanztheorie ist eine Einschränkung der sehr weiten Äquivalenztheorie.

(3.) Schutzzweck der Norm


Der konkrete Erfolg muss vom Schutzbereich der Norm umfasst sein, d.h. der Gesetzgeber hat die Norm geschaffen, um Schäden dieser Art zu vermeiden.

Der Schutzbereich der Norm umfasst auch solche Schäden, die nur durch besondere persönliche Eigenschaften des Opfers verursacht werden. Zwar widerspricht dies dem Grundsatz der Adäquanz (d.h. der allgemeinen Vorhersehbarkeit), wird aber durch den besonderen Opferschutz des § 823 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

Beispiel:
A und B raufen sich in einer Kneipe, wobei A den B gegen einen Barhocker stößt. B erleidet infolge des Zusammenstoßes eine Platzwunde am Kopf und beginnt sofort stark zu bluten. Er ist Bluter, wovon A nichts weiß. Bis der Krankenwagen eintrifft, hat B bereits eine Menge Blut verloren und benötigt daraufhin mehrere Bluttransfusionen.

Unter dem Prüfungspunkt „Schutzbereich der Norm“ werden zwei besondere Fälle in Klausuren immer wieder relevant: die Herausforderungsfälle und Schockschäden.

Herausforderungsfälle
Beispiel:
Polizist P beobachtet, wie Ladendieb D eine Flasche Whisky in seine Jackentasche steckt. Als er ihn daraufhin zur Rede stellt, flüchtet D. P nimmt die Verfolgung auf und übersieht dabei kleine Gehwegs-Bauarbeiten. Er kommt infolge der Unebenheit der Straße zu Fall und bricht sich dabei das Handgelenk.

Herausforderungsfälle zeichnen sich dadurch aus, dass der Handelnde (hier D) die Rechtsgutsverletzung (Körperverletzung des P) nicht unmittelbar selbst herbeigeführt hat, sondern ein von ihm nicht gewollter Entschluss des Geschädigten (P).

Die Rechtsgutsverletzung ist dann noch vom Schutzzweck der Norm erfasst, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

(1.) Es muss eine Herausforderungssituation bestehen, der Geschädigte muss sich also herausgefordert fühlen dürfen (als Polizist obliegt P die Strafverfolgung. Im Falle eines Ladendiebstahls ist er verpflichtet, den Dieb zu fassen, persönliche Daten zu ermitteln und die Tat zur Anzeige zu bringen. Er darf sich somit herausgefordert fühlen; ein Ladenkunde wird sich regelmäßig nicht herausgefordert fühlen dürfen).

(2.) Die Verletzung muss das Resultat eines gesteigerten Verletzungsrisikos und damit nicht nur des allgemeinen Lebensrisikos sein (im Beispielsfall übersieht P aufgrund der Verfolgung die Straßenbauarbeiten. Während einer Verfolgung liegt der Fokus grundsätzlich auf dem Verfolgten, sodass die Umgebung nicht immer erfasst werden kann. Daher ist der Bruch des P, Folge eines gesteigerten Verletzungsrisikos).

(3.) Die Risiken der Verfolgung dürfen nicht außer Verhältnis zur Ergreifung des Flüchtigen stehen (Zweck-Mittel-Relation). Dies wäre z. B. anzunehmen, wenn Polizist P bei einem Schulbesuch bemerkt, wie Schüler S seinem Klassenkameraden K ein Streifen Kaugummi aus der Jackentasche stiehlt. Dieser fühlt sich von dem Blick des P ertappt und flieht aus dem Klassenzimmer durch einen Sprung aus dem geöffneten Fenster. P springt beherzt hinterher, um S zu fassen und bricht sich dabei das Bein.

Schockschäden

Beachte, dass es sich bei den sogenannten Schockschäden um Probleme handelt, die innerhalb der haftungsausfüllenden Kausalität zu prüfen sind. Denn dort wird die Frage relevant, ob der Schaden auch zurechenbare Folge der Handlung ist.

d. Rechtswidrigkeit

Nach der Lehre vom Erfolgsunrecht (h.M.) wird die Rechtswidrigkeit durch Verwirklichung des Tatbestandes indiziert, d.h. sie muss nicht positiv festgestellt werden. In der Klausur reicht es meist, die Rechtswidrigkeit mit dieser Lehre zu bejahen.

Beachte: Liegt die Rechtsgutsverletzung in einem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder in einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, muss die Rechtswidrigkeit positiv festgestellt werden. Die Lehre vom Erfolgsunrecht indiziert hier nicht bereits die Rechtswidrigkeit. Bei der Prüfung der Widerrechtlichkeit des Eingriffs in das APR ist eine Güter- und Interessenabwägung entsprechend der Verhältnismäßigkeitsprüfung einer Verfassungsbeschwerde vorzunehmen.

Der Lehre vom Erfolgsunrecht steht die sog. Lehre vom Handlungsunrecht entgegen. Eine Auseinandersetzung mit dieser Lehre ist selten Gegenstand einer Klausur und bleibt hier daher ausgeklammert.

In vielerlei Fällen können aber rechtfertigende Gründe für den Handelnden vorliegen, z. B.:

  • Notwehr gem. § 227 Abs. 2 BGB
  • Defensiver Notstand gem. § 228 BGB
  • Aggressiver Notstand gem. § 904 BGB
  • Selbsthilfe gem. § 229 BGB
  • Wahrnehmung berechtigter Interessen § 824 Abs. 2 BGB
  • Einwilligung (relevant insbesondere bei medizinischen Eingriffen, s.o.)

Rechtfertigende Gründe sind nur bei Anhaltspunkten zu prüfen. In der Klausur müssen sie zur Bejahung der Rechtswidrigkeit nicht zuerst abgelehnt werden.


e. Verschulden


Die Rechtsgutsverletzung muss vom Handelnden schuldhaft begangen worden sein. Dies setzt zum einen die Verschuldensfähigkeit (in diesem Zusammenhang auch Deliktsfähigkeit), zum anderen Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus.


aa. Verschuldensfähigkeit

Die Verschuldensfähigkeit ist in der Klausur nur dann zu prüfen, wenn der Sachverhalt Anhaltspunkte liefert, dass diese nicht vorliegen könnte, etwa bei Fällen mit Minderjährigen. Im Übrigen ist von der Verschuldensfähigkeit eines jeden zunächst auszugehen und muss im Einzelfall bei Anhaltspunkten verneint werden.

Die Verschuldensfähigkeit bestimmt § 827 Abs. 1 BGB. Danach ist derjenige, der im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, für den Schaden nicht verantwortlich, d.h. nicht verschuldensfähig.

Ebenso deliktsunfähig sind Kinder bis zum vollendeten 7 Lebensjahr (§ 828 Abs. 1 BGB). Jugendliche von 7 - 18 Jahren sind gem. § 828 Abs. 3 BGB nicht deliktsfähig, wenn sie bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis erforderliche Einsicht haben. Die Einsicht ist zu bejahen, wenn der Jugendliche nach seinem Entwicklungsstand von seiner rechtlichen Verantwortlichkeit weiß und diese auch auf den vorliegenden Fall projizieren kann.

Achtung: Die Kenntnis, dass eine Handlung unter Umständen sanktioniert werden kann, genügt nicht.

§ 828 Abs. 2 BGB regelt die Haftung Minderjähriger (vgl. arg. ex § 2 BGB) im Straßenverkehr und wird im Wege einer teleologischen Reduktion auf nicht motorisierte Fortbewegungsmittel (Fahrrad, Skateboard etc.) angewendet.

Ist die Verschuldensfähigkeit wegen eines Grundes der §§ 827, 828 BGB abzulehnen, kommt eine Billigkeitshaftung nach § 829 BGB in Betracht. Hat eine der Beaufsichtigung bedürfende Person (zumeist Minderjährige) den Schaden verursacht, ist zugleich an § 832 Abs. 1 BGB zu denken. Dieser schließt eine Billigkeitshaftung nach § 829 BGB aus.

bb. Vorsatz und Fahrlässigkeit

Ist von Verschulden die Rede, wird i.d.R. die vorsätzliche oder fahrlässige Herbeiführung der Rechtsgutsverletzung gemeint.

Die Vorsatzdefinition des § 823 Abs. 1 BGB kann dem Strafrecht entnommen werden.

Fahrlässigkeit ist in § 276 Abs. 2 BGB legal definiert und meint das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Was die im Verkehr erforderliche Sorgfalt ist, ist anhand des jeweiligen Verkehrskreises zu bestimmen. Fahrlässigkeit liegt auch dann vor, wenn die Sorgfalt außer Acht gelassen wird, die der Handelnde in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (eigenübliche Sorgfalt, z. B. in §§ 708, 1359 BGB). Sie befreit aber nicht von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit, vgl. § 227 BGB.

Beispiel:
A gibt seiner Freundin F während seines Mallorca-Urlaubs seinen Wohnungsschlüssel zur Verwahrung. Er weiß, dass F sehr unordentlich ist und regelmäßig auch in ihrem Eigentum befindliche Gegenstände beschädigt oder verliert. A kann nun also nicht mehr von F erwarten als die Sorgfalt, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Verliert F nun den Schlüssel ihres Freundes A, ist eine Haftung nach § 690 BGB ausgeschlossen.

Beachte: Muss der Schädiger nur in den Fällen haften, in denen er die Sorgfalt verletzt hat, die er in eigenen Angelegenheiten anwenden würde und handelt er sorgfältiger als der Maßstab des § 276 Abs. 2 BGB dies vorsieht, so führt dies nicht zu einer Haftungsverschärfung. Der anzuwendende Maßstab bleibt der des § 276 Abs. 2 BGB.

Teilweise verlangt das Gesetz das Vorliegen grober Fahrlässigkeit bei Tatbegehung (i.S.d § 227 BGB).

Definition:
Sie liegt vor, wenn die im Verkehr übliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird. Dies ist dann der Fall, wenn schon ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden und das nicht beachtet wurde, was jedem bei gegebenem Fall hätte einleuchten müssen (vgl. Palandt/Heinrichs, § 277 Rn. 2).
cc. Zufall und höhere Gewalt

Bisweilen können im Rahmen des Verschuldens nicht nur Vorsatz und Fahrlässigkeit eine Rolle spielen. Exemplarisch zu nennen sind:

Definition:
Zufall ist ein eintretendes Ereignis, das ohne das Verschulden des Schädigers eintritt. Der Schaden fällt meist dem Rechtsgutsträger zur Last.

Definition:
Höhere Gewalt ist ein von außen her kommendes Ereignis, dem auch durch ein hohes Maß an Vorsicht nicht zu begegnen war. Besonders relevant wird die höhere Gewalt im Rahmen der Gefährdungshaftung und ist dort aufzugreifen.

f. Schaden

Definition:
Schaden ist jeder Nachteil, der an den Rechtsgütern einer Person entsteht. Er ist daher eine unfreiwillige Einbuße von Rechtsgütern. Achtung: Der Schaden unterscheidet sich von der Aufwendung im Merkmal der Freiwilligkeit.

Der Schaden bestimmt sich mithilfe der Differenzhypothese. Als Schaden gilt der Unterschied zwischen dem tatsächlichen Vermögen und dem Vermögen, das der Geschädigte ohne Eintritt des schädigenden Ereignisses gehabt hätte (Hypothese).

Im Wege des § 823 Abs. 1 BGB ist grundsätzlich der Verlust des Geschädigten dadurch auszugleichen, dass der Schädiger den früheren Zustand wiederherstellt, s. § 249 Abs. 1 BGB (Naturalrestitution). Bei Personenverletzungen oder Sachbeschädigung kann gem. § 249 Abs. 2 BGB aber regelmäßig direkt Geldersatz verlangt werden.

In einigen Fällen, in denen eine Wiederherstellung nicht mehr möglich ist oder zur Entschädigung nicht genügt, ordnet § 251 Abs. 1 BGB den Geldersatz an. Ist die Wiederherstellung für den Schädiger nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich, kann er gem. § 251 Abs. 2 BGB den Geschädigten ebenfalls in Geld entschädigen.

Gemäß der Differenzhypothese wird nur der nachteilige Rechtsgüterstand des Geschädigten ausgeglichen (z. B. der entgangene Gewinn gem. § 252 BGB). Erlangt der Geschädigte neben dem Nachteil auch einen Vorteil, so ist dieser schadensmindernd anzurechnen. Dies folgt aus dem Grundsatz des Bereicherungsverbots. Nicht anzurechnen sind aber Zahlungen einer Versicherung oder die freiwillige Unterstützung Dritter.

Auch der Nutzungsausfall kann ein ersatzfähiger Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB bedeuten, sofern die Verkehrsauffassung bestimmt, dass aus ihm ein wirtschaftlicher Nachteil folgt. Es wird unterschieden, ob es sich bei der Sache um einen alltäglichen Gegenstand (Kfz, Internet) oder um ein Luxusgut handelt. Ersatzfähiger Schaden ist nur der Nachteil, der aus dem Ausfall alltäglicher Gebrauchsgegenstände folgt.

Das Affektionsinteresse ist regelmäßig nicht in Geldwerten auszugleichen. Soweit möglich, kann gem. § 251 Abs. 2 BGB Naturalrestitution gefordert werden.

Der Ersatz von Frustrationsschäden ist umstritten. Der Frustrationsschaden ist ein Schaden, der dadurch entsteht, dass bereits getätigte Aufwendungen nutzlos werden. Die Wertung des § 284 BGB soll für die Ersatzfähigkeit sprechen, solange objektive Wertemomente bestehen, die den Schaden aus der vergeblichen Aufwendung nachvollziehbar machen. Die Tatsache, dass Aufwendungen als nutzlos angesehen werden, reichen als Anspruchsvoraussetzung allein nicht aus (so LG Lüneburg v. 11.08.2000, 8 S 4100).

Vermieter V erteilt Mieter M die Zusage für seine freistehende Wohnung ohne Einbauküche. M, der auf die Zusage vertraut, erwirbt kurz darauf eine Einbauküche. Einige Tage später überlegt es sich V jedoch anders und erteilt einem anderen Anwerber die Zusage. Die Kosten für die Einbauküche sind für M zu einer nutzlosen Aufwendung geworden und daher ein Frustrationsschaden.
Exkurs: Ausgleich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Immaterieller Schadensausgleich kann nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden, vgl. § 253 Abs. 1 BGB. Dies wird relevant bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das auch ideelle Werte schützt, deren Verletzung regelmäßig keinen Vermögensschaden zur Folge hat. Hier soll entgegen des Regelfalls des § 253 Abs. 1 BGB der Geschädigte einen Anspruch auf Geldentschädigung haben, der unmittelbar aus der Verfassung selbst gewonnen wird. Die §§ 249 ff. BGB werden in diesem Fall nicht zugrunde gelegt. Der Anspruch auf Geldentschädigung ist aber subsidiär zu prüfen und ist immer nur dann gegeben, wenn: (1) es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt. Die Schwere bestimmt sich nach der Beabsichtigung und Tragweite des Eingriffs sowie den Grad des Verschuldens des Schädigers2 und (2) es keine andere hinreichende Möglichkeit gibt, die Verletzung auszugleichen (z. B. Widerruf).

Sind materielle Werte verletzt, finden die §§ 249 ff. BGB unproblematisch Anwendung.

Beachte beim Ausgleichsanspruch der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts, dass höchstpersönliche Rechte i.d.R. nicht vererblich sind. Als Ersatzanspruch ist der Geldanspruch zwar grundsätzlich vererblich, da dieser aber aus der Verletzung des APR resultiert, ist dieser Anspruch laut dem BGH nicht vererblich. Er argumentiert damit, dass die Funktion des Geldanspruchs Genugtuung ist, der bei einem Verstorbenen aber nicht mehr möglich ist. Der Erbe hat somit keinen Anspruch auf Geldentschädigung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. § 1922 BGB.

g. Haftungsausfüllende Kausalität

Unter dem Prüfungspunkt haftungsausfüllende Kausalität wird geprüft, ob der Schaden eine adäquat kausale Folge der Rechtsgutsverletzung ist. Hier werden also Schaden und Rechtsgutsverletzung in einen Zusammenhang gesetzt, beim Prüfungspunkt haftungsbegründende Kausalität die Handlung und die Rechtsgutsverletzung.

Der Prüfungsaufbau ist indes identisch (s.o.). Bei der Prüfung des Schutzzwecks der Norm können hier die sogenannten Schockschäden relevant werden.

Als Schockschäden bezeichnet man den psychischen Schmerz, den insbesondere Angehörige von tödlich verunglückten Unfallopfern erleiden. Dieser Schaden ist unter folgenden Voraussetzungen ersatzfähig: (1) die erlittene Gesundheitsschädigung muss nach Art und Schwere das Ausmaß an seelischem Leid übersteigen, das nahe Angehörige nach einem tödlichen Unfall eines Familienmitglieds generell und üblicherweise erfahren. Nicht ausreichend sind die bloße Trauer und/oder Niedergeschlagenheit. Erforderlich ist eine medizinisch konstatierbare Folgewirkung, die realen Krankheitswert aufweisen. (2) Der Anlass muss im Hinblick auf den ausgelösten Schock ausreichend sein, was bei Todesfällen unproblematisch ist. Bei Verletzungen ist zu differenzieren. (3) Nur nahe Angehörige können einen Anspruch geltend machen.

h. Rechtsfolge

Der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB ist auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gem. §§ 249 ff. BGB gerichtet.

Bei der Bestimmung der Rechtsfolge ist auf Einwendungen des Schädigers zu achten, insbesondere die der Verjährung und die des Mitverschuldens des Geschädigten. Als deliktischer Anspruch unterliegt § 823 Abs. 1 BGB der Verjährung. Diese bemisst sich nach §§ 195, 199 BGB und beläuft sich auf drei Jahre. Ein etwaiges Mitverschulden ist nach § 254 BGB zu prüfen. Auch fremdes Mitverschulden kann gem. § 254 Abs. 2 S. 2 BGB i.V.m. § 278 BGB zugerechnet werden.

Achtung: Nach h.M. ist § 254 Abs. 2 S. 2 BGB als 3. Absatz zu lesen, sodass er sich auch auf § 254 Abs. 1 BGB bezieht. Dabei handelt es sich um einen Rechtsgrundverweis (h.M.), d.h. für die Zurechnung ist eine Sonderverbindung erforderlich.

  • 1. Definition: Das Interesse des Vertragspartners am Erhalt der vertraglich vereinbarten Primärleistung in der im Vertrag vereinbarten Form (begründet im Deliktsrecht keinen Schadensersatz). Dagegen schützt das Integritätsinteresse die außerhalb der vertraglichen Beziehung liegenden Rechtsgüter.
  • 2. s. hierzu BGHZ 128, 1 (Caroline von Monaco-I).