Hallo zusammen,
ich habe folgendes Problem: V schließt mit K einen Kaufvertrag über 20kg Äpfel. K soll die Äpfel abholen, bezahlt schonmal. Als K die Äpfel abholen will, teilt V mit, dass er nur noch 17 kg Äpfel hat. V meint, K könne sich ja problemlos die restlichen 3 kg woanders besorgen. Er (also V) selbst weigert sich, weitere zu besorgen (obwohl es ihm möglich wäre).
Nun zu meiner Frage: Hier liegt ja eine Mengenabweichung vor, die nach §434 III wie ein Sachmangel behandelt wird. Jedoch lese ich an vielen Stellen, das würde nur gelten, wenn der Verkäufer "versteckt" zu wenig liefert, in meinem Fall legt er es ja offen, somit würde es sich nur um eine Teillleistung handeln und 434 III wäre nicht einschlägig. Jedoch lese ich andererorts (u.a. auch in der Regierungsbegründung zum Gesetztesentwurf), dass es nicht um offen/versteckt geht, sondern darum, ob er Verkäufer seine gesamte Schuld tilgen will oder nicht. In meinem Fall möchte er das ja - Er berachtet die 17 kg ja nicht als Teilleistung, sondern möchte überhaupt nicht mehr leisten. Somit sieht er ja seine ganze Schuld als erfüllt...
Handelt es sich nun um eine Zuweniglieferung nach 434 III oder um eine Teilleistung? Nach was kann ich mich richten und woher weiß ich, ob §434 III einschlägig ist?
Vielen Dank schonmal!
Hier meine Gedanken:(Aufgedröselt, vielleicht hilft dir was davon)
- Der Verkäufer schuldet nach § 433 I 1 BGB Übergabe und Eigentumsverschaffung der Kaufsache.
- Außerdem schuldet der Verkäufer nach § 433 I 2 BGB die Mangelfreiheit der "Verschaffung".
- Was ein Mangel ist, sagen die §§ 434, 435 BGB
- Wie du richtig festgestellt hast, liegt ein Mangel i.S.d. § 434 III BGB auch in der Lieferung einer Mindermenge.
Jetzt wird es interessant. Die 17 Äpfel können - je nachdem was der Käufer nun macht und wie der Verkäufer diese Leistung nach §§ 133, 157 zu erbringen versucht- unterschiedliche Auswirkungen haben.
(Hier lege ich teilweise Abweichungen deines Sachverhalts zugrunde)
I. Möglichkeit 1
1. Sachverhalt
- V liefert nur 17 Äpfel
- Das ist dem V nicht bewusst
- K nimmt die Äpfel an ohne vorher zu wissen, dass es zu wenige sind
2. Rechtsfolge:
- Teilleistung (-)
- Mangel, § 434 III BGB (+)
Sachmangel i.S.d. § 434 III BGB; Auslösen der Gewährleistungsrechte, §§ 437 ff. BGB; insbesondere Nacherfüllung, §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB als Ausprägung der Primärpflicht i.S.d. § 433 I BGB
II. Möglichkeit 2
1. Sachverhalt:
- V liefert nur 17 Äpfel
- Das ist dem V bewusst und er bringt zum Ausdruck, dass er nur teilweise (und den Rest später) liefert
- K nimmt die Äpfel an
2. Rechtsfolge:
- Teilleistung (+)
- Mangel, § 434 III BGB (-)
Angenommene Teilleistung, § 266 BGB (Konkludent vereinbarte Ausnahme vom Verbot der Teilleistung), nur teilweise Erfüllungswirkung i.S.d. § 362 BGB, Primärer Erfüllungsanspruch bleibt (teilweise) bestehen; Schadensersatz statt der (nicht ganzen, also nur restlichen) Leistung unter den Voraussetzungen der §§ 280 I, III, 281 BGB (Statt der ganzen Leistung: Kein Interesse an der Teilleistung, § 281 I 2 BGB); Rücktritt vom (nicht ganzen) Vertrag, §§ 346, 323 I BGB (Vom ganzen Vertrag: kein Interesse an der Teilleistung, § 323 V 1 BGB)
III. Möglichkeit 3
1. Sachverhalt
- V liefert nur 17 Äpfel
- Das ist dem V bewusst und er bringt zum Ausdruck, dass er nur teilweise (und den Rest später ) liefert
- K nimmt die Äpfel nicht an
2. Rechtsfolge:
- Teilleistung (-)
- Mangel, § 434 III BGB (-)
Keine Teilleistung, § 266 BGB (Keine Ausnahme vom Verbot der Teilleistung, also gar keine Leistung); Kein Mangel (da kein Gefahrübergang) Keine Erfüllungswirkung i.S.d. § 362 BGB, Primärer Erfüllungsanspruch bleibt vollständig bestehen; Rücktritt, §§ 323 I, 346 ff. BGB unter der Voraussetzung der Leistungsaufforderung (in deinem Fall entbehrlich, § 323 II Nr. 1 BGB), Schadensersatz statt der ganzen Leistung, §§ 280 I, III, 281 BGB unter der Voraussetzung der Leistungsaufforderung (in deinem Fall entbehrlich, § 281 II 1. Fall BGB)
IV. Möglichkeit 4
1. Sachverhalt
- V liefert nur 17 Äpfel
- Das ist dem V bewusst und er bringt zum Ausdruck, dass er nur damit ganz liefert
- K nimmt die Äpfel widerspruchslos an
2. Rechtsfolge:
- Teilleistung (+)
- Mangel, § 434 III BGB (-)
Angenommene Teilleistung, (teilweise) Erfüllungswirkung, §§ 362, 363 BGB; K muss aber jetzt beweisen, dass nur teilweise erfüllt wurde; Primäranspruch bleibt (teilweise) bestehen; Rest wie Möglichkeit 2
§ 363 BGB
Hat der Gläubiger eine ihm als Erfüllung angebotene Leistung als Erfüllung angenommen, so trifft ihn die Beweislast, wenn er die Leistung deshalb nicht als Erfüllung gelten lassen will, weil sie eine andere als die geschuldete Leistung oder weil sie unvollständig gewesen sei.
Fazit:
- Voraussetzung der Gleichstellung der Zuweniglieferung i.S.d. § 434 III BGB mit dem Mangelbegriff des § 434 I BGB ist es also, dass der Verkäufer (für den Käufer erkennbar) die Hauptleistungspflicht bewirken will und dieser Pflicht nur mangelhaft nachkommt.
- Es kommt also darauf an, ob V offen oder verdeckt zuwenig liefert
- § 434 III BGB erfasst also nur den Fall der verdeckten oder unbewussten Zuweniglieferung und nicht auch den Fall der offenen oder bewussten Zuweniglieferung, gilt nur im Falle der Auslösung der Gewährleistungsrechte, sodass der Schadensersatz und Rücktritt des allgemeinen Schuldrechts mit der jeweiligen Maßgabe des Interessensfortfalls anwendbar ist (Eine Teilleistung ist demnach keine Schlechtleistung)
- Dadurch wird erreicht, dass der Käufer bei der offenen Zuweniglieferung die längere (regelmäßige) Verjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB behält und nicht in die kürzere Mängelverjährung des § 438 BGB gerät! (Wäre zumindest ein Argument in der Klausur)
Antwort deiner Frage:
Es kommt also darauf an, was K nun macht. Da V hier die Mindermenge offengelegt hat, liegen die Voraussetzung des § 434 III BGB vor. (Dazu Palandt: "[...] Die Lieferung muss ausgeführt sein und sich auf die vollständige Erfüllung des Kaufvertrages beziehen. Sie darf vom Verkäufer nicht als Teilleistung (§ 266) bezeichnet sein [...])"
K hat also zwei Möglichkeiten:
1. K kann die 17 Äpfel annehmen und damit die Gewährleistungsrechte auslösen
2. K kann die Annahme unter Verweis auf § 266 BGB verweigern und nach wie vor primäre Erfüllung fordern, zurücktreten oder Schadensersatz fordern (ohne Gewährleistung, also mit besserer Verjährung)
Wow super, ich danke dir für die schnelle und ausfürliche Anwort! Hilft mir sehr weiter!