Schutzgesetze i.S.d. § 823 II BGB

Hallo, innerhalb der Prüfung des § 823 II BGB muss ja zunächst ermittelt werden, welches "Schutzgesetz" denn in Betracht kommt, gegen das jemand verstoßen haben könnte.

"Gesetz im Sinne eines Schutzgesetzes in § 823 II ist jede Rechtsnorm unabhängig von dem Rechtsgebiet, die den Charakter einer Ge- oder Verbotsnorm hat und dem Individualschutz dient."

Klar ist, dass sich viele solcher Schutzgesetze im StGB finden, z.B §§ 229; 242 StGB. Aber: WO finden sich im BGB selbst solche Schutzgesetze?

Beispiel: Ist die verbotene Eigenmacht (§ 858 I BGB), die einem bestimmten Verhalten eine Widerrechtlichkeit unterstellt ein solches? Welche weiteren kennt ihr?

Viele Grüße
Jenny



Ich denke, die verbotene Eigenmacht gem. § 858 BGB ist kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB, da der Besitzer bereits ausreichend u. a. durch die §§ 861, 862 BGB geschützt ist. Ein weiterer Schadensersatzanspruch würde voraussetzen, dass der Besitzer dadurch einen weiteren Schaden als den Wert des entzogenen Besitzes erlangt, dass ihm der Besitz entzogen oder gestört wurde. Das ist mir aber so unbekannt. Ist die Argumentation nachvollziehbar?

Im Übrigen fallen mir im BGB-intern keine Schutzgesetze ein (mir sind höchstens strafrechtliche oder baurechtliche Normen bekannt).

Danke für die Antwort!

Dem BGH zufolge ist § 858 ein Schutzgesetz, dessen Zweck es sei, den unmittelbaren Besitzer zu schützen.

"(...) da § 858 BGB auch ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist (BGHZ 73, 355, 362;  79, 232, 237 [BGH 21.01.1981 - VIII ZR 41/80];(...)"

Allerdings werden hieran weitere Voraussetzungen geknüpft:

"Nach der Rspr. des BGH kann nur für solche Schadensfolgen Ersatz verlangt werden, die innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm liegen; es muss sich um Folgen handeln, die in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen wurde, und es muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Pflicht- oder Normverletzung und dem Schaden, nicht nur eine mehr oder weniger zufällige äußere Verbindung bestehen (BGHZ 164, 50, 60 m .w. N.). (...)"

Und Hier kommt's:

"Indem das Gesetz dem unmittelbaren Besitzer als spontane Reaktion auf eine verbotene Eigenmacht (Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl., § 9 Rdn. 10) das Selbsthilferecht (§ 859 BGB) zubilligt, dessen Ausübung mit Kosten verbunden sein kann, stellt es selbst den notwendigen Zusammenhang zwischen der Verletzung des Schutzgesetzes (§ 858 Abs. 1 BGB) und der Schadensfolge her."  http://www.juratelegramm.de/faelle/privatrecht/BGH_NJW_2009_2530.htm

Demzufolge könnten hier noch so manch andere Schutzgesetze im BGB versteckt sein.

Dann habe ich wohl den Sinn hinter § 858 BGB nicht ganz verstanden bzw. keinen Fall erdenken können, der Schadensersatzansprüche auslösen könnte. Wie ärgerlich. Danke für die tollen Ausführungen. Im Nachhinein ist die Argumentation des BGH sehr verständlich und einleuchtend. Trotzdem fallen mir auf Anhieb keine weiteren Schutzgesetze im BGB ein. Wenn man aber alle Paragraphen des BGH durchschaut, fallen einem bestimmt einige Normen auf (ich kann mir in dem Sinne die familienrechtlichen Normen zum Schutze des Kindes u. ä. vorstellen).

In welchem Rahmen beschäftigst du dich mit dem Thema? Kann man hier noch eine Auflistung etwaiger weiterer Schutzgesetze im BGB erwarten? Smile

Ich beschäftige mich einfach so mit dwm Thema, weil ich es ganz interessant finde.

Nunja, einen Fall aus z.B §§ 823 II, 858 BGB z stricken ist in der Tat schwierig. In einigen Urteilen des BGH wird etwas erklärt, dass die Schadensfolge vom Schutzbereich des § 858 BGB erfasst sein muss. So weit so gut.

Was schützt § 858 BGB? Also WEN § 858 BGB schützt, ist schon mal klar: Den (nicht-fehlerhaften) Besitzer.

WAS geschützt wird, ergibt so aus meiner Sicht aus den §§ 859-864 BGB. Dort sind ja die Ansprüche gegen den fehlerhaften Besitzer geregelt und deren Umfang, also Selbsthilfe, Wiedereinräumung usw.

Also Fälle, in denen § 823 II BGB dann auf 858 BGB zusteuert und nicht etwa auf § 242 StGB zusteuert, sind schwierig zu konstruieren.