Hallo
Ich sitze jetzt schon seit 2 Wochen an meiner Abschlusshausarbeit im BGB AT und komme einfach nicht weiter. Irgendwie habe ich einfach eine komplette Denkblockade. Vielleicht kann mir hier ja jemand weiter helfen.
Der Sachverhalt lautet:
Volker Vröbel (V) bittet seine fünfzehnjährige
Tochter Theresa (T), ihm bei ihrer nächsten
Shoppingtour durch die Bonner Inne
nstadt eine neue Krawatte
aus der Herrenboutique des Erwin
Lindemann (L) mitzubringen, mit dem er infolge
gemeinsamer Mitgliedschaft im TC Endenich,
einem Tennisverein, befreundet ist.
Sie solle ihm eine
schöne aussuchen; er vertraue ihrem guten
Modegeschmack. Auf keinen Fall solle
sie aber mehr als 40 € ausgeben.
T begibt sich in das Modegeschäft, sucht aus
dem dort im Laden ausgestellten Sortiment eine
grün-gelb gestreifte Krawatte fü
r 45 € aus und begibt sich mit di
eser zur Kasse. T wird von L als
Tochter seines Freundes V erkannt und persönlich
bedient. L weiß auch, dass T erst fünfzehn
Jahre alt ist. T legt also die Krawatte au
f das Kassenband, L zieht das mit einem Barcode
versehene Preisschild über den Scanner und nennt
T den Preis. Bis zu diesem Zeitpunkt war T
angesichts der modischen Extravaganz der Kraw
atte noch unschlüssig,
ob sie diese wirklich
kaufen soll. Nun zückt sie aber entschlossen ihre
Geldbörse, um zu bezahlen. Mit Schrecken stellt
sie jedoch fest, dass sie ihr Taschengeld bereits
für andere Dinge ausgegeben und nicht mehr
genügend Geld dabei hat, um die Krawatte sofo
rt zu bezahlen. Dies erläutert sie dem L;
außerdem weist sie auf ihre Zweifel hinsichtlich
der Optik der Krawatte hin. L erklärt, das sei
alles kein Problem. Er werde einfach notiere
n, dass sie ihm noch 45 € schulde. Dann könne sie
bezahlen, wenn sie das nächste Mal vorbeikomme. Er
packt die Krawatte in eine Tüte und reicht
sie ihr.
Auf dem Weg nach Hause lässt T versehentlich di
e Tüte mit der Krawatte in der U-Bahn liegen.
Sie ist untröstlich und berichtet V detailliert vo
n dem gesamten Vorgang. Um seine Tochter zu
beruhigen, erklärt V daraufhin spontan, es sei
alles in Ordnung, er werde die Sache mit L schon
klären und die 45 € zahlen.
Als L mit V einige Tage später im Online-Chat
forum des TC Endenich
über die Niederlage der
berühmten Tennisspielerin Angelique K. in
Wimbledon „chattet“, spricht er bei dieser
Gelegenheit auch die noch offene Rechnung der T
in Höhe von 45 € für eine Krawatte an und
bittet um Vertragserfüllung. V, der noch einm
al gründlich über die Sache nachgedacht hat,
reagiert ungehalten und „chattet“ zurück: Er habe
die angeblich gekaufte Krawatte niemals zu
Gesicht bekommen. Außerdem se
i er mit dem Kauf einer Krawatte für 45 € nie einverstanden
gewesen. Grün-gelb gestreifte Krawatten seien
ferner eine ästhetische Zumutung. Er könne gar
nicht verstehen, wie L so etwas se
iner Tochter habe aufschwatzen
können. Insgesamt sehe er also
keinen Grund, weshalb er oder se
ine Tochter nun 45 € bezahlen so
llten. L ist verärgert, misst
dieser Erklärung aber schon desh
alb keine Bedeutung zu, weil er
sich dunkel an Kenntnisse aus
dem ersten Semester seines früheren Jurastudium
s erinnert und meint, eine Erklärung in einem
Onlinechat (bei dem die eingegebenen Texte – wie
vorliegend – nicht dauerhaft speicherbar sind,
sondern mit Verlassen des Chatforums endgültig gelöscht werden) gehe dem
Erklärungsadressaten gar nich
t zu und könne somit auch nicht wirksam werden.
Hat L gegen V oder T Anspruch auf Zahlung von 45 €?
Also ich weiß schon worum es geht, aber ich weiß einfach nicht wie ich anfangen soll und in welcher Reihenfolge ich alles prüfen muss..
Vielen Dank schon mal!
Die Fallfrage der HA zeigt doch schön auf, welche Ansprüche zu prüfen sind (L->V und L->T).
I. Für L->V sehe ich einzig § 433 II iVm KV als Anspruchsgrundlage.
Danach sich einfach am Sachverhalt entlanghangeln: Es werden AT-Fragen zum Vertragsschluss aufgeworfen, die ich alle unter "Anspruch entstanden" prüfen würde.
(1) Wer gibt das Angebot ab/ wer nimmt an?
Hier kurz die invitatio ad offerendum mit dem ausgestellten Sortiment ansprechen und dann auf die Kassen-Problematik übergehen (Ablage auf dem Kassenband ist nach h.M. das Angebot, § 145.)
(2) Vertritt T ihren Vater wirksam?
a) Eigene WE: unproblematischer Spielraum ("Modegeschmack") für T von V eingeräumt-> beachte § 165
b) Offenkundigkeit: erörtern, ob das "Geschäft für den, den es angeht" als Durchbrechung in Betracht kommt; hier die Kenntnis des L von der Identität seines Gegenübers einfließen lassen und zum Schluss des § 164 I 2 (nach den Umständen offenbar) kommen
c) Vertretungsmacht: Vollmacht zwar erteilt (§ 167 I Var. 1), aber überschritten (EUR 45 statt 40 als Limit)
-> also schwebend unwirksame WE (§ 177 I)
SCHWERPUNKT "Chatroom"
d) [Verweigerte] Genehmigung durch V?
Zuerst hat V das Geschäft gegenüber T gebilligt, was eine Genehmigung nach § 177 I begründet.
Sodann zum Chatroom: Zunächst auslegen, ob die Bitte des L um Vertragserfüllung eine Aufforderung iSd § 177 II 1 darstellt (wohl + als laienhafte Parallelwertung). Sodann deren Zugang als geschäftsähnliche Handlung am Maßstab des § 130 I 1 (analog) überprüfen.
Dabei sollte bereits auf den zentralen Streitpunkt eingegangen werden, welches Zugangskriterium vorzugswürdig ist (vgl. BeckOK § 130 Rn. 2). Ich würde hier angesichts der Wahrnehmbarkeit der Nachricht im Echtzeit-Chat für Zugang im Machtbereich mit Kenntnisnahme plädieren. Danach ist folgerichtig nach meiner Lösung auch die Verweigerung der Genehmigung von V dem L zugegangen - k.A., ob das die h.M. anders sieht. Jedenfalls ist dann die erste Genehmigung (gegenüber T) unwirksam geworden, § 177 II 1 Hs. 2.
Hierzu auf jeden Fall Literatur konsultieren (Aufsätze, Handbücher des Multimediarechts...), da zentrale Weiche der HA.
II. Zu L->T fahre ich dann logischerweise mit § 433 II (Eigengeschäft durch KV) fort.
(1) Hier ggf. das Zögern der T bei ihrem Angebot (nochmals, vgl. oben zur Kassen-Problematik) ansprechen, wobei ihr der Geschäftswille gefehlt hat (?). Das hat aber letztlich keine Auswirkungen auf ihre Erklärung (Motivirrtum etc., daher nicht anfechtbar).
2)) Im Weiteren ist der Ausflug ins Minderjährigenrecht gefragt. Natürlich zustimmungspflichtiges Rechtsgeschäft etc., Genehmigung nicht erfolgt und wohl auch von V (nach dem Chat) nicht (mehr) zu erwarten. Entscheidend ist § 110 mit all seinen teleologischen Auswüchsen - Minderjähriger soll sich nicht verschulden...Greift hier somit nicht durch, insb. weil V ja nicht von einem Eigengwschäft der T in Sachen Krawatte ausging.
-> § 433 II scheitert somit an § 108 I (final unwirksam).
3) Zuletzt ist als Anspruchsgrundlage § 179 I zu prüfen, der ja zwei Alternativen enthält (Vertragserfüllung und SE - hier identisch mit 45€, trotzdem Wahlrecht des L). T kannte positiv das Limit als Mangel der Vertretungsmacht. Allerdings kommt § 179 III 2 ins Spiel, der ihre Haftung ausschließt mangels Zustimmung des V.
Ich hoffe, mit diesem Wirrwarr an Ausführungen weitergeholfen und die Denkblockade wenigstens gelockert zu haben.
Vielen vielen Dank! Das Hilft mir weiter!