Warum werden bei der normativen Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont bei Willenserklärungen und Rechtsgeschäften §§ 133, 157 BGB direkt und nicht analog zitiert?
Dem Wortlaut nach findet § 133 BGB doch nur Anwendung bei der Auslegung einer Willenserklärung und § 157 BGB nur bei der Auslegung von Verträgen. D.h., dass je nach dem ob ich jetzt eine Willenserklärung oder einen Vertrag auslege, zumindest eine der Normen nicht zu 100 % passt und analog angewendet werden müsste.
Grundsätzlich hast du durchaus Recht. Dahinter steckt aber viel mehr, dass sich aus dem Zusammenspiel der beiden Normen die jeweilige maßgebliche Auslegungsmethode einer Erklärung ergibt. Empfangsbedürftige Willenserklärungen (insbesondere Gestaltungserklärungen, Angebot und Annahme) sind eher nach § 133, § 157 BGB zum Schutze des Rechtsverkehrs normativ auszulegen, wogegen bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen (z.B. Testament) eher die natürliche Auslegung angebracht ist.
Hi Dominik danke für deine Hilfe! Trotzdem blieb für mich ja die Frage bestehen, warum die §§ 133, 157 BGB als Bezeichnung für die dahinterstehende Auslegungsmethode nicht einfach analog zitiert werden (bei der natürlichen Auslegung passt es ja widerum mit der direkten Anwendung von § 133 BGB, da z.B. das Testament eine WE ist). Habe mit meinem Dozenten darüber gesprochen und er konnte meine Frage klären:
- Bei Angebot und Annahme wird §§ 133, 157 BGB direkt zitiert, weil sie Bestandteile eines Vertrages sind, d.h. insofern passt hier (neben § 133 BGB) auch § 157 BGB direkt, genauso verhäkt es sich bei der Auslegung von Verträgen, die ja aus WEs bestehen (das hatte ich irgendwie nicht bedacht)
- Bei einseitigen empfangsbedürftigen WEs wie Gestaltungserklärungen z.B. bei der Aufrechnung hingegen, stimmt er mir vollumfänglich zu. Die h.M. zitiert hier wie du richtig geschrieben hast §§ 133, 157 BGB direkt und legt § 157 BGB einfach so aus. § 157 BGB passt in diesen Fällen eigentlich aber nicht direkt, weil kein Vertrag vorliegt, deswegen wäre es hier dogmatisch sauberer § 157 BGB analog anzuwenden. Eine entsprechende Meinung wird dazu in der Literatur anscheinend auch vertreten. Er empfahl mir aber natürlich trotzdem in den Klausuren §§ 133, 157 BGB direkt anzuwenden, um den Korrektor nicht zu verwirren.
Vielen Dank für deine Erläuterung - das hilft ja nicht nur Dominik, sondern uns allen!