Einmal öfter aufstehen als umfallen – Motivationstipps fürs Jurastudium
von Jörn · am Mi, 19/06/2013 - 15:20 · Lernbeiträge
I. Was das Jurastudium schwierig macht…
Jura gilt als hartes Studium. Diese Weisheit, die uns Jurastudenten von jeder Seite an den Kopf geworfen wird, würde man gern mit einem lockeren „Das stimmt nicht“ abtun. Aber ganz so falsch ist diese Einschätzung nicht.
Denn es gibt einige Faktoren, die zu hoher körperlicher und seelischer Belastung führen, also kurz: die stressen. Damit man weiß, wie man diesen Schwierigkeiten begegnet, müssen wir erst einmal klären, was sie überhaupt sind, die Kernstressoren im Jurastudium.
1. Das Notensystem oder: das juristische „Peter-Pan-Syndrom“
Auch wenn man das des Jurastudiums gerecht (weil vergleichbar) findet, ist es wohl eines nicht: ausgewogen. Die oberen drei Notenstufen werden so gut wie gar nicht vergeben. Wenn man sie doch einmal erreicht, hat man entweder einen wahren Glücksgriff gelandet oder ist doch zumindest ein ziemlicher Crack.
In juristischen Prüfungen kann man bis zu 18 Punkte erreichen, wobei die Prüfung schon ab 4 Punkten als bestanden gilt, wobei dann allerdings schon 50 % des Erwartungshorizonts erfüllt sind! Danach staffelt es sich hoch: bis 6 Punkte bekommt man ein „ausreichend“, ab 7 bis 9 Punkten ein „befriedigend“ und von 10 bis 12 Punkten ein sog. „vollbefriedigend“. Diese Notenstufe streben die meisten Studis an: Denn sie gilt als Topnote und dennoch nicht als unerreichbar. Trotzdem bekommen nur etwa 10-15 % aller Studenten diese Endnote im Examen (dort übrigens gibt es das „VB“ von 9,00-11,50 Punkten). Darüber wird es extrem dünn: von 13 bis 15 Punkten gibt es ein „gut“, obwohl die Note schon lang nicht mehr bloß gut, sondern hervorragend ist. Nur etwa 2 % eines Jahrgangs erreichen im Examen diese Notenstufe (11,51-14,00 Punkte). Die besagten 16 bis 18 Punkte bleiben dann den „juristischen Genies“ vorbehalten. Ein beliebter Witz besagt, dass man zusehen sollte, am Ende nicht in diesem Bereich zu landen, damit man nicht als verhaltensauffällig gilt. Die differenzierte und harte juristische Benotung ist aussagekräftiger als die inflationäre Vergabe von Spitzennoten, wie man sie aus anderen Studiengängen kennt.
Aber die Notenvergabe hat drei entscheidende Nachteile:
Nachteil 1: Sie ist schlecht fürs Ego. Zu akzeptieren, dass man in den Klausuren und Hausarbeiten und auch später im Examen voraussichtlich nicht „sehr gut“, wahrscheinlich noch nicht einmal „gut“ abschneiden wird, fällt vielen Studenten schwer und bedarf häufig eines langen Denkprozesses. Ziemlich sicher werdet ihr am Ende nicht die Bestnote erzielen. Insofern bleibt ihr in eurem Studium sozusagen immer „U 18“. Man könnte es das „juristische Peter-Pan-Syndrom“ nennen. Aussagen einiger Professoren, dass ordentliche Noten erst ab dem zweistelligen Bereich beginnen würden und ein unbewusster Quervergleich mit der eigenen Leistung in der Schule tragen ihr Übriges zur allgemeinen Verunsicherung bei.
Nachteil 2: Die juristischen Noten stacheln zu einem ungesunden Konkurrenzdenken an und verursachen Leistungsdruck. Dem Problem des Vergleichs haben wie unter 3. einen eigenen Abschnitt gewidmet.
Nachteil 3: Juranoten sind „schwer vermittelbar“. Fragen einen Verwandte, Freunde oder Bekannte, was man denn so für Noten hätte und man muss sagen: „Im Durchschnitt habe ich 8 Punkte“, worauf die Nachfrage kommt: „Wie weit geht das hoch?“ und man antwortet „Bis 18“ kommen ungläubige Blicke. Aber er war doch immer so ein guter Schüler? Einem der Autoren ist folgendes passiert: In einer lustigen Runde kam das Thema auf die Studiengänge, die alle nach dem Abi eingeschlagen haben. Eine Dame hatte einen Schnitt von 1,8 (Innenarchitektur). Ich für meinen Teil hatte in allen wichtigen Klausuren 10 Punkte, worauf man bei Jura zu Recht stolz sein kann. Sie fragte mich neugierig, was ich denn so in meinen Klausuren hätte. Als ich ihr sagte 10 Punkte in einem 18-Punktesystem, meinte sie abfällig: Also so ne 3,0, oder was? Was folgte, war ein „Vortrag“ von mir. Also: Juranoten sprechen für sich, aber nur unter der Bedingung, dass man deren Vergabepraxis kennt.
2. Die Stofffülle oder: Warum man den Wald mitunter vor lauter Bäumen nicht sieht
Im Jurastudium gibt es unheimlich viel zu lernen, so viel, dass man irgendwann zu der Erkenntnis gelangen muss: „Ich werde niemals alles wissen können!“ Dennoch kann im Rahmen der (immer noch umfangreichen) Prüfungsordnung ALLES abgefragt werden. Zudem kann man den Stoff nicht „abarbeiten“, sondern muss ihn am Ende, also im Examen, gebündelt drauf haben. Auch in den kleinen und großen Übungen kann man sich nie so recht sicher sein, was genau geprüft wird und was man konkret wissen muss. Damit einher geht eine Ungewissheit. Damit muss man klar kommen! Aus der Ungewissheit kann aber auch Unsicherheit entstehen. Die muss man bekämpfen! Wie das geht, werdet ihr im Abschnitt II dieses Artikels erfahren.
Aber auch die beste Motivation kann ein Problem nicht lösen: die schier unendliche Stofffülle. Die einzigen Dinge, die helfen können, sind Lernstrategien und Rechtsmethodik. Ihr werdet von uns in den nächsten beiden Artikeln einige sog. „Lerngrundsätze“ vorgestellt bekommen, die euch zum einen dabei helfen, Wissen in den Kopf zu bekommen und zum anderen das Wissen aus dem Kopf in die Klausur, Hausarbeit oder mündliche Prüfung zu bringen.
3. Der Vergleich oder: Warum das Gras beim Nachbarn immer grüner ist
Sozialer Vergleich tut selten gut, sondern macht ziemlich zuverlässig unglücklich. Dies gilt für das gesamte Leben, aber speziell für das Jurastudium. Torben lernt 10 Stunden am Tag, ich nur 2. Wie soll ich bloß klar kommen? Sven hat schon alle Scheine und mir fehlen noch vier. Bekomme ich mein Studium jemals zu Ende? Jule hat bereits ein Praktikum bei einer Großkanzlei, ich nur bei unserem Dorf-und-Wiesenanwalt. Michelle war sogar im Ausland. Max hat immer 12 oder mehr Punkte und ich muss mich freuen, wenn ich überhaupt bestehe.
Diese oder ähnliche Sorgen kennt wohl fast jeder Jurastudent. Man wird leider so gut wie immer jemanden finden, der bessere Noten hat, der mehr Zusatzqualifikationen oder „soft skills“ mitbringt oder der im Studium weiter ist. Die große Gefahr lauert darin zu vergessen, wo man selbst steht. So kann der Gedanke an den fehlenden Auslandsaufenthalt die eigenen guten Noten versauern oder – umgekehrt – die Topnoten des Sitznachbarn einen vergessen lassen, dass man – anders als er – mit Menschen umgehen kann. Vergleich tut also nicht gut, weshalb ihr etwas gegen das „Meine Noten, mein Einsatz, meine Stärken“-Gerede tun müsst.
II. …und wie man diesen Schwierigkeiten begegnet
Wenn man aus den Hürden und Stolpersteinen des Jurastudiums zwei Kernprobleme herausfiltert, kommt man zu folgendem Ergebnis: Zum einen gibt es den Stress , der einen – von außen kommend – beschäftigt und Kraft und Motivation verringern oder auslöschen kann. Zum anderen gibt es die Sorgen , innere Blockaden, die dazu führen, dass man sich nicht mehr so recht auf den Lernstoff oder sogar das Studium als solches konzentrieren kann.
1. Dem Stress entkommen…
Wie bereits erwähnt entsteht Stress durch den immensen Arbeits- und Lernaufwand, der nicht immer mit einer glanzvollen Note entschädigt wird. Diese Gefahr lauert wohl in jedem Studium, noch viel mehr jedoch in einem so hart benoteten wie Jura. Ihr habt konkret zwei Möglichkeiten, etwas gegen den Stress zu tun: Ihr könnt entweder versuchen, erst gar keinen Stress aufkommen zu lassen. Dazu bedarf es einer gewissen mentalen Stärke . Er lässt sich dennoch nicht immer ganz vermeiden. Kommt also Stress auf, müsst ihr versuchen, diesen zu lindern. Dies schafft ihr durch den richtigen Lernausgleich .
a) Stress verhindern: Mentale Stärke
Man brauch mentale Stärke für das Jurastudium. Sie sieht nicht so aus, dass man über Scherben gehen kann oder zwei Wochen ohne Nahrung auskommt; sie ist also mehr als bloße Schmerzfreiheit oder Disziplin. Es geht vielmehr darum, möglichst geschickt mit Verunsicherungsfaktoren aus der Außenwelt umzugehen. Dabei müsst ihr zwei „Fallen“ vermeiden, um nicht in lernhemmende und motivationstötende Grübelei zu verfallen:
Die Vergleichsfalle: Irgendjemand ist immer besser als ihr! Selbst eure Professoren kennen andere Professoren oder vielleicht sogar Studenten, die ihnen überlegen sind. Wichtig ist also: 1. Will ich mich überhaupt vergleichen oder zählt in erster Linie meine eigene Leistung und ob ich meine Fähigkeiten ausreichend eingesetzt habe? 2. Wenn ich mich vergleiche: Mit wem? Beispiel: Man betrachte einen Kicker des VFL Osnabrück (derzeit: 3. Liga). Wenn dieser sich mit seinen Freunden vergleicht, die in irgendeinem Kuhdorf in der Kreisliga rumdümpeln, wird er sich für einen mächtig guten Kicker halten. Stellt er sich aber in eine Reihe mit Messi, Ronaldo und co. fällt dieses Urteil womöglich anders aus. Wenn man sich also vergleichen will, dann entweder mit einer anonymen Masse (Stichwort: Durchschnittsnote) oder aber mit Personen, die einem in Puncto Talent und Fähigkeiten in etwa ebenbürtig sind.
Die Allrounderfalle: Ihr könnt nicht alles. Ihr habt Stärken und Schwächen. Das ist eine wichtige Erkenntnis, die ihr gewinnen und verinnerlichen müsst. Letztlich schützt euch die Akzeptanz eurer schwächeren Seiten genauso wie der Ausbau eurer starken Seiten vor der Vergleichsfalle. Ihr müsst eben nicht immer und überall der oder die beste sein. Es ist vollkommen ausreichend, wenn ihr euer Potential abruft und auch das „Leben daneben“ wertschätzt.
b) Stress lindern: Ausgleich
Zu allererst: Eure sozialen Kontakte dürfen nicht unter dem Lernen leiden! Nach dem Motto: Ich verabschiede mich jetzt für ein Jahr von meiner Oma, weil ich schließlich so lange lernen muss. Dem müsst ihr entgegensteuern. Ihr wollt schließlich weder Fachidioten noch Einzelgänger werden, oder? Die sozialen Kontakte sind wichtig und helfen euch dabei, dass ihr nicht komplett im Studium versinkt. Sehr wertvoll sind dabei die Kontakte, die ihr außerhalb eures Fachbereichs habt. Denn sie können euch besonders effektiv ablenken.
Zudem könnt und solltet ihr Sport treiben. Dabei ist Sport vor allem morgens zu empfehlen (z.B. ein paar Bahnen schwimmen, im Park laufen), weil dadurch das Blut vermehrt mit Sauerstoff angereichert und dadurch die Aufnahmefähigkeit des Gehirns verbessert wird. Gleichzeitig erhöht sich die allgemeine körperliche Fitness und ihr bleibt gesund. Besonders wichtig: Ihr bleibt trotz des vielen Lernens gut gelaunt. Viele Universitäten bieten ein umfassendes Sportprogramm an, welches ihr entweder kostenlos oder gegen einen geringen Obolus wahrnehmen können. Welche Sportart ihr wählt, bleibt euch überlassen; es bieten sich aber Sportarten an, bei denen man richtig gefordert wird und die einen abschalten lassen (Laufen, Schwimmen, Squash, Fußball, Volleyball usw.).
Bei allen anderen Aktivitäten, die euch wichtig sind (Musizieren, Handwerken, soziales Engagement wie DRK, Feuerwehr, THW usw.) kommt es darauf an, dass sie euch einen Gewinn verschaffen, der in Erfolgserlebnissen bestehen sollte (neuen Song spielen können, Menschen helfen etc.). Erfolgserlebnisse außerhalb der Uni sind wichtig, um vom Jurastudium „mental unabhängig“ zu bleiben.
2. Den Sorgen entkommen…
Es genügt jedoch nicht, lediglich den Stress von sich fernzuhalten. Wichtig ist auch, dass ihr es schafft, innerliche Drucksituationen und Sorgen, die sich nicht immer ganz vermeiden lassen, zu kontrollieren. Wir wollen euch schon an dieser Stelle vor einem Trugschluss warnen, dem wir selbst schon einmal erlegen sind: sich sicher sein zu wollen, dass man die Prüfung meistert. Denn die Gefahr des Scheiterns lässt sich nicht vollständig bannen; dafür sind Prüfungssituationen und insbesondere das Examen zu unberechenbar. Was allerdings schädlich ist und deshalb von euch bekämpft werden muss, ist die Angst vorm Scheitern dort, wo sie unbegründet ist und an der wirklichen Situation vorbeigeht.
Sorgen werden in der Gegenwart aktuell, sodass es euch hilft, den Blick auf eure Lebens- und Berufsziele, also in die Zukunft zu richten oder in die Vergangenheit, d.h. auf das bereits Erreichte bzw. Gelernte.
a) Blick in die Zukunft: Berufsziele entwickeln
Am besten schon bevor ihr euer (Jura-)Studium aufnehmt, solltet ihr euch darüber klar werden, wo ihr beruflich hinwollt. Jura sollte nicht (nur) deshalb eine Option sein, weil man „damit so viel machen kann“, sondern weil euch das Fach interessiert und für einen späteren Beruf (z.B. Anwalt, Richter, Rechtsexperte in einem Unternehmen) unabdingbar ist. Die Orientierung an den beruflichen Zielen hilft euch zudem, innerhalb des Studiums Stärken zu erkennen und zu entwickeln. Ihr erkennt, ob ihr vielleicht besonders gut auslegen und entscheiden könnt. Dann sollte euer Weg vielleicht zum Richteramt führen. Eventuell argumentiert ihr aber lieber und bezieht Position. Dann wäre wahrscheinlich eher der Anwaltsberuf etwas für euch. Oder ihr findet Spaß daran, Texte zu erstellen und Leuten Wissen zu vermitteln oder Dinge zu erklären. Dann bietet sich der Beruf als Rechtsexperte, Dozent oder Repetitor an. Dabei sollten eure Ziele realistisch sein: Wenn ihr ans Gericht wollt, sollte nicht gleich der BGH oder das BVerfG angepeilt werden, sondern ein Gericht erster Instanz. Natürlich dürft ihr weiterhin davon träumen, irgendwann mal in der roten Robe zu richten.
Ihr solltet also bemüht sein, euch berufliche Ziele zu setzen. Sie sollten euren Stärken entsprechen und realistisch gewählt sein. Achtet jedoch darauf, euch niemals auf einen Bereich festzunageln. Zum einen habt ihr keine Garantie, dass ihr später auch genau in diesem Bereich arbeiten könnte, denn viele Plätze sind rar. Zum anderen droht die Gefahr, dass sich ungenutzte Fähigkeiten gewissermaßen „abschleifen“ und ihr zu einem Fachidioten mutiert, der beispielsweise nur fürs Zivilrecht taugt, aber kein umfassender Jurist mehr ist.
b) Blick in die Vergangenheit: Was habe ich schon gelernt und erreicht?
Neben dem Blick in die Zukunft hilft euch auch der Blick auf das, was ihr schon könnt. Ruft euch immer wieder in Erinnerung, wie weit ihr schon mit eurem Studium seid, welche Scheine ihr geholt habt und mit welchen (mitunter tollen) Noten. Ruht euch aber niemals auf der Vergangenheit aus: Nur weil ihr BGB AT mit 12 Punkten im ersten Semester bestanden habt, zieht es noch lange keine entsprechende Note im Examen nach sich. Umgekehrt: Schlechte Leistungen aus den Anfangssemestern geben nicht vor, wie ihr später im Studium vorankommt oder wie ihr am Ende abschneidet. Auch der Gedanke an bereits „gesammelte“ Zusatzqualifikationen (z.B. Praktika, Auslandsaufenthalte, Fremdsprachenkenntnisse, Gremienarbeit) kann beruhigend sein, sofern sich Sorgen um die berufliche Zukunft auftun.
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