Rechtsfolgen und Wirkungen der Musterfeststellungsklage

von iurastudent · Lernbeiträge

1. Sperrwirkung

Als Rechtsfolge tritt zunächst eine Sperrwirkung nach § 610 Abs. 1 ZPO ein mit der Folge, dass eine weitere Musterfeststellungsklage wegen des selben Sachverhalts nicht erneut erhoben werden kann, solange die Musterfeststellungsklage nicht ohne Entscheidung in der Sache beendet wurde. Des Weiteren kann nach § 610 Abs. 3 ZPO auch ein angemeldeter Verbraucher keine Individualklage wegen des selben Sachverhalts erheben, wenn die Klage ebenfalls dieselben Feststellungsziele betreffen würde. Nach wirksamer Rücknahme der Anmeldung durch den Verbraucher nach § 608 Abs. 3 ZPO entfällt die Sperrwirkung für seine Individualklage.

2. Bindungswirkung

Das Feststellungsurteil bindet gem. § 613 Abs. 1 ZPO das zur Entscheidung eines Rechtsstreits zwischen einem angemeldeten Verbraucher und dem Beklagten in Folge des Prozesses angerufene Gericht, in dem der Verbraucher seinen Leistungsanspruch durchzusetzen sucht, soweit der Verbraucher seine Anmeldung nicht wirksam nach § 608 Abs. 3 ZPO zurückgenommen hat.

3. Verjährungshemmung

Durch die Anmeldung des Anspruchs oder Rechtsverhältnisses zum Klageregister wird die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB gehemmt. Die Hemmungswirkung endet nach § 204 Abs. 2 S. 1 BGB sechs Monate nach rechtskräftiger Entscheidung über die Musterfeststellungsklage oder einer sonstigen Beendigung des Verfahrens, wie der wirksamen Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister.
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4. Rechtsmittel

Nach § 614 S. 1 ZPO findet gegen Musterfeststellungsurteile die Revision statt, wobei die Sache nach § 614 S. 2 ZPO stets grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat.

Kritik:

Prozessrisiko bleibt

Die Musterfeststellungsklage führt anders als die amerikanische Sammelklage oder die subjektive Klagehäufung nicht zu einem direkten Leistungsanspruch. Der jeweilige Verbraucher muss seinen Anspruch individuell einklagen, was zu den damit verbundenen allgemeinen Prozessrisiken führt. Unter anderem trägt der Verbraucher in einem solchen Folgeprozess auch die Beweislast für das Bestehen seines Anspruchs.

Gerichtsbelastung

Des Weiteren besteht die Gefahr, dass die ohnehin schon völlig überlasteten Gerichte mit Folgeprozessen zur Durchsetzung der Ansprüche überflutet werden. In Hinblick auf die Zulässigkeitsvoraussetzung, dass mindestens 50 Verbraucher Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zum Klageregister anmelden müssen, ist die Folge weiterer Gerichtsprozesse nicht prozessökonomisch durchdacht worden. Als Alternative hätten vom Gericht angeordnete Vergleiche, anschließende Schiedsgerichtsverfahren oder automatisierte Mahnbescheide die anschließende Gerichtsbelastung reduzieren können.
Es bleibt also zu hoffen, dass die meisten Prozesse in einem gerichtlichen Vergleich enden.

Mangel an effektivem Rechtsschutz

Auch die Tatsache, dass nur Verbraucherverbände klagebefugt sind, stößt auf Kritik. Ebenso wie Verbraucher können auch kleinere und mittelständische von unrechtmäßigen Verhaltensweisen betroffen sein und Schäden erleiden. In anbetracht der Tatsache, dass die Europäische Kommission durch die Empfehlung kollektive Unterlassungs- und Schadenersatzverfahren bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten ohne Beschränkung auf eine bestimmte Gruppe erleichtern wollte, ist die Umsetzung der Empfehlung durch die Beschränkung auf Verbraucher nicht gelungen.
Die Bundesregierung gibt als Grund für die Einschränkung der Klagebefugnis an, dass eine Sammelklagen-Industrie, wie sie in den USA betrieben wird, verhindert werden sollte. Dort werden Anwaltskanzleien nämlich regelmäßig am Gewinn einer Sammelklage beteiligt.
Es wäre allerdings ein leichtes gewesen kleine und mittelständische Unternehmen einen erleichterten Rechtsschutz zu ermöglichen, indem die Klagebefugnis auf Verbände erweitert wird, die satzungsmäßig nicht nur Verbraucherinteressen wahrnehmen. Denn selbst dann bestünde immer noch die Einschränkung der Klagebefugnis, dass die Musterfeststellungsklage nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung erhoben wird. Dies hätte zur Verhinderung der Entstehung einer Sammelklagen-Industrie ausgereicht.

Fazit:

Ob die neue Klageart eine Verbesserung der Rechtstellung der Verbraucher bewirkt, werden die ersten Klagen zeigen. Trotz all der Kritik ist die Musterfeststellungsklage ein erster Schritt in Richtung effektiver Rechtsschutz gegen unrechtmäßige Verhaltensweisen in einem durch standardisierte Massengeschäfte geprägten Wirtschaftsleben. Es bleibt abzuwarten, ob sich Unternehmer die Existenz der neuen Klageart zur Abschreckung dienen lassen und in Zukunft stärker darum bemühen, sich rechtskonform zu verhalten oder ob ein stärkeres Instrument geschaffen werde muss.
Autorin: Rechtsanwältin Vera Oldenburger

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