B. Klageverfahren

Autorin: Rechtsanwältin Vera Oldenburger

Die Anfertigung der Klausur einer Klageerhebung (Punkt I), einer Klageverteidigung (Punkt II) oder des Beitritts zu einem Verfahren als Beigeladener (Punkt III) erfolgt wie der Widerspruch zunächst durch die Prüfung der Rechtslage im Gutachtenstil. In einem weiteren Schritt ist dann der Schriftsatz an das Gericht anzufertigen.

I. Mandant als Kläger

1. Gutachten

a. (Zusammenfassender Vorschlag)

Nicht zwingend erforderlich.

„Es wird vorgeschlagen, gerichtlich gegen den Bescheid des (Behörde) vom (Datum) vorzugehen.“
b. (Sachverhaltsdarstellung)

Nicht zwingend erforderlich

c. Auslegung Mandantenbegehren

In der Regel kann hier die Klausur beginnen.

  • „Da der Mandant eine anwaltliche Beratung zu einem Vorgehen gegen einen Bescheid des Oberbürgermeisters (OB) der Stadt X wünscht, sind die Erfolgsaussichten einer ggf. noch einzulegenden Klage zu prüfen.“
  • „Vorliegend ist zu prüfen, ob die von dem Mandanten bereits erhobene Anfechtungsklage gegen den Bescheid des OB der Stadt X Aussicht auf Erfolg hat (und daher aufrecht erhalten oder zurückgenommen werden sollte).“
  • d. Zulässigkeit der Klage

    Die Prüfung der Zulässigkeit erfolgt grundsätzlich im Gutachtenstil nach Schema F.

    Beachte:

    • Problematisches im Gutachtenstil, Unproblematisches im Urteilsstil
    • Besondere Sachurteilsvoraussetzungen immer kurz abhandeln
    • Allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen nur bei Problemen ansprechen
    e. Begründetheit des Widerspruchs

    Die Prüfung der Begründetheit erfolgt im Gutachtenstil ebenfalls nach Schema F.

    Beachte:

  • Bei der Drittanfechtungsklage nur Prüfung, ob eine Verletzung drittschützender Normen vorliegt
  • materielle Beweislastverteilung (Günstigkeitsprinzip) und Regeln:
    • anspruchsbegründende Tatsachen
    • rechtshindernde, rechtsvernichtende und rechtshemmende Tatsachen
    • Beweislastumkehr (z.B. § 280 I 2 BGB analog)
    • Beweis des ersten Anscheins
    • Beweismittel = SAPUZ (Sachverständiger, Augenschein, Parteivernehmung, Urkunden, Zeugen)
    • Beweisverwertungsverbote
    f. Zweckmäßigkeitserwägungen

    Neu ist die Darstellung der Zweckmäßigkeit:

    „Es stellt sich die Frage, welche weiteren Schritte zweckmäßig sind.“

    In der Regel gelangt die Prüfung zum Ergebnis, dass mit Erfolg Klage gegen den Bescheid erhoben werden kann.

    „Aufgrund der im Gutachten dargelegten Erfolgsaussichten sollte dem Mandanten geraten werden, eine Anfechtungsklage (FFK) gegen den Bescheid des (Behörde) vom (Datum) zu erheben.“

    oder

    „Aufgrund der im Gutachten dargelegten Erfolgsaussichten sollte dem Mandanten geraten werden, eine Verpflichtungsklage auf Erlass einer Baugenehmigung/ Neubescheidung zu erheben.

    Sofern die Prüfung ergibt, dass eine bereits erhobene Klage keine Aussicht auf Erfolg hat, sollte dem Mandanten wegen der Reduzierung der Gerichtsgebühr von 3,0 auf 1,0 geraten werden, die Klage zurückzunehmen:

    „Aufgrund der im Gutachten dargelegten fehlenden Erfolgsaussichten sollte die bereits erhobene Anfechtungsklage zurückgenommen werden.“

    Mögliche weitere Zweckmäßigkeitserwägungen:

    • Zusätzlich vorläufiges Rechtsschutzverfahren (§§ 80 V, 123 VWGO) führen?
    • Zusätzlicher Annexantrag § 113 I 2 VWGO (Bei Folgenbeseitigungsansprüchen -FBA-)? Jedenfalls sinnvoll bei vollzogenem VA wg. § 45 I 3 GKG.
    • Auch bei Heilungsmöglichkeit nach § 45 VwVfG (und einzigem Fehler) kann Klage zweckmäßig sein zur Verhinderung der Bestandskraft + Zeitgewinn!
      Sofern Fehler geheilt wird: Erledigungserklärungen mit Kostenfolge § 161 II VWGO, wobei das Verschulden der Behörde berücksichtigungsfähig ist (+) (Trotzdem besteht an dieser Stelle ein Kostenrisiko!)
    • ggf. nur isolierte Anfechtungsklage gegen Widerspruchsbescheid
    • ggf. zusätzlich LK § 113 IV VWGO bei allgemeinen Leistungsansprüchen, weil andernfalls Rechtskraft der Anfechtungsklage abgewartet werden müsste
    • Aufklärung über Gerichtsgebühren + Anwaltskosten
    • Antrag auf Feststellung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wegen der Kostentragung nach § 162 II 2 VWGO
    • Vergleichsabschluss oder gerichtliches Verfahren (§§ 54 ff. VwVfG; § 106 VWGO)
    • Vergleich vorzugswürdig bei: Erfolgsaussichten offen oder zeit- & kostenaufwendige Beweisaufnahme erforderlich. Vergleich bietet gleichzeitig einen Vollstreckungstitel + geringere Kosten.

    • subjektive Klagehäufung § 64 VWGO bei notwendiger Streitgenossenschaft (gemeinsame Klageerhebung erforderlich z.B. bei ungeteilte Erbengemeinschaft).
    • Klagegegner: Rechtsträger oder Behörde (in NRW z.B. Rechtsträgerprinzip!) ggf. Hinweis auf Rubrumsberichtigung bei bereits erhobener Klage
    • Anregung der Beiladung um Rechtskraft gem. §§ 121 Nr. 1, 63 Nr. 3 VWGO auf weitere Personen zu erweitern.
    • Im Fall von

      • § 65 I VwGO = zweckmäßig weil möglich
      • § 65 II VwGO = notwendig (z.B. im Fall von § 36 BauGB)
    • Bei einer Mehrzahl von Klagebegehren ist eine Klagehäufung (§ 44 VWGO) zweckmäßig:Eventual oder kumulative Klagehäufung
    • ggf. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung anregen gem. § 101 II VWGO (zweckmäßig bei langem Anfahrtsweg)
      Aber: nur bei Streit über Rechtsfragen ohne Beweisaufnahme sinnvoll!
    • Klageerhebung unter Beifügung einer Originalvollmacht § 67 VI 1 VWGO (in der Praxis idR nicht erforderlich)
    • Bei unverschuldetem Fristversäumnis feststellen, dass Antrag nach § 60 VWGO geboten ist + die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen glaubhaft zu machen sind § 60 II 2 VWGO (durch Beweismittelnennung).
    • Prozesskostenhilfe (PKH)-Antrag isoliert oder mit Klage
    • Problem:
      PKH-Antrag hemmt keine Rechtsbehelfsfristen! Aber sofern PKH-Antrag gestellt wurde, ist Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO möglich.
    • (rechtswegfremde) Gegenforderung vorhanden zur Aufrechnung § 17 II GVG ?
    • Zuständigkeit des VG – sachlich/örtlich – oder Zivilrechtsweg ?
      (Relevant bei Abwehransprüche/Amtshaftung)
    • Problem:
      Leistungsanspruch gegenüber Privaten, an dem öffentliche Hand beteiligt ist:

      idR Verwaltungsrechtsweg zweckmäßiger wegen:

    • Amtsermittlungsgrundsatz
    • Verwaltungsgerichtlicher Streitwert idR geringer
    • Verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen wegen §§ 124, 124a VWGO nur unter erschwerten Voraussetzungen rechtsmittelfähig
    • (ggf. Vorabentscheidung über Rechtsweg nach § 17a III 2 GVG einholen)

    2. Praktischer Teil

    Name + Anschrift Ort, Datum
    Anschrift des VG - Entwurf -

    Namens und im Auftrag des/der (ladungsfähige Anschrift) erhebe ich (unter Bezugnahme auf die als Anlage 1 beigefügte Original – Vollmacht)

    Klage

    gegen

    wegen: …

    ein.

    Vorläufiger Streitwert: X Euro(§ 61 GKG)

    Im Termin zur mündl. Verhandlung werde ich beantragen:

      1. … (Hauptregelung),
      2. dem Kläger wg. der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
      3. dem Kläger PKH für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen und den Unterzeichner zur unentgeltliche Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen.
      4. Ggf. Annexantrag § 133 I 2 VWGO
      5. – Hinsichtlich der in dem Bescheid vom (Datum) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom (Datum) geltend gemachten Kostenforderung erklärt der Kläger die Aufrechnung mit einer Gegenforderung iHv X Euro aus … (Hinsichtlich der weitergehenden Kostenforderung von X Euro wird die Klage zurückgenommen.)
      6. …
      (z.B. Anregung der Beiladung + aus welchem Grund -> § 65 I <-> II VWGO)
    I

    Hier folgt die Schilderung des Sachverhalts

    Beachte: Darstellung tatsächlichen Verhältnisse hinsichtlich des Fristversäumnisses § 60 VWGO.

    II

    Hier folgt die rechtliche Begründung hinsichtlich:

    1. Begründung PKH-Antrag:

    „Nach § 166 VWGO iVm § 114 I 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

    Diese Voraussetzungen sind gegeben. Der Kläger verfügt weder über ein bestehendes Einkommen noch Vermögen, sodass PKH (ohne Ratenzahlung) zu bewilligen ist. Die Formularerklärungen gem. § 117 III, IV ZPO zu den persönlichen & wirtschaftlichen Verhältnissen nebst der erforderlichen Nachweise werden unverzüglich nachgereicht.

    Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet zudem auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Aus der beigefügten Klagebegründung ist ersichtlich, dass der Prozesserfolg wahrscheinlich ist. Die für die Bewilligung von PKH erforderliche gewisse Wahrscheinlichkeit eines Obsiegens ist mithin gegeben.
    Folglich ist auch eine Rechtsverfolgung nicht mutwillig ist iSd. § II ZPO, da auch ein wirtschaftlich ausreichend Bemittelter vernünftigerweise sein Recht in derselben Weise verfolgen würde.

    Wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage und der persönlichen Verhältnisse des Klägers ist die Beiordnung eines RA erforderlich, da es dem Kläger nicht zuzumuten ist, das Verfahren selbst zu führen § 166 VWGO iVm. § 121 II ZPO.“

    2. Begründung der Klage

    Im Rahmen der Zulässigkeit beachte insbesondere auch die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags!

    3. Sonstiges
    • ggf. Darlegung, aus welchem Grund es dem Kläger nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen (individuelle Fähigkeiten) § 162 II VWGO
    • ggf. Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung § 101 II VWGO
    Unterschrift
    XXX

    Anlagen:

      - Mehrausfertigung zwecks Zustellung an Beklagten
      - Abschrift des Bescheides vom (Datum)
      - Originalvollmacht

    BEI PROZESSVERGLEICH:

    „In pp.(Kurzrubrum) schlage ich vor, den Rechtsstreit durch folgenden Vergleich zu beenden:

      1. Hauptregelung mit vollstreckungsfähigem Inhalt
      2. Kostenregelung <-> sonst § 160 VWGO: 50/50
      (3. WR- Vorbehalt)

    Ich rege an, dem Beklagten diesen Vergleichsvorschlag im Wege eines Beschlusses gem. § 106 S. 2 VWGO zu unterbreiten.“

    3. Mandantenschreiben

    Gerichtliches Vorgehen erörtern und inwieweit ganz oder teilweise (keine) Aussicht auf Erfolg besteht oder die Erfolgsaussichten offen sind.

    II. Beklagtenseite

    1. Gutachten

    „Ob dem Beklagten zu empfehlen ist, sich gegen die Klage zu verteidigen, ist nach der Erfolgsaussicht zu beurteilen.“
    a. Zulässigkeit der Klage

    Beachte: Bei unstatthaftem Rechtsbehelf ist nach § 88 VWGO das wirkliches Begehren maßgeblich.

    b. Begründetheit der Klage
    c. Zweckmäßigkeitserwägungen
    • Klage in vollem Umfang Erfolg: Aufhebung/Erlass VA
    • Heilung von Form und Verfahrensfehlern nach § 45 VwVfG möglich?
    • Ergänzung von Ermessenserwägungen nach § 114 S. 2 VWGO möglich?
      (-) bei erstmaligem Vorbringen von Ermessensausübung
      (-) bei Wesensänderung des ursprünglichen VA

    2. Praktischer Teil

    Name + Anschrift
    RA
    Ort, Datum
    Name + Anschrift VG - Entwurf –

    AZ: …

    In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

    des …

    gegen …

    zeige ich an, dass ich die Beklagte vertrete. Eine Bevollmächtigung wird anwaltlich versichert / Eine Originalvollmacht ist beigefügt.

    Im Termin zur mündlichen Verhandlung werde ich beantragen,

    die Klage abzuweisen.

    Begründung:

    I

    Sachverhaltsdarstellung

    II

    Rechtliches Vorbringen

    + ggf. Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung § 101 II VWGO

    Unterschrift
    XXX

    III. Beigeladener

    1. Gutachten

    a. Klärung Rechtsbehelf
    • Hinweis auf Beiladung/ob Mandant beizuladen ist
    • weiteres anwaltliches Vorgehen, hängt von Erfolgsaussichten der Klage ab.
    b. Zulässigkeit der Klage

    Beachte:

    • § 42 II VwGO und den Drittschutz von Normen
    • Verwirkung § 242 BGB anstelle von §§ 74, 58 III VWGO bei fehlender Bekanntgabe des VA an Dritten
    c. Begründetheit der Klage

    Prüfung beschränkt sich auf die Prüfung der Verletzung subjektiv öffentlicher Rechte (Drittschützende Norm)

    d. Zweckmäßigkeit
    • Antrag auf Beiladung § 65 I VWGO
    • Beachte: Unterscheide ob Beiladung nach § 65 I oder § 65 II VWGO erfolgt, da Beigeladener nach § 65 II VwGO abweichende Sachanträge stellen kann § 66 S. 2 VWGO.

      § 65 II VwGO (+), wenn Dritter unmittelbar beschwert + in seine Rechte eingegriffen wird.

      Beispiel:
      VA mit Doppelwirkung oder § 36 BauGB (Einvernehmen)
    • Kostenrisiko §§ 154 III, 162 III VWGO
    • Beachte: Im Fall von § 65 II VwGO ist Beigeladener bei Sachantragstellung + unterliegen = kostenpflichtig (+), hat aber auch einen Kostenerstattungsanspruch bei Obsiegen (+), da mit gestelltem Antrag auch das Kostenrisiko übernommen wurde. (Zurechnung Obsiegen/ Unterliegen zu Beteiligtem, dem mit Sachantrag beigetreten wurde)

      Folge:

      • Drittanfechtungsklage hat Aussicht auf Erfolg Sachantrag (-)
      • Drittanfechtungsklage hat keine Aussicht auf Erfolg Sachantrag (+)
    • Erklärung der Notwendigkeit Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren

    2. Praktischer Teil

    Name + Anschrift
    RA
    Ort, Datum
    Name + Anschrift VG - Entwurf –
    In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

    des...

    gegen …

    zeige ich (unter Vorlage der anliegenden Originalvollmacht) an, dass ich die (Eheleute …) vertrete.

    (Ich rege an,

    die … beizuladen.)

    Im Termin zur mündlichen Verhandlung werde ich beantragen,

    die Klage abzuweisen.

    oder:

    Die Stellung eines Antrags behalte ich mir vor.

    I

    Sachverhaltsdarstellung:

    „Mit Klage begehrt die Klägerin gem … die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der Genehmigung für …

    Die beizuladenden … sind Eigentümer eines mit einem Bauernhofbebauten Grundstücks, welches in einer Entfernung von x Metern von … Die Beizuladenden haben bereits im förmlichen Genehmigungsverfahren rechtzeitig gem. … Einwendungen erhoben, da von der beabsichtigten Anlage unzumutbare Immissionen ausgehen werden.“

    II

    Rechtliche Begründung:

    ....

    („Die beantragte Beiladung ist rechtlich geboten/notwendig, weil durch die Entscheidung die rechtlichen Interessen der Beizuladenden berührt werden §§ 65 I/ 65 II VWGO“)

    ggf.: Antrag auf Feststellung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren. § 162 II 2 VWGO.

    Unterschrift
    XXX

    Anlage: 3 Abschriften