Warum wir uns nicht empören (#PRISM)
von admin · am Fr, 05/07/2013 - 15:04 ·
Vor einigen Tagen las ich einen Kommentar bei „Stern online“, in dem die Frage gestellt wurde, warum wir uns (als Bürger) eigentlich so gar nicht richtig über die momentan in der Diskussion befindliche Praxis der Datenabfrage, -speicherung, ja sogar vielleicht -Spionage rund um PRISM, TEMPORA & Co. empören.
Ja, warum #empören wir uns nicht über den unvorstellbaren Datenberg, der von der NSA und dem britischen Geheimdienst (anscheinend auch vom französischen Geheimdienst) gesammelt wird – eine halbe Milliarde Kommunikationsverbindungen werden in Deutschland monatlich überwacht, das sind 6,25 Mitteilungen über Telefon, E-Mail, Facebook & Co pro Bundesbürger. Dass darunter auch Daten enthalten sind, deren Sensibilität über die Einladung zu Tante Ernas Geburtstag weit hinausgeht, dürfte nicht weiter diskussionswürdig sein. Man denke allein an den Kommunikationsverkehr der Unternehmen, Behörden und unseres Rechtswesens inklusive seiner Anwälte und des damit verbundenen Vertrauensverhältnisses. Aber soweit würde ich persönlich gar nicht gehen wollen – für mich reicht auch schon besagte Einladung zum Geburtstag. Käme die nicht per Telefon sondern per Post, wie groß wäre der Aufschrei, wenn man feststellen würde, dass der Brief, der sich im Briefkasten befindet, bereits von irgendjemanden geöffnet wurde. Wie groß wäre unser Vertrauensverlust, wenn jemand in unserem Garten mit einem Fernglas auf der Lauer liegen würde, um unser Leben zu beobachten?
Nichts anderes geschieht eigentlich durch die Tätigkeiten von NSA & Co. Nur, dass sich keiner mehr den Hintern mit kaltem Kaffee in irgendwelchen Autos wund sitzen muss, während Häuser überwacht werden oder sich Mühe gegeben werden muss, damit der geöffnete Brief schließlich wieder aussieht als wäre er nie geöffnet wurden. In der digitalen Zeit wird das alles von Computerprogrammen übernommen und das wahre Ausmaß dieses Angriffs auf den innersten Bereich unseres Lebens dürfte für die meisten gar nicht fassbar sein, weil er digital – unsichtbar – abläuft. Dass macht das ganze eigentlich noch perfider, vor allem wenn man sich überlegt, was hierdurch möglich ist: Bewegungsmuster lassen sich von Zauberhand erstellen, durch die GPS-Ortung von Smartphones lässt sich derjenige, der in einer SMS das Wort „Bombe“ benutzt, sofort auffinden – auch wenn er dort nur geschrieben steht, dass die Party gestern echt Bombe war. Und das ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Ich frage mich mittlerweile, was passieren würde, wenn jeder Bundesbürger im Laufe eines Tages eine SMS schreiben würde, in der die Wörter Anthrax, Bombe und Co vorkommen. Vermutlich würde vollautomatisch das gesamte Atomwaffenarsenal der USA auf die Bundesrepublik gerichtet werden – als kleine Vorsichtsmaßnahme vor dem neuen Schurkenstaat, der um die 80 Millionen Terroristen beherbergt.
Nun, warum empören wir uns nicht darüber? Nun – als ich die obigen Sätze gerade geschrieben habe, hatte ich durchaus ein mulmiges Gefühl; Angst wär vielleicht zu viel gesagt. Respekt? Da steckt zu viel Anerkennung drin. Vielmehr geht es um die Befürchtung, dass bei jeder öffentlich gemachten Empörung die digitale Version dessen mitlesen könnte – besser mitliest – über den sich empört wird. Und Computer sind ja in der Regel nicht die schlausten. Das klingt ein wenig übertrieben, gleichzeitig glaube ich, dass diese Befürchtung zu einem großen Teil dafür verantwortlich ist, warum hier noch keine Massenproteste ausgebrochen sind. Denn wer weiß denn schon, was die NSA alles über einen weiß? Wer weiß denn schon, was passiert, wenn wir uns zu sehr empören? Paranoid? Vielleicht... Vielleicht aber auch nicht!
Hinzukommt, dass die Proteste heutzutage nicht mehr auf den Straßen stattfinden, sondern gerade über jene Medien, die so schön nebenbei ausspioniert werden. Wer will denn schon an einer Demonstration teilnehmen, wenn er zu befürchten hat, dass jeder zweite oder dritte Teilnehmer eigentlich nur an der Demo teilnimmt, um die wütende Masse weiter auszuspionieren, zu denunzieren und den ein oder anderen unliebsamen Demonstrationsteilnehmer aus der Diskussion rauszunehmen? Nichts leichter als dass - da muss sich kein Agent auf den Weg machen, es reicht vermutlich ein Klick und der Facebook – Account funktioniert nicht mehr.
Die digitale Generation steht damit vor dem Problem, dass sie ihre Plattform, auf der sie protestieren kann, ein Stück weit eingebüßt hat. Freute man sich vor gar nicht allzu langer Zeit über die politischen Umsturzmöglichkeiten, die das Social Networking bereit hielt, indem es letztlich nichts anderes tat als Gleichgesinnte zusammenzuführen, steht jetzt zu befürchten, dass die politischen Gegner alles und jeden kontrollieren. Das grenzt den Gestaltungsspielraum für eine mögliche Empörung gehörig ein.
Darüberhinaus ist der Vorgang ja eigentlich auch keine Überraschung. Kann man denn ernsthaft erwarten, dass diese wahnsinnige Datenflut kein Interesse bei den Geheimdiensten der Welt weckt? Das wäre, nett ausgedrückt, etwas naiv. Wobei genau diese Naivität auch ein Grund dafür ist, dass wir uns nicht empören. Die digitale Generation hat ein Gefühl für die Wichtigkeit der Privatsphäre verloren. In einer Zeit, in der Eltern jedes Babyfoto des eigenen Kindes bei Facebook posten, Jugendliche alle paar Stunden Schnappschüsse einstellen, die sie leicht bekleidet vor dem Spiegel aufgenommen haben, und die Kommunikation, selbst wenn man gemeinsam unterwegs ist, nicht mehr über den direkten sprachlichen Austausch abläuft sondern über das Smartphone – ja verwundert es da noch, dass ein Großteil unserer Sensibilisierung für das, was da gerade abläuft, verschwunden ist? Ist doch egal, wenn das tolle Bild vorm Spiegel auch auf den NSA-Servern gespeichert ist – ist doch eigentlich nur ein „Gefällt mir“ mehr, das ich drauf bekommen habe!
Geschürt wird dies alles durch den Umgang mit der Problematik, der von den von uns gewählten staatlichen Würdenträgern gepflegt wird. Da werden keine deutlichen Worte gewählt, da wird nicht klar gestellt, dass dieser Akt eigentlich strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht und alles daran gesetzt wird, diese durchzusetzen. Selbstverständlich hört man derartiges von der Opposition – die hat es in dieser Situation ja auch leicht, muss sie doch die (außen-)politischen Konsequenzen nicht tragen und kann daher einfach „frei Schnauze“ auch zum Teil unqualifizierte Äußerungen von sich geben. Allen voran die Aufforderung, Angela Merkel solle schleunigst nach Washington reisen und dort mal ordentlich auf den Tisch hauen – seit wann muss das Opfer eigentlich zum Täter kommen? Sind wir denn wirklich so klein und die USA wirklich so groß? Können sich ausländische Behörden alles erlauben? Mit den Gefangenentransporten über deutschen Luftraum fing es an, nun sind wir im digitalen 1984 gelandet.
Ich empöre mich hier jetzt ganz offiziell und für jeden sichtbar! Aber nicht nur über PRISM & Co....
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Kommentare
Wir empören uns doch schon! Wer noch?
#StopWatchingUs ! Am Samstag, den 27.07.2013 um 14 Uhr geht´s los. Bundesweite Proteste gegen #Prism und #Tempora!
Es ist an der Zeit, dass wir unseren inneren Aufstand auch äußerlich sichtbar machen. Flächendeckend! Bitte ladet alle eure FreundInnen ein, sagt es weiter und bringt euch in die Orga ein!
++++GRUNDLEGENDE INFO ZUR DEMO++++
Am 27.07.2013 gibt es bundesweite Demonstrationen gegen #Prism und #Tempora. Die Organisation der Demonstrationen läuft dezentral und nach Chaosprinzip. Das heisst am besten schaut jeder selbst ob es in seiner Stadt schon eine Regionalgruppe gibt, bringt sich eint bzw. baut eine auf, falls noch nicht vorhanden.
Genauso läuft dann die Promo für die Demo. Wir sind ALLE dafür verantwortlich, dass die Sache läuft! Wir nutzen dafür ALLE Plattformen, die uns zur Verfügung stehen!
Hinter #StopWatchingUs stehen keine Organisationen sondern einfach Menschen, die die Schnauze voll haben! Du bist eingeladen dabeizusein!
http://www.alex11.org/2013/07/stopwatchingus-und-idp13-auf-die-strase-gegen-onlineuberwachung/
... empört sich da jemand...
Gute Frage. Warum empört sich niemand?
Möglicherweise geht den meisten das am Ar.... vorbei, weil sich viele nicht betroffen fühlen?
Oder viele Denken: Merkel und Friedrich werden es schon richten?
Oder einige haben richtig Angst auf eine Demo zugehen. Da kommen Wasserwerfer und Gas zum Einsatz und anschließend bin ich 12 Stunden in einem Polizeikessel? Nebenbei werde ich noch als Straftäter erfasst und muss mich vor einem Gericht verantworten? Diese Angst ist ja nicht ganz unbegründet?
Soweit sind wir in unserem Lande ja schon gekommen.