Exkurs: Rettungsdienstrecht - Teil 4: "Die verhängnisvolle Dusche vor der Arbeit"

von Dominik ·

 

Auch die Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt oder nicht, ist nicht immer ganz eindeutig und einfach zu beantworten, wie es die folgende Entscheidung zeigt:

Folgender Fall lag der Entscheidung (Sozialgericht Speyer, Urteil v. 24.01.2012, Az.: S 15 U 40/10) zugrunde:

I. Der Fall

Rettungsassistent E fährt regelmäßig mit dem Fahrrad zur Arbeit. Bei sommerlichen Temperaturen kommt er dabei ordentlich ins Schwitzen und will vor Schichtantritt noch eben duschen gehen, um sich dann in frischer Kleidung der Arbeit zu widmen. Der Arbeitgeber hatte ein solches Vorgehen gebilligt und wird von vielen Kollegen wahrgenommen. E erreicht die Dusche jedoch nicht mehr: Auf dem Weg zur Dusche rutscht er aus und zieht sich eine Verletzung an der Großzehe zu, die in der Folge zweimal operiert werden muss.

Oberflächlich betrachtet könnte man annehmen, dass es sich (offensichtlich) um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Der Fall muss aber differenzierter betrachtet werden.

II. Berufsgenossenschaft: Kein Arbeitsunfall

Die zuständige Berufsgenossenschaft hat einen Anspruch des verletzten Arbeitnehmers aus § 8 SGB VII abgelehnt. Dort heißt es: „Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).“

Nach der Einschätzung der Berufsgenossenschaft handele es sich um eine Tätigkeit, die dem persönlichen Lebensbereich zugehörend sei. Die Unfallgefahr bestand nicht nur auf der Wache, sondern hätte ebenso zu Hause passieren können. Der notwendige Zusammenhang zwischen Sturz und der dienstlichen Tätigkeit fehle und daher sei der Anspruch nicht gegeben.

III. Sozialgericht Speyer: Es handelt sich um einen Arbeitsunfall

Auch in der Verhandlung vor dem Sozialgericht Speyer lag der Knackpunkt weiterhin in der Frage, ob ein innerer Zusammenhang zwischen dem Sturz und der (geschuldeten) dienstlichen Tätigkeit besteht. Das ist bei Tätigkeiten, die vertraglich geschuldet sind, unzweifelhaft der Fall (sog. objektive Handlungstendenz).

Hier handelte es sich bei dem Duschen jedoch um keine vertraglich geschuldete Tätigkeit (bei Models oder Dusch-Kabinen-Tester mag das anders sein). Es könnte sich aber um eine sog. „gemischte Tätigkeit“ handeln, also eine Tätigkeit, die sowohl zu privaten als auch dienstlichen Zwecken dient.

In der Verhandlung konnte der Rettungsassistent darlegen, dass er sich nur nach einer frischen Dusche als einsatzfähig ansah, betonte also, dass das Duschen eine wesentliche Voraussetzung für ihn war, um seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ausüben zu können. Mit dieser Schilderung überwog für das Gericht das betriebliche Interesse, sodass auf das private Interesse gar nicht mehr abgestellt wurde und somit im Ergebnis ein Arbeitsunfall bejaht wurde.

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