Was erwartet Referendare in den Klausuren? | Lawentus Ref-Guide | Teil IV

IV. Was erwartet Referendare in den Klausuren?

Du hast in den vergangenen 19-20 Monaten verschiedene Einzelleistungen erbracht und dafür Zeugnisse erhalten. Gleichwohl schließt das Rechtsreferendariat ausschließlich mit den Klausuren im 20. oder 21. Ausbildungsmonat und einer mündlichen Prüfung in der Regel im 24. Ausbildungsmonat ab. Mit anderen Worten besteht die Punktzahl des zweiten Staatsexamens ebenso wie in der ersten juristischen Prüfung aus zusammengefasst zwei bis drei intensiven Prüfungswochen, diesmal jedoch mit verändertem Schwierigkeitsgrad: Du musst eine praktisch brauchbare Lösung liefern. Was praktisch brauchbar ist oder nicht, liegt trotz vorgegebener Prüferhinweise im Ermessen des Korrektors. Während der eine die Leistung mit ausreichend bewerten würde, so schätzen andere diese besser ein. An diesem System ändert sich auch nach der ersten juristischen Prüfung nichts.

Allerdings wird in der Regel die Anzahl der Klausuren in der zweiten Staatsprüfung erhöht. Die meisten Bundesländer schreiben acht Klausuren, so z.B. auch Hamburg, und zwar vier im Zivilrecht und jeweils zwei im öffentlichen Recht und im Strafrecht. Ausnahmen gibt es jedoch wegen des Föderalismus auch: So bleibt u.a. in Berlin und Brandenburg den Prüflingen eine Klausur erspart, weshalb diese „nur“ sieben Stück anfertigen. Wer in Bayern Examen macht, der kommt nicht drumherum, elf schriftliche Leistungen ausarbeiten, was eine Mammutaufgabe ist: Jede der schriftlichen Klausuren dauert fünf Zeitstunden. Es kommt darauf an, dass Du in dieser Zeit Deine juristischen Höchstleistungen vollbringst. Alle bisherigen Leistungen im Rechtsreferendariat haben wie schon in der universitären Ausbildung keine eigenständige Bedeutung mehr, wenn es um die Abschlusspunktzahl im zweiten Staatsexamen geht.

Im ersten Examen warst Du es gewohnt, dass Dir ein Sachverhalt vorgegeben wird, den Du in der Regel vollumfänglich gutachterlich betrachten sollst. Meist war dazu der Sachverhalt zwischen 2-4 Seiten lang. Eine solche nur kurz zusammengefasste Sachverhaltsvorgabe fällt in den meisten Klausuren weg. In der Regel ist es Aufgabe des Prüflings, sich den Sachverhalt in den Klausuren selbst zu erschließen. Dazu erhält der Prüfling Aktenblätter aus fiktiven oder abgewandelten realen Fällen. Je nach Rechtsgebiet haben diese wiederum einen Umfang von 10 bis 20 Seiten.

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Erst wer sich den Sachverhalt vollumfänglich erarbeitet, der hat eine gute Ausgangslage, um praktisch verwertbare Lösungen je nach Aufgabenstellung niederzuschreiben. Im Zivilrecht erwartet Dich z.B. der Entwurf von gerichtlichen Urteilen oder Beschlüssen. Ebenso wird auf anwaltliche Aufgabenstellungen geachtet. Es erscheint in den Klausurtexten ein Mandant, welcher ein Geschehen schildert und Du musst bewerten, was zu tun ist: Klage erheben oder nicht, Rechtsmittel einlegen usw. Häufig werden hierbei ebenso strategische Überlegungen des Anwalts erwartet.

Neben dem Prozessrecht ist auch das materielle Recht bei den Klausuren von enormer Wichtigkeit. Klar, nun darfst Du Kommentare benutzen, wenn Du einzelne Streitstände oder Probleme nicht kennst. Gleichwohl hilft der Kommentar nur dort, wo Du gezielt nachschlägst. Damit bleibt Dir die Aneignung eines systematischen Rechtsverständnisses mithilfe der Kommentare nicht erspart. Ebenso wie im ersten Examen sind vertretbare Lösungen im zweiten Examen in mehr als eine Richtung möglich. Auch alternative Lösungswege können Berücksichtigung finden.

Im Zivilrecht kann es je nach Bundesland vorkommen, dass Du eine sogenannte Kautelarklausur anfertigen musst. Hier wirkst Du rechtsgestaltend und entwirfst beispielsweise Verträge oder Allgemeine Geschäftsbedingungen. Dieser anwaltliche Klausurtyp kommt insbesondere denen zugute, die juristisch kreativ arbeiten können, ist jedoch nicht in jeder Prüfungsperiode und in Abhängigkeit der Prüfungsordnungen der Bundesländer gefordert.

Neben der zivilrechtlichen Aufgabenstellung erwartet Dich im Strafrecht je nach Bundesland die Anfertigung einer staatsanwaltschaftlichen Anklageschrift, das Verfassen eines amts- oder landgerichtlichen Urteils, eine Revisionsbegutachtung oder eine anwaltliche Aufgabenstellung, die ebenso das strategische wie zweckmäßige Vorgehen für den Mandanten beleuchtet.

Klausuren im öffentlichen Recht sind oft von behördlichen oder gerichtlichen Entscheidungen geprägt: Du schreibst einen (Widerspruchs)-Bescheid einer Behörde oder fertigst ein verwaltungsgerichtliches Urteil an. Auch anwaltliche Fragestellungen sind je nach Bundesland zu erwarten. Im öffentlichen Recht kannst Du vielfach schon auf das Wissen der universitären Ausbildung zurückgreifen, da Zulässigkeit und Begründetheit eines Widerspruchs oder einer Klage ebenfalls wieder Bedeutung haben.

Ein wichtiger Tipp am Rande betrifft alle Klausuren: Zu jeder praktisch verwertbaren Klausur gehört in der Regel die Unterschrift, so bei allen Urteilen, Anklagen, behördlichen Entscheidungen oder anwaltlichen Schriftsätzen. Vergiss diese bitte nicht, wenn sie nicht durch den Bearbeitervermerk ausgeschlossen wurde! Lies unbedingt bei jeder Klausur den Bearbeitervermerk vollständig, kritisch und gewissenhaft, um keine Flüchtigkeitsfehler einzubauen. Gerade durch routiniertes Klausurtraining schaffst Du es, etwaige Unsicherheiten zu Aufbau, Inhalt oder Form von Klausuren zu minimieren und Deine Punktzahl zu steigern. Die Erfahrung zeigt zudem: Über Jahre hinweg werden die gleichen Probleme geprüft; sie sind nur in neue Fallgestaltungen eingekleidet („Neuer Wein in alten Schläuchen“...). Examensklausuren aus den vergangenen Jahren helfen Dir also dabei, Dich gezielt auf verschiedene Probleme in den Klausuren vorzubereiten und damit die Chance auf ein begehrtes Prädikat zu steigern.

Die Klausuren fertigst Du in den meisten Bundesländern gewohnt mit Papier und Stift an. Reformbestrebungen zu einem zeitgemäßen und vor allem praxisnahen elektronischen Examen am Computer sind in den meisten Bundesländern entweder noch nicht angedacht oder nicht umgesetzt. Lediglich Sachsen-Anhalt ist das erste Bundesland, welches die Klausuren der zweiten juristischen Staatsprüfung seit April 2019 am Computer abnimmt und damit schon einem Schritt weiter für Klausuren der Rechtspraxis ist.

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