Unternehmen als Teil der Erbmasse: Ganzheitlich denken und vertraglich regeln

Bei der in Familienunternehmen häufig vorkommenden Konstellation von Ein-Mann-Gesellschaftergeschäftsführern müssen Gesellschaftsvertrag und erbrechtliche Vorsorge ineinandergreifen. Gesellschafts- und Erbrecht müssen dabei zusammen und nicht nebeneinander gedacht werden. Was passieren kann, wenn dies nicht der Fall ist, zeigt folgende Ausführung, die ein Unternehmen im schlimmsten Fall lähmt.

Der Sachverhalt

Vater V ist alleiniger Gesellschaftergeschäftsführer eines Familienunternehmens, einer GmbH. Tragischerweise verunglückt er im Winterurlaub tödlich. V wird von seinem volljährigen Sohn S alleine beerbt; der Erbschein des zuständigen Amtsgerichts weist S als Alleinerben aus. Als neuer Alleingesellschafter fasst Sohn S einen Gesellschafterbeschluss und bestellt sich zum Geschäftsführer.

Ein klassisches „Henne-und-Ei-Problem“:

Allerdings lehnt das Handelsregister die Eintragung von S als Geschäftsführer ab, weil der eingereichte Gesellschafterbeschluss (§ 46 Nr. 5 GmbHG) unwirksam sei. Nach der zuletzt im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste ist tatsächlich V Alleingesellschafter, nicht S. Das Stimmrecht, so das Handelsregister, stehe dem Listengesellschafter V und nicht dem S zu (Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Der Erbschein ändere nichts daran.

Versucht S umgekehrt, eine neue Gesellschafterliste beim Handelsregister einzureichen, wird auch diese Aufnahme in den Registerordner verweigert: Der Geschäftsführer müsse ja die neue Liste unterzeichnen (§ 40 Abs. 1 GmbHG). Laut Handelsregister ist noch der V Geschäftsführer, nicht der S wirksam bestellt worden sei der S auch nicht, da der Beschluss nicht vom (Listen-)Alleingesellschafter gefasst worden sei.

Obwohl also S ab Eintritt des Erbfalls (wegen der in § 1922 BGB geregelten Gesamtrechtsnachfolge) Gesellschafter der GmbH geworden und damit materiell-rechtlich gesehen alleiniger Inhaber des Geschäftsanteils ist, ist er formell-rechtlich (noch) nicht legitimiert. Er kann seine Gesellschafterrechte (noch) nicht wirksam ausüben.

Die Lösung

Wie dieses einmal eingetretene Dilemma aufzulösen ist, ist rechtlich nicht abschließend geklärt.

Im Ergebnis muss aber der Alleinerbe S natürlich die Möglichkeit haben, zumindest eine neue Gesellschafterliste, den Gesellschafterbeschluss bzgl. seiner Geschäftsführerbestellung, und die aktualisierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen.

Dafür spricht der Rechtsgedanke des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG. Demzufolge gilt eine von dem (noch nicht in die Gesellschafterliste eingetragenen) Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung ausnahmsweise von Anfang als wirksam, wenn die neue Gesellschafterliste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird (Heilungswirkung).

Wenn also S bereits vor Aufnahme einer neuen Gesellschafterliste einen Gesellschafterbeschluss fasst, in dem er sich zum Geschäftsführer bestellt und unverzüglich danach eine neue Gesellschafterliste einreicht, dann wird dieser Gesellschafterbeschluss rückwirkend wirksam. Unverzüglich bedeutet dabei ohne schuldhaftes Zögern im Sinne von § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Allerdings kann es bei der Erstellung, Einreichung und Aufnahme der neuen Gesellschafterliste zu vielerlei Verzögerungen kommen. Es ist derzeit nicht absehbar, welche dieser Verzögerungen einer Heilungswirkung ggf. entgegenstehen können. Dies kann in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führen, da die Gesellschaft ohne Eintragung handlungsunfähig bleibt.

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Besser Vorsorgen

Vor Eintritt des Erbfalls sollte für diese Fall daher unbedingt rechtzeitig Vorsorge getroffen werden, um später nicht Nachsorgen zu müssen.

Denkbar wären hier z.B. die Bestellung eines zweiten Geschäftsführers, dessen Vertretungsbefugnis aber entsprechenden Beschränkungen unterliegt, z.B. nur gesamtvertretungsberechtigt ist. Damit kann bis zum Erbfall verhindert werden, dass eigenmächtig Entscheidungen für die Gesellschaft getroffen werden. Sollte dieser Fall dann allerdings eintreten, wird der zweite Geschäftsführer automatisch alleinvertretungsberechtigt.

Außerdem ist die Erteilung einer – möglichst öffentlich beglaubigten (§ 12 HGB) post- oder transmortalen Nachlassvollmacht des Gesellschafters an den Erben zu empfehlen. So kann der Erbe im Fall der Fälle bereits Gesellschafterbeschlüsse fassen, obwohl er mangels Eintragung in der Gesellschafterliste, noch nicht als Gesellschafter legitimiert ist. Dies hilft einen wirtschaftlich kritischen Stillstand im Unternehmen zu verhindern.

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