Das Schulfach Latein und das Jurastudium


Immer wieder hört man, Latein sei immens wichtig für das Jurastudium. Ein Latinum sei - ob groß oder klein - gar eine Voraussetzung, um Jura studieren zu können. Dem ist jedoch mitnichten der Fall! Auch ohne ein einziges Mal den Lateinunterricht besucht zu haben, ist es natürlich möglich Jura zu studieren und es bedarf im Grunde keinerlei Kenntnisse der lateinischen Sprache. Und trotzdem wird es immer Studium immer wieder mal dazu kommen, dass die lateinische Sprache durch Fachbegriffe und feststehende Wendungen zum Tragen kommt.

Das liegt vor allem daran, dass unser Rechtssystem, vor allem unser Zivilrechtssystem, stark beeinflusst wurde durch das alte römische Rechtssystem. Noch immer gibt es zahlreiche Rechtsinstitute, die sich beispielsweise im heutigen BGB wiederfinden und die von den Römern begründet wurden. Hierzu zählt unter anderem das gesamte Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB), das auch unter dem Begriff der Kondiktion bekannt ist und auf die römische Klage der condictio zurückgeht. Aber auch unser heutiges Sachenrecht fußt maßgeblich auf den von den Römern entwickelten Rechtsinstituten wie beispielsweise der Klage zum Schutz vor Entziehung des Eigentums, der rei vindicatio, die im Grunde unserem heutigen § 985 BGB entspricht und an der sich auch die heutigen Probleme im Rahmen der berüchtigten Vindikationslage entspinnen. Aber auch ungeschriebene Grundsätze wie „in dubio pro reo“ oder „ne bis in idem“ sind nach wie vor aktuell.

In der juristischen Sprache finden sich also durchaus einige Begriffe und Wendungen, die man als Jurastudent lernt und beherrschen sollte. Gleichzeitig braucht man dafür aber nun wirklich keine wirklichen lateinischen Kennnisse – sie können hilfreich sein, sind aber absolut keine Voraussetzung.

Der Besuch des Lateinunterrichts kann aber auch noch in anderer Hinsicht zumindest förderlich für das Jurastudium sein. Das liegt daran, dass man im Rahmen des Lateinunterrichts eine sehr analytische Arbeitsweise lernt, in der Regel bestimmte Strukturen durchleuchtet und grammatikalische Konstruktionen verinnerlicht, die die eigene juristische Ausdrucksweise durchaus begünstigen können. Das bedeutet aber nicht (!), dass Nicht-Lateiner sich nicht genauso gut zurecht finden werden.

Hier findest Du im Übrigen eine Liste mit lateinischen Fachbegriffen, die im Jurastudium immer wieder auftauchen bzw. auftauchen können:


Titel Übersetzung
volenti non fit iniuria

Bezeichnend für die rechtfertigende Einwilligung.

vis compulsiva

Psychiche Gewaltanwendung. z.B. Erzwingen einer Handlung durch Drohung

vis absoluta

Absolute Gewaltausübung gegen den Willen eines anderen. - z.B. festhalten

vinire contra factum proprium

Widersprüchliches Verhalten.

sequestration

Bezeichnend für die Zwangsverwaltung.

se ut dominum gerere

"Wie der Eigentümer einer Sache aufführen." - wichtig in Verbindung mit Vermögensdelikten.

reservatio mentalis

Geheimer Vorbehalt i.S.d. § 116 BGB

rei vindicatio

Bezeichnend für die Vindikationslage aus dem Herausgabeanspruch des § 985 BGB. - Eigentümer- Besitzer- Verhältnis (EBV)

reformatio in peius

Nachträgliche Verschlechterung durch Erhebung von Rechtsmitteln. Gesetzlich verankert unter anderem in § 331 StPO.

ratio legis

Sinn und Zweck eines Gesetzes.

protestatio facto contraria

Der Gültigkeit einer Willenserklärung steht auch ein gegensätzliches tatsächliches Verhalten nicht entgegen.

procedere

"Vorgehensweise" - ein durchaus eingedeutschtes Wort.

post mortem

Nach dem Tod.

post

"Nachträglich"  z.B. Nach dem Tod - post mortem

pactum de non petendo

Bezeichnend für eine Stundungsvereinbarung.

pacta sunt servanda

Geschlossene Verträge müssen eingehalten werden.

omni modo facturus

Zu einer Tat kann nicht mehr angestiftet werden, § 26 StGB , wer bereits "fest zur Tat entschlossen ist.

non liquet

Es ist keine klares Ergebnis der Beweisaufnahme zu entnehmen, wordurch die Partei, die die Beweislast trägt, den Prozess verliert.

nomen est omen

Der Name ist ein Zeichen. - Der Name sagt schon vieles aus.

ne ultra petita partium

Beschreibt eine Maßgabe nach § 308 ZPO, wodurch keiner anderes oder mehr zugesprochen bekommen darf, als er innerhalb seines Antrages begehrt hat.

ne bis in idem

Bezeichnet den Strafklageverbrauch, Art. 103 GG, wodurch man nicht wegen ein und derselben Tat zweimal bestraft/verfolgt werden darf.

nasciturus

"Leibesfrucht" - wird einem bereits geborenen Kind gleichgestellt.

luxuria

Bewusst fahrlässiges Handeln. Zum Beispiel die bewusste Außerachtlassung der erforderlichen/gebotenen Sorgfaltspflicht.

lucidum intervallum

Bezeichnend für den Zustand eines Geisteskranken, der für einen kurzen Moment einen lichten Augenblick hat, währenddessen er die Tragweite seines Handelns überblicken kann.

lex specialis

Spezielleres Gesetz.

iudex non calculat

Beschreibt die Kostenberechnung bei Gericht. Für diese nicht der betreffende Richter zuständig ist, sondern vielmer der dazu vorgesehene Beamte bei Gericht. - Kostenfeststellungsbeschluss

iudex ad quem

Bezeichnend für den Richter (das Gericht) der/das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat.

iudex a quo

Ist die Bezeichnung eines Richters (des Gerichts) dessen Entscheidung angefochten wird. - Äquivalent zu iudex ad quem

invitatio ad offerendum

"Einladung/ Offerte ein Angebot abzugeben."  Der Käufer soll ein Angebot zum Kauf abgeben. - Schaufensterfälle -

inter partes

"Zwischen den Parteien." Diese Bezeichnung wird beispielsweise bei Urteilen verwendet, wenn die Wirkung der Rechtskraft beschrieben wird und diese nur zwischen den Parteien Wirkung entfaltet.

in dubio pro reo

Im Zweifel für den Angeklagten.

in dubio mitius

Wenn verschiedene strafrechtliche Anwendungsbereiche möglich sind, soll im Zweifel immer zugungsten des Täters entschieden werden.

in dubio contra reum

Im Zweifel gegen den Angeklagten. (bildet im strafrechtlichen Gebrauch die Ausnahme)

ignorantia facti

Liegt vor, wenn jemand tatsächlich nicht irrt und keiner Fehlvorstellung unterliegt. § 263 StGB

furtum usus

Bezeichnend für die Gebrauchsanmaßung - steht in Abgrenzung zur Zueignungsabsicht. Ausschlaggebendes Abgrenzungselement für einen Diebstahl zum Beispiel. § 242 StGB

falsus procurator

Vertreter ohne Vertretungsmacht gem. § 179 BGB.

exeptio

Bezeichnend für die Einrede.

exculpation

Sich vom Vorwurf befreien - Verschulden wird angenommen, sofern sich der Beschuldigte nicht exculpieren kann zB § 280 BGB im Schuldrecht oder § 831 BGB im Deliktsrecht.

ex tunc

rückwirkend gültig

ex nunc

von jetzt an gülitg

essentialia negotii

Die zwingenden Voraussetzungenen eines Vertrages - Mindestangaben für einen Vertrag. / Zwischen wem geschlossen? Was sind Leistung und Gegenleistung?

dolus subsequens

Nachträglicher Vorsatz für das unvorsätzlich Umgesetzte. -> für den Täter unbeachtlicher nachgelagerter Vorsatz.

dolus generalis

Generalvorsatz für ein einheitliches Tatgeschehen. -> Mindermeinung!

dolus eventualis

Eventualvorsatz

dolus directus

Unbedinger Vorsatz.

Teilt sich auf in dolus directus 1. Grades (willentlich) und 2. Grades (wissentlich)

dolus

Vorsatz

dolos

arglistig

do ut des

synallagmatischer Vertrag - wörtlich: "ich gebe, damit du gibst"

dissens

Einigungsmangel - Äquivalent zum Konsens.

dispens

Aufhebung eines unterdrückenden gesetzlichen Verbots (Gebrauch im öffentlichen Recht)

diligentia quam in suis

Bezeichnend für den in § 277 BGB verankerten Sorgfaltsmaßstab, den man auch bei eigener Betroffenheit an den Tag legen würde.

dereliktion

Aufgabe des Eigentums.

debitor

Schuldner -  das Wort kommt von Schuld - debit

debet

Die geschuldete Leistung eines debitors. (Schuldners) - Schuld

de lege lata

Vom Standpunkt des geltenden Rechts.

de lege ferenda

Vom Standpunkt des zukünftigen Rechts.

de lege artis

Nach den Regeln der Kunst.

de iure

laut Gesetz

de facto

Das ist faktisch so.

culpa in eligendo

Auswahlverschulden - zum Beispiel liegt diese vor, wenn jemand bei einer schuldrechtlichen Erfüllung einen Dritten einsetzt und dieser evident (offensichtlich) zur Erfüllung ungeeignet ist.

culpa in contrahendo (cic)

Bezeichnend das in § 311 II BGB verankerte Verschulden bei Vertragsschluss. Denn auch schon bei den Vertragshandlungen, müssen die Rechte und Pflichten der anderen Vertragspartei gewahrt werden.

condictio ob causam finitam

Der Rechtsgrund ist später weggefallen § 812 I 2, 1. Alt.

condictio indebiti

Der Rechtsgrund fehlt schon von Beginn an. § § 812 I 1, 1. Alt.

cessio legis

Forderungsübergang per Gesetz auf den neuen Gläubiger

cessio

Abtretung

causa data non secuta

Beschreibt die Zweckverfehlung des Herausgabeanspruchs aus § 812 I 2, 2. Alt

causa

Rechtsgrund

argumentum ex

"Argument aus" etwas beziehen.

argumentum e contrario

Argument aus dem Umkehrschluss.

ante

vorher - äquvalten zu "post" -> danach

actus contrarius

(Gegenaktstheorie) diese Theorie gibt es nicht wirklich, jedoch beschreibt sie treffend die Bedeutung, denn gem. der Theorie wird eine Handlung durch das Gesetz legitimiert und das Gegenteil durch das selbe Gesetz verboten.

actio pro socio

Ein Gesellschafter kann in Notfällen einen Anspruch, der grundsäztlich allen Gesellschaftern einer Gesellschaft gemeinschaftlich gegen einen anderen einzelnen Gesellschafter zusteht, auch alleine geltend machen.

actio

Handlung - damit wird aber auch die Klagemöglichkeit bezeichnet.