Welche Reichweite hat die Vermutungswirkung von § 476 BGB?

Überblick

Ein sowohl für die Theorie als auch für die Praxis relevante Streitigkeit ist die Thematik rund um die Regelung des § 476 BGB. Nicht zuletzt deshalb, weil diese Frage dem EuGH vorgelegt wurde, der sich im Jahr 2015 gegen die Ansicht des BGH gestellt hat.

Die Meinungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Vermutung in rein zeitlicher Hinsicht1

Nach früherer Ansicht des BGH galt nur eine rein zeitliche Vermutungswirkung, sodass der vom Verkäufer bewiesene Mangel als bei Gefahrübergang vorhanden galt.

Argumente für diese Ansicht

Auslegung des Art. 5 III Verbrauchsgüterkaufrichtlinie

Art. 5 III der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie will auch nur eine rein zeitliche Vermutung gelten lassen. Dafür spricht insbesondere, dass dieser unter der Überschrift „Fristen“ zu finden ist.


Argumente gegen diese Ansicht

Richtlinie muss erst umgesetzt werden

Selbst wenn man die Richtlinie so auslegen will, so regelt sie nur, was der nationale Gesetzgeber mindestens umsetzen muss. Dieser kann jedoch auch eine Regelung treffen, die über die Richtlinie hinausgeht. Dies ist hier geschehen.

2. Ansicht - Über zeitliche Komponente hinausgehende Vermutung2

Die Gegenauffassung vertritt, dass nicht nur nach 6 Monaten vermutet wird, dass „dieser“ konkrete Mangel vorhanden war, sodann dass die Sache generell mangelhaft war. Diese Interpretation geht weiter, als die rein zeitliche Komponente.

Argumente für diese Ansicht

Wortlaut des § 476 BGB

Der Wortlaut spricht dafür, dass der Gesetzgeber über die Richtlinie hinaus eine Vermutungswirkung regeln wollte, die weiter geht, als die rein zeitliche Komponente.
Die Norm ist so formuliert, dass („…ein Sachmangel…“), also „irgendein“ Mangel bei Gefahrübergang vorlag. Demnach wird ein möglicher Grundmangel, der sich innerhalb von 6 Monaten zeigt, rückdatiert auf den Zeitpunkt des Gefahrenübergangs.

Wille des Gesetzgebers

Auch in der Gesetzesbegründung wird darauf hingewiesen, dass der Käufer hier schutzwürdiger gestellt werden muss, da er erst nach Übergabe der Sache, diese auf Mängel hin untersuchen kann.3Der Beweis für einen Verbraucher, dass ein latenter Mangel vorliegt, wäre in der Praxis kaum zu bringen.

  • 1. BGH, NJW 2004, 2299 ff.
  • 2. EuGH, NJW 2015, 2237.; Lorenz, NJW 2004, 3020.
  • 3. Vgl. BT- Drs. 14/6040, S. 245.

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