Liegt eine Übergabe vor, wenn der nicht alle Schlüssel übergeben worden sind?

Überblick

Angenommen eine Sache liegt in einem verschlossenem Raum und der Veräußerer oder Verpfänder händigt dem Erwerber oder dem Pfandnehmer nicht alle Schlüssel aus und behält einen heimlich zurück. Die Frage ist: Liegt in diesem Fall eine Übergabe vor?

Die Auffassungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Theorie des Mitbesitzes

Behält der Veräußerer/Verpfänder einen Schlüssel zurück, kann nicht von einer Übergabe ausgegangen werden. Er behält Mitbesitz an der Sache.1

Argumente für diese Ansicht

Keine Besitzaufgabe vom Veräußerer/ Verpfänder

Behält der Veräußerer/Verpfänder heimlich einen Schlüssel zurück, hat er ungehindert Zugang zur Sache und diese befindet sich noch in seinem Machtbereich. Es kann demnach nicht von einer Besitzaufgabe, wie sie zur Übergabe notwendig wäre, ausgegangen werden.

Veranlasserprinzip

Im Verhältnis des Erwerbers/Pfandnehmers zu Dritten entspricht die Verneinung einer Übergabe dem Veranlasserprinzip. Da der Erwerber/Pfandnehmer auf die Erklärung des Veräußerers/Pfandnehmers, er hätte alle Schlüssel abgegeben, vertraut hat, muss er auch die Folgen der Unrichtigkeit der Erklärung tragen.

Besitzaufgabe fehlt

Das entscheidende Merkmal einer Übergabe ist nicht die Erlangung des unmittelbaren Besitzes durch den Erwerber/Pfandnehmer, sondern die Besitzaufgabe durch den Veräußerer/Pfandgeber. Diese liegt aber gerade nicht vor, wenn er weiterhin ungehinderten Zugang zur Sache hat.

2. Ansicht - Theorie des Alleinbesitzes

Mit Erklärung alle Schlüssel seien an den Erwerber/Pfandnehmer abgegeben worden, liegt die Besitzaufgabe auf Seiten des Veräußerers/ Pfandgebers. Durch das heimliche Zurückbehalten eines Schlüssels wird kein Mitbesitz begründet.2

Argumente für diese Ansicht

Erklärter Wille ist ausschlaggebend

Zunächst verlangen §§ 929,1205 BGB im Rahmen der Übergabe nicht, dass der Veräußerer/Pfandgeber keine Einflussmöglichkeit mehr auf die Sache hat. Eine Übergabe ist auch dann nicht zu verneinen, wenn der Übertragende noch einen Schlüssel findet oder sich einen nachmachen lässt. Insofern kann beim heimlichen Zurückhalten eines Schlüssels nicht anders entschieden werden. Es ist vielmehr auf den erklärten Willen der Parteien abzustellen, wonach eine die Besitzverschaffung gewollt ist und damit die Übergabe vollzogen wurde.

Erst durch Gebrauch wird der Alleinbesitz gestört

Das reine Zurückbehalten eines Schlüssels vermag den Alleinbesitz des Erwerbers/Pfandnehmers noch nicht stören. Solange der Veräußerer/Pfandgeber den Schlüssel nicht auch nutzt, besteht Alleinbesitz des Erwerbers/Pfandnehmers. Nutzt er den Schlüssel und übt er Herrschaftshandlungen über die Sache aus, stört er den Alleinbesitz des Erwerbers/Pfandnehmers, nicht aber dessen Pfandrecht.

Aufgabe des Besitzes ist die Offenlegung der dinglichen Rechtslage

Es ist nur auf den nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt abzustellen, denn Aufgabe des Besitzes ist die Offenlegung der dinglichen Rechtslage nach außen. Damit kann eine Übergabe nicht verneint werden.

  • 1. MüKoBGB/Joost, 6. Auflage, § 854 BGB, Rn. 40; Palandt/Bassenge, 74. Auflage, § 854, Rn. 5.
  • 2. MüKoBGB/Damrau, 6. Auflage, § 1205, Rn. 10; RGZ 103, 100 (101).

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