§ 932 BGB Gutgläubiger Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten

Überblick

Problem: Im Rahmen des gutgläubigen Eigentumserwerbs vom Nichtberechtigten nach §§ 932, 929 BGB ist streitig, ob es als Übergabe ausreicht, wenn der Besitz vom unmittelbaren Besitzer (der ein Dritter ist) auf Geheiß des nichtbesitzenden Veräußerers an den Erwerber übertragen wird.

Die Auffassungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Besitzverschaffungsmachttheorie

Es reicht aus, wenn der Dritte als unmittelbarer Besitzer auf Geheiß des Veräußerers an Erwerber überträgt. Auch dann, wenn der Veräußerer nicht mittelbarer Besitzer ist.1

Argumente für diese Ansicht

Übergabe iSd § 929 S. 1 BGB ist Besitzbegründung

Grundsätzlich ist die Übergabe weniger als Besitzübertragung und mehr als Besitzbegründung zu verstehen. Daher genügt es im Rahmen des § 929 S. 1 BGB, wenn der unmittelbare Besitzer auf Geheiß des Eigentümers dem Erwerber die Sache übergibt, auch dann, wenn der Unmittelbare Besitzer dem Eigentümer nicht den mittelbaren Besitz verschafft. Deshalb kann im Rahmen von § 932 BGB der Begriff der Übergabe keine andere Bedeutung haben als in § 929 BGB.

Keine Diskriminierung des verkürzten Übergabe

Im heutigen Rechtsverkehr sind abgekürzte Lieferung inzwischen selbstverständlich, diese verkehrsübliche Übereignungsform darf nicht durch gutgläubigen Erwerb diskriminiert werden. Liefert der Hersteller direkt an den Käufer, aber auf Rechnung des Verkäufers, darf nicht durch die Vorschriften des gutgläubigen Erwerbs die Rationalität abhanden kommen.

Besitzverschaffung als Rechtsscheintatbestand

Häufig ist es dem Erwerber nicht möglich festzustellen, ob der Veräußerer die tatsächliche Sachherrschaft inne hat. Vielmehr kann er aus der Tatsache, dass der Veräußerer ihm den Besitz verschafft, davon ausgehen, dass dieser auch die tatsächliche Sachherrschaft hatte. Deshalb stellt diese Tatsache für den Erwerber einen genauso starken Rechtsscheintatbestand dar, wie der Besitz des Veräußerers.

2. Ansicht - Unterwerfungstheorie

Es reicht aus, wenn der unmittelbare Besitzer dem Erwerber auf Geheiß des Veräußerers den Besitz verschafft. Jedoch gilt dies nur dann, wenn der unmittelbare Besitzer sich tatsächlich den Weisungen unterworfen und auf Rechnung des Veräußerers gehandelt hat.2

Argumente für diese Ansicht

Vertrauenstatbestand zwischen Veräußerer und unmittelbaren Besitzer

Handelt der unmittelbare Besitzer auf Weisung des Veräußerers liegt ein Vertrauenstatbestand vor, der parallel zu einem unmittelbaren Besitz des Veräußerers selbst und dessen Weisung an seine Besitzdiener oder Besitzmittler zu sehen ist. Handelt er Unmittelbare Besitzer jedoch in Folge einer Täuschung durch den Veräußerer auf eigene Rechnung, fehlt es an einer tatsächlichen Weisungsmacht.

Nur echte Weisung reicht aus

Im Rahmen des Eigentumserwerbs vom Berechtigten genügt nach § 929 S. 1 BGB nicht jede beliebige Besitzverschaffung, sondern nur eine solche die zum Zwecke der Übergabe erfolgt. Somit ist eine Übergabe durch einen nichtbesitzenden Nichteigentümer nur dann gegeben, wenn dieser sich damit einer Weisung vom Veräußerer unterwirft.

3. Ansicht - Modifizierte Unterwerfungstheorie

Eine Übergabe an den Erwerber durch den unmittelbar besitzenden Dritten reicht nur dann aus, wenn der Dritte die Besitzübertragung gerade mit Bezug auf die Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber vornimmt. 3

Argumente für diese Ansicht

Bezug zur konkreten Einigung ist ausschlaggebend

Die Besitzeinräumung muss gerade zur Durchführung des konkreten Übereignungsgeschäftes bestimmt sein. Somit reicht für einen gutgläubigen Erwerb nur eine solche Übergabe aus, die einen finalen Bezug zur konkreten Einigung aufweist. Hierbei muss der Dritte natürlich Kenntnis von der Einigung haben.

  • 1. BGHZ 36,56 (60), MüKoBGB/Oechsler, 6. Auflage, § 932, Rn. 17.
  • 2. Jauernig/Berger, 15. Auflage, § 932, Rn. 15 f.
  • 3. Medicus/Petersen, 24. Auflage, Bürgerliches Recht, Rn. 564.

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