Wie bestimmt sich die „Wichtigkeit“ des Gliedes nach § 226 I Nr. 2 StGB?
Überblick
Anerkannt ist, dass sich die Wichtigkeit des Gliedes nach seiner allgemeinen Bedeutung für den Gesamtorganismus bestimmt. Wesentliche Körperfunktionen müssen also beeinträchtigt sein.1
Allerdings besteht Uneinigkeit darüber, welche Faktoren bei der Bestimmung der Wichtigkeit iSd. § 226 I Nr. 2 StGB herangezogen werden dürfen.2
Die Auffassungen und ihre Argumente
1. Ansicht - Hinsichtlich der Wichtigkeit kommt es allein darauf an, was für jeden menschlichen Körper wichtig ist.3
Argumente für diese Ansicht
Wortlaut
Nach dem Wortlaut des § 226 I Nr. 2 StGB muss es sich um den Verlust eines wichtigen Gliedes des Körpers handeln. Eine individuelle Betrachtung wird demnach ausgeschlossen.4
Argumente gegen diese Ansicht
Die Auslegung ist zu eng und nicht mehr zeitgemäß.5
2. Ansicht - Hinsichtlich der Wichtigkeit sind nicht nur individuelle körperliche, sondern auch berufliche und soziale Verhältnisse einzubeziehen.6
Somit wird z.B. auch der kleine Finger des Berufspianisten erfasst, der für andere Menschen vielleicht nicht „wichtig“ ist.
Argumente für diese Ansicht
Für einen Pianisten kann wird der Verlust eines Finger schwerer wiegen als der Verlust eines ganzen Fußes
Argumente gegen diese Ansicht
Rechtsgut des § 226 StGB ist allein die körperliche Unversehrtheit und nicht Beruf und private Interessen7
3. Ansicht - Die Wichtigkeit bestimmt sich nicht ausschließlich danach, was für jeden Menschen wichtig ist, sondern bezieht auch individuelle körperliche Eigenschaften mit ein.8
Somit werden auch Eigenschaften wie Linkshändigkeit berücksichtigt. Nicht jedoch berufliche und soziale individuelle Umstände.
Argumente für diese Ansicht
Körperliche Besonderheiten müssen berücksichtigt werden
Bei der Beurteilung, was wichtig ist, müssen dauerhafte körperliche Besonderheiten des Tatopfers angesichts des gleichberechtigten Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher körperlicher Beschaffenheiten berücksichtigt werden.9
226 I Nr. 2 StGB ist ein Verletzungsdelikt und dessen Erfolg auch von der körperlichen Beschaffenheit des Tatopfers abhängt10
Argumente gegen diese Ansicht
Es kann bei der Beurteilung nicht darauf ankommen, welcher Wert das Glied nach dem individuellen Lebensberuf hat11
- 1. Fischer, StGB, § 226, Rn. 7, Aufl. 62.; Rengier, BT II, § 15, Rn. 10, Aufl. 13.
- 2. Rengier, BT II, § 15, Rn. 11, Aufl. 13.
- 3. RGSt 62, 161.; Joecks, § 226, Rn. 14, Aufl. 11.; NK/Paeffgen, § 226, Rn. 27, Aufl. 3.
- 4. Joecks, § 226, Rn. 14, Aufl. 11.; m.w.N.: NK/Paeffgen, § 226, Rn. 27, Aufl. 3.
- 5. BGHSt 51, 252 (255).; ähnlich auch: MüKo/Hardtung, § 226, Rn. 27, Aufl. 2.
- 6. Lackner/Kühl, StGB, § 226, Rn. 3, Aufl. 28.; Eisele, BT I, Rn. 335, Aufl. 1.; Reniger, BT II, § 15, Rn. 11, Aufl. 13.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 9, Rn. 21, Aufl. 10.
- 7. Schönke/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben, StGB, § 226, Rn. 2, Aufl. 29.; MüKo/Hardtung, § 226, Rn. 27, Aufl. 2.
- 8. BGHSt 51, 252 (255).; Fischer, StGB, § 226, Rn. 7, Aufl. 62.; Schönke/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben, StGB, § 226, Rn. 2, Aufl. 29.
- 9. BGHSt 51, 252 (255).
- 10. BGHSt 51, 252 (255).; MüKo/Hardtung, § 226, Rn. 27, Aufl. 2.
- 11. MüKo/Hardtung, § 226, Rn. 27, Aufl. 2.
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