Ist formelle Illegalität ausreichend oder materielle Illegalität notwendig für eine Nutzungsuntersagung?

Überblick

Eine beliebte Prüfungsfrage ist, ob bei einer Nutzungsuntersagung die formelle Illegalität als ausreichend angesehen werden kann, oder ob zusätzlich eine materielle Illegalität vorliegen muss.

Die Auffassungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Formelle und Materielle Illegalität müssen vorliegen1

Argumente für diese Ansicht

Voraussetzung ergibt sich aus dem Gesetz

Die Formel der formellen und materiellen Illegalität ergibt sich aus dem Gesetz und aus allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätzen. Historischer Bezugspunkt ist das Preußische Allgemeine Landrecht, wo gesetzlich sowohl die formelle, als auch die materielle Illegalität gefordert werden.

Gebot der Verhältnismäßigkeit

Würde nur auf die formelle Illegalität abgestellt, würde das der Bauherr bauliche Anlagen abreißen müsste, deren Wiederaufbau sogleich nach dem Abriss gestattet werden müsste oder auch bauliche Änderungen vornehmen müsste, deren sofort Wiederbeseitigung ihm wiederum nicht untersagt werden könnte.

2. Ansicht - Formelle Illegalität reicht aus2

Die Formelle Illegalität einer Nutzung reicht aus, da es regelmäßig einer Prüfung der materiellen Illegalität nich bedarf.

Argumente für diese Ansicht

Nutzungsuntersagung hat nur vorübergehende Bedeutung

Die Nutzungsuntersagung hat nur vorübergehenden Charakter und untersagt die ungenehmigte Nutzung nur bis zur Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit. Daher reicht die formelle Illegalität aus, es bedarf keiner weitergehenden Prüfung zum Erlass der Nutzungsuntersagung.

Nutzungsuntersagung führt nicht zur Vernichtung

Anders als eine Beseitigungsanordnung führt die Nutzungsuntersagung nicht notwendigerweise zur Vernichtung des Bauwerkes. Es bedarf hier keiner Prüfung der materiellen Illegalität, da die Vernichtung nicht Konsequenz der Nutzungsuntersagung ist.

Keine ausdrückliche gesetzliche Regelung

Im Gegensatz zur historischen Gesetzgestaltung, ist in den Bauordnungen der Länder das Erfordernis des Vorliegens der formellen und materiellen Illegalität nicht mehr verankert.

3. Ansicht - Voraussetzungen sind abhängig von der Maßnahme3

Ob nur die materielle oder zusätzlich auch die formelle Illegalität erforderlich ist, hängt von der Maßnahme ab. Bei der Beseitigungsverfügung muss sowohl die formelle als auch die materielle Illegalität vorliegen. Bei der Einstellungsverfügung reicht die formelle Illegalität aus.

Argumente für diese Ansicht

Verstoß gegen das GG

Bei einer Beseitigungsverfügung müssen sowohl die formelle, als auch die materielle Illegalität vorliegen, denn hierbei handelt es sich um einen Substanzverlust. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass bei einer nicht genehmigten, aber genehmigungsfähigen Anlage ein Anspruch auf nachträgliche Genehmigung besteht. Ein Beseitigungsverfügung, die lediglich wegen einer formellen Illegalität ergeht, würde zudem gegen Art. 14 GG verstoßen.

Wortlaut des Gesetzes

Eine Einstellungsverfügung hingegen kann auch schon bei formeller Illegalität ergehen. Dies ist ergibt sich zum einen teilweise unmittelbar aus Gesetz und zum anderen aus dem Umstand der Bevorzugung desjenigen, der ohne Genehmigung baut im Gegensatz zu demjenigen der erst nach Erteilung der Genehmigung baut.

  • 1. OVG Lüneburg, BauR 2007,356; Schlichter, JuS 1985,898 (900).
  • 2. Fischer, NVwZ 2004, 1057; BVerwG BauR 2013, 1996.
  • 3. OVG Saarland, NVwZ 1985, 122.

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