§ 323a StGB - Vollrausch

§ 323a Vollrausch

(1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel in einen Rausch versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist.

(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die Strafe, die für die im Rausch begangene Tat angedroht ist.

(3) Die Tat wird nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt, wenn die Rauschtat nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt werden könnte. 

Schema zum Vollrausch, § 323a StGB

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Rausch / nicht ausschließbarer Rausch 

Ein Rausch ist ein durch Alkohol oder (und) andere berauschende Mittel verursachter erheblicher akuter Intoxikationszustand, der für sich allein die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit zumindest erheblich vermindert.

b) Sich versetzen

Darunter versteht man das Zusichnehmen alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel.

2. Subjektiver Tatbestand

Der Täter muss vorsätzlich oder wenigstens fahrlässig gehandelt haben 

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld
IV. Objektive Bedingung der Strafbarkeit: Begehung einer Straftat im Rauschzustand

1. Tatbestand
2. Rechtswidrigkeit der Tat
3. Schuldunfähigkeit gem. § 20 StGB infolge des Rausches 

ggf. kann auf eine zuvor geprüfte a.l.i.c. (actio libera in causa) verwiesen werden. 

V. Strafantrag gm. § 323a III StGB
IV. Ergebnis

Vorlesung: 
Strafrecht BT I
Rechtsgebiet: 
Strafrecht
Zweittitel: 
Vollrausch, § 323a StGB
Video URL: 
https://media.jura-online.de/media/video/00011271_promo.mp4

Kausalität

Nach der conditio-sine-qua-non-Formel, ist eine Handlung kausal, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.

Quelle: 
RGSt 1, 373; BGHSt 1, 332.
Paragraphen: 
§223 StGB, §212 StGB,§211 StGB,
Rechtsgebiet: 
Strafrecht
Vorlesung: 
Strafrecht AT
Schuldrecht BT II (Gesetzliche Schuldverhältnisse)

Objektive Zurechnung

Objektiv zurechenbar ist ein durch menschliches Verhalten verursachter Erfolg, wenn dieses Verhalten eine rechtlich missbilligte Gefahr des Erfolgseintritts geschaffen und diese Gefahr sich auch tatsächlich in dem konkreten erfolgsverursachenden Geschehen realisiert hat.

Quelle: 
Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Salinger/Altenhain, StGB, 6. Auflage Heidelberg 2023, Rn. 57; MüKo/Freud, 4. Auflage München 2020, vor § 13 Rn. 181; Kühl, StafR AT, 8. Auflage München 2017, § 4 Rn. 43.
Rechtsgebiet: 
Strafrecht
Vorlesung: 
Strafrecht AT

Vorsatz

Vorsatz ist Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs im Bewusstsein der Rechts-(Pflicht-)widrigkeit.

Quelle: 
Jauernig BGB/Stadler, 19. Auflage München 2023, § 276 Rn. 15.
Rechtsgebiet: 
Zivilrecht
Vorlesung: 
Sonstiges Zivilrecht (inklusive Prozessrecht)

Welche Deliktsnatur weist § 323a StGB (Vollrausch) auf?

Überblick

Umstritten ist vorliegend die Deliktsnatur des § 323a StGB. Strittiger Punkt ist dabei prinzipiell die Frage nach dem strafwürdigen Tatunrecht.

1. Ansicht - Bei § 323a StGB handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.1

Argumente für diese Ansicht

Das strafwürdige Unrecht liegt bereits (und allein) in dem selbst herbeigeführten und verschuldeten Rauschzustand als solchem.2

Der Rausch ist seit jeher als Quelle von Gewalttaten, Sittlichkeitsverbrechen und anderen Rechtsbrüchen bekannt. Er nimmt dem Menschen die Gewalt über sich.

Wirkung des Rauschzustandes ist unberechenbar und erfordert daher besonderen Schutz der Bevölkerung.3

Die Wirkung eines Rauschzustandes ist niemals mit Gewissheit vorhersehbar. Daher muss die Allgemeinheit vor diesen unberechenbaren Gefahren geschützt werden.

  • 1. BGHSt 16, 124 (125f.).; Lackner/Kühl, StGB, § 323a, Rn. 1, Aufl. 28.; im Ergebnis auch: Rengier, BT II, § 41, Rn. 9, Aufl. 16.
  • 2. BGHSt 16, 124 (125).
  • 3. BGHSt 16, 124 (125f.).; idS.: Lackner/Kühl, StGB, § 323a, Rn. 1, Aufl. 28.

2. Ansicht - Zu der im Rausch begangenen Tat muss zumindest eine bestimmte Schuldbeziehung bestehen – insoweit liegt im Ergebnis ein konkretes Gefährdungsdelikt vor.1

Innerhalb dieser Auffassung ist weiterhin umstritten, wie diese Beziehung beschaffen sein soll. (s. dazu unten)

Argumente für diese Ansicht

In dem Vollrausch an sich bereits das Unrecht zu sehen, läuft dem Schuldprinzip zuwider.

Zumindest der Alkohol-Rausch ist per se nichts Strafwürdiges, da die Bevölkerung den Rauschzustand als sozial übliche und größten Teils tolerierte Erscheinung ansehen.2

Wäre allein die Herbeiführung des Rausches der Strafgrund, wäre ein Rückgriff auf die Strafdrohung der Rauschtat obsolet.

Das Unrecht würde sich allein nach der Stärke des Rausches bemessen. Würde man die im Rausch begangene Tat allerdings nicht mehr konkret berücksichtigen, dürfte es bei der Bewertung des Vollrausches unter Unrechtsgesichtspunkten nicht drauf ankommen, ob der Berauschte einen Mord, eine Sachbeschädigung oder gar keine Straftat begeht.3

Die Gegenauffassung kann nicht erklären, wieso der Vollrausch gemäß § 323a II StGB nicht härter bestraft werden kann, als die im Rausch begangene Tat bestraft werden würde.

Es lässt sich nicht erklären, wieso die Schwere der Rauschtat bei der Strafzumessung des Vollrauschs die Höchststrafe festlegt, wenn das Unrecht der Tat allein in dem Rauschzustand an sich liegt.4

Erst die Verübung einer Straftat lässt die Grenze zwischen Strafwürdigkeit und -bedürftigkeit überschritten sein.

Wenn aber die im Rausch begangenen Tat das Unrecht des Vollrauschs entscheidend mitprägt, ist der Ausweg versperrt, § 323a StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt anzusehen.5

Widerspruch zu § 122 OWiG

Es leuchtet vom Standpunkt der Gegenauffassung her nicht ein, wieso die Vollrauschvorschrift nach dem OWiG (namentlich § 122 OWiG) eine bloße Geldbuße vorsieht, der Vollrauschtatbestand des § 323a StGB aber eine bis zu fünfjährige Freiheitsstrafe androht.6

  • 1. NK/Paeffgen, StGB, § 323a, Rn. 9, Aufl. 4.; MüKo/Geisler, StGB, § 323a, Rn. 4f., Aufl. 1.; Rengier, BT II, § 41, Rn. 7, Aufl. 16.
  • 2. Roxin, AT I, § 23, Rn. 8, Aufl. 3.; Rengier, BT II, § 41, Rn. 7, Aufl. 16.
  • 3. MüKo/Geisler, StGB, § 323a, Rn. 4, Aufl. 1.
  • 4. MüKo/Geisler, StGB, § 323a, Rn. 4, Aufl. 1.; Rengier, BT II, § 41, Rn. 7, Aufl. 16.
  • 5. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323a StGB, Rn. 1, Aufl. 29.
  • 6. NK/Paeffgen, StGB, § 323a, Rn. 9, Aufl. 4.; MüKo/Geisler, StGB, § 323a, Rn. 4, Aufl. 1.

Überblick

Umstritten ist vorliegend die Deliktsnatur des § 323a StGB. Strittiger Punkt ist dabei prinzipiell die Frage nach dem strafwürdigen Tatunrecht.


Folgen und Auswirkungen des Meinungstreites

1. Ansicht - Bei § 323a StGB handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.1

Argumente für diese Ansicht

Das strafwürdige Unrecht liegt bereits (und allein) in dem selbst herbeigeführten und verschuldeten Rauschzustand als solchem.2

Der Rausch ist seit jeher als Quelle von Gewalttaten, Sittlichkeitsverbrechen und anderen Rechtsbrüchen bekannt. Er nimmt dem Menschen die Gewalt über sich.

Wirkung des Rauschzustandes ist unberechenbar und erfordert daher besonderen Schutz der Bevölkerung.3

Die Wirkung eines Rauschzustandes ist niemals mit Gewissheit vorhersehbar. Daher muss die Allgemeinheit vor diesen unberechenbaren Gefahren geschützt werden.

2. Ansicht - Zu der im Rausch begangenen Tat muss zumindest eine bestimmte Schuldbeziehung bestehen – insoweit liegt im Ergebnis ein konkretes Gefährdungsdelikt vor.4

Innerhalb dieser Auffassung ist weiterhin umstritten, wie diese Beziehung beschaffen sein soll. (s. dazu unten)

Argumente für diese Ansicht

In dem Vollrausch an sich bereits das Unrecht zu sehen, läuft dem Schuldprinzip zuwider.

Zumindest der Alkohol-Rausch ist per se nichts Strafwürdiges, da die Bevölkerung den Rauschzustand als sozial übliche und größten Teils tolerierte Erscheinung ansehen.5

Wäre allein die Herbeiführung des Rausches der Strafgrund, wäre ein Rückgriff auf die Strafdrohung der Rauschtat obsolet.

Das Unrecht würde sich allein nach der Stärke des Rausches bemessen. Würde man die im Rausch begangene Tat allerdings nicht mehr konkret berücksichtigen, dürfte es bei der Bewertung des Vollrausches unter Unrechtsgesichtspunkten nicht drauf ankommen, ob der Berauschte einen Mord, eine Sachbeschädigung oder gar keine Straftat begeht.6

Die Gegenauffassung kann nicht erklären, wieso der Vollrausch gemäß § 323a II StGB nicht härter bestraft werden kann, als die im Rausch begangene Tat bestraft werden würde.

Es lässt sich nicht erklären, wieso die Schwere der Rauschtat bei der Strafzumessung des Vollrauschs die Höchststrafe festlegt, wenn das Unrecht der Tat allein in dem Rauschzustand an sich liegt.7

Erst die Verübung einer Straftat lässt die Grenze zwischen Strafwürdigkeit und -bedürftigkeit überschritten sein.

Wenn aber die im Rausch begangenen Tat das Unrecht des Vollrauschs entscheidend mitprägt, ist der Ausweg versperrt, § 323a StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt anzusehen.8

Widerspruch zu § 122 OWiG

Es leuchtet vom Standpunkt der Gegenauffassung her nicht ein, wieso die Vollrauschvorschrift nach dem OWiG (namentlich § 122 OWiG) eine bloße Geldbuße vorsieht, der Vollrauschtatbestand des § 323a StGB aber eine bis zu fünfjährige Freiheitsstrafe androht.9

  • 1. BGHSt 16, 124 (125f.).; Lackner/Kühl, StGB, § 323a, Rn. 1, Aufl. 28.; im Ergebnis auch: Rengier, BT II, § 41, Rn. 9, Aufl. 16.
  • 2. BGHSt 16, 124 (125).
  • 3. BGHSt 16, 124 (125f.).; idS.: Lackner/Kühl, StGB, § 323a, Rn. 1, Aufl. 28.
  • 4. NK/Paeffgen, StGB, § 323a, Rn. 9, Aufl. 4.; MüKo/Geisler, StGB, § 323a, Rn. 4f., Aufl. 1.; Rengier, BT II, § 41, Rn. 7, Aufl. 16.
  • 5. Roxin, AT I, § 23, Rn. 8, Aufl. 3.; Rengier, BT II, § 41, Rn. 7, Aufl. 16.
  • 6. MüKo/Geisler, StGB, § 323a, Rn. 4, Aufl. 1.
  • 7. MüKo/Geisler, StGB, § 323a, Rn. 4, Aufl. 1.; Rengier, BT II, § 41, Rn. 7, Aufl. 16.
  • 8. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323a StGB, Rn. 1, Aufl. 29.
  • 9. NK/Paeffgen, StGB, § 323a, Rn. 9, Aufl. 4.; MüKo/Geisler, StGB, § 323a, Rn. 4, Aufl. 1.
Vorlesung: 
Strafrecht BT I
Rechtsgebiet: 
Strafrecht

Wie muss die Schuldbeziehung zwischen dem Rauschzustand und der Rauschtat nach § 323a StGB beschaffen sein?

Überblick

Wie bereits erwähnt (s. oben), fordern Stimmen in der Literatur, dass das Unrecht nicht nur in dem Rauschzustand als solchen zu sehen sein soll, sondern zwischen dem Rauschzustand und der in diesem Zustand begangenen Tat (Rauschtat) eine bestimmte Schuldbeziehung bestehen muss. Wie diese auszugestalten ist, ist innerhalb dieser Auffassung allerdings umstritten.
Einigkeit besteht zumindest darüber, dass der Rausch mit Blick auf die Rauschtat eine zum Unrecht gehörende Gefährlichkeit aufweisen muss. Dies ist also allen Auffassung gemein und dient als Ausgangspunkt.1

  • 1. Rengier, BT II, § 41, Rn. 8, Aufl. 16.

1. Ansicht - Der Täter muss die Rauschtat zumindest fahrlässig begehen. Er muss die Tat als Folge voraussehen können und zwar nicht nur irgendeine Tat, sondern eine Tat mit der Wirkung von der, die letztlich eingetreten ist.1

Argumente für diese Ansicht

Alles andere würde gegen das Schuldprinzip verstoßen

Es verstößt gegen das Schuldprinzip, dass die Umstände, die das Unrecht erst begründen oder wesentlich erhöhen, von der Schuld des Täters nicht sollen umfasst sein müssen.2

  • 1. Roxin, AT I, § 23, Rn. 8, Aufl. 3.
  • 2. Roxin, AT I, § 23, Rn. 8, Aufl. 3.

2. Ansicht - Der Täter muss von seiner Rauschgefährlichkeit gewusst oder Kenntnis darüber fahrlässig verfehlt haben. Insoweit ist die Vorhersehbarkeit der Rauschtat auf die dann verwirklichte Tat zu beziehen (Insoweit entspricht diese Auffassung der Ansicht zuvor).

Die Vorhersehbarkeit muss sich aber nicht zwingend auf die konkret verwirklichte Tat beziehen. Es genügt, dass die begangenen und die vorhersehbare Tat ihrer Art nach gleich oder ähnlich sind. Dies kann sich auf das verletzte Rechtsgut oder auf den gleichen Handlungsunwert beziehen. Eine vergleichbare Rauschtat genügt somit.1 (Dies bildetet den einzigen Unterschied zwischen M1 und M2).

Argumente gegen die 1. und 2. Ansicht

Der Tatbestand würde durch die Forderung einer konkreten Gefährlichkeit erheblich eingeschränkt werden.2

  • 1. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323a StGB, Rn. 1, Aufl. 29.
  • 2. Rengier, BT II, § 41, Rn. 9, Aufl. 16.

3. Ansicht - Nicht die (vergleichbare) Rauschtat muss vorhersehbar sein, sondern die durch den Vollrausch begründetet Gefahr, im Rauschzustand Straftaten zu begehen.1BGHSt 10, 247.

Es muss für den Täter vorhersehbar gewesen sein, dass er sich durch den Rausch in einen Zustand versetzt, in dem er wegen Ausschluss des Einsichts- oder Hemmungsvermögens möglicherweise Straftaten begeht.

Überblick

Wie bereits erwähnt (s. oben), fordern Stimmen in der Literatur, dass das Unrecht nicht nur in dem Rauschzustand als solchen zu sehen sein soll, sondern zwischen dem Rauschzustand und der in diesem Zustand begangenen Tat (Rauschtat) eine bestimmte Schuldbeziehung bestehen muss. Wie diese auszugestalten ist, ist innerhalb dieser Auffassung allerdings umstritten.
Einigkeit besteht zumindest darüber, dass der Rausch mit Blick auf die Rauschtat eine zum Unrecht gehörende Gefährlichkeit aufweisen muss. Dies ist also allen Auffassung gemein und dient als Ausgangspunkt.1


Folgen und Auswirkungen des Meinungstreites

1. Ansicht - Der Täter muss die Rauschtat zumindest fahrlässig begehen. Er muss die Tat als Folge voraussehen können und zwar nicht nur irgendeine Tat, sondern eine Tat mit der Wirkung von der, die letztlich eingetreten ist.2

Argumente für diese Ansicht

Alles andere würde gegen das Schuldprinzip verstoßen

Es verstößt gegen das Schuldprinzip, dass die Umstände, die das Unrecht erst begründen oder wesentlich erhöhen, von der Schuld des Täters nicht sollen umfasst sein müssen.3

2. Ansicht - Der Täter muss von seiner Rauschgefährlichkeit gewusst oder Kenntnis darüber fahrlässig verfehlt haben. Insoweit ist die Vorhersehbarkeit der Rauschtat auf die dann verwirklichte Tat zu beziehen (Insoweit entspricht diese Auffassung der Ansicht zuvor).

Die Vorhersehbarkeit muss sich aber nicht zwingend auf die konkret verwirklichte Tat beziehen. Es genügt, dass die begangenen und die vorhersehbare Tat ihrer Art nach gleich oder ähnlich sind. Dies kann sich auf das verletzte Rechtsgut oder auf den gleichen Handlungsunwert beziehen. Eine vergleichbare Rauschtat genügt somit.4 (Dies bildetet den einzigen Unterschied zwischen M1 und M2).

Argumente gegen die 1. und 2. Ansicht

Der Tatbestand würde durch die Forderung einer konkreten Gefährlichkeit erheblich eingeschränkt werden.5

3. Ansicht - Nicht die (vergleichbare) Rauschtat muss vorhersehbar sein, sondern die durch den Vollrausch begründetet Gefahr, im Rauschzustand Straftaten zu begehen.6

Es muss für den Täter vorhersehbar gewesen sein, dass er sich durch den Rausch in einen Zustand versetzt, in dem er wegen Ausschluss des Einsichts- oder Hemmungsvermögens möglicherweise Straftaten begeht.

  • 1. Rengier, BT II, § 41, Rn. 8, Aufl. 16.
  • 2. Roxin, AT I, § 23, Rn. 8, Aufl. 3.
  • 3. Roxin, AT I, § 23, Rn. 8, Aufl. 3.
  • 4. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323a StGB, Rn. 1, Aufl. 29.
  • 5. Rengier, BT II, § 41, Rn. 9, Aufl. 16.
  • 6. BGHSt 10, 247.
Vorlesung: 
Strafrecht BT I
Rechtsgebiet: 
Strafrecht

Ist § 323a StGB auch dann anzunehmen, wenn nicht sicher ist, ob der Täter zur Tatzeit voll schuldfähig oder schuldunfähig gewesen ist?

Überblick

Unproblematisch muss § 323a StGB angenommen werden, wenn der Täter zur Tatzeit schuldunfähig iSd. § 20 StGB gewesen ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass § 323a StGB entfällt, wenn die Schuldunfähigkeit ausgeschlossen werden kann. Problematisch sind mithin Konstellationen, in denen die Schuldunfähigkeit nicht ausgeschlossen werden und zumindest „möglich“ erscheint. Auch in diesem Fall ist § 323a StGB grundsätzlich zu bejahen, soweit nur sicher feststeht, dass der Täter zumindest vermindert schuldfähig ist und die Grenze des § 21 StGB erreicht hat. Schwierigkeiten ergeben sich erst dann, wenn weder die Schuldunfähigkeit noch die verminderte Schuldfähigkeit sicher angenommen werden kann und der Täter mithin genauso gut voll schuldfähig sein könnte.1

  • 1. Rengier, BT II, § 41, Rn. 19ff., Aufl. 16.

1. Ansicht - Vollrausch nach § 323a StGB muss ausscheiden, wenn nicht mal die Schwelle des § 21 StGB erreicht ist.1

Argumente für diese Ansicht

Der ansonsten resultierende Rauschbegriff würde den Anforderungen des Art. 103 II GG nicht gerecht werden.

Zwar kann man sich vorstellen, dass sich eine Person auch unterhalb der Grenze des § 21 StGB in einem dem § 323a StGB prinzipiell genügenden Vollrausch befindet, allerdings wäre der Begriff ohne den § 21 StGB als Untergrenze nicht hinreichend bestimmt.2

Dass der Täter möglicherweise auch voll schuldfähig gehandelt hat, passt nicht in das Tatbild des § 323a StGB.3

  • 1. Lackner/Kühl, StGB, § 323a, Rn. 4, Aufl. 28.; Rengier, BT II, § 41, Rn. 22, Aufl. 16.; Eisele, BT I, Rn. 1237, Aufl. 3.; NK/Paeffgen, StGB, § 323a, Rn. 44ff., Aufl. 4.
  • 2. Rengier, BT II, § 41, Rn. 22, Aufl. 16.
  • 3. Rengier, BT II, § 41, Rn. 22, Aufl. 16.

2. Ansicht - Der Tatbestand des § 323a StGB kann auch dann verwirklicht werden, wenn die Schwelle des § 21 StGB nicht sicher erreicht ist, aber auch nicht ausgeschlossen ist, dass der Täter schuldunfähig gewesen ist.1

Argumente für diese Ansicht

Wortlaut des § 323a StGB spricht gegen die Beschränkung auf Fälle sicherer verminderter Schuldfähigkeit.

Ein solches Erfordernis lässt sich ihm nicht entnehmen.2

Systematisch ist eine solche Einschränkung nicht geboten.

Eine Gleichsetzung von „Rausch“ und der Einschränkung der Schuldfähigkeit ist mit den Voraussetzungen des subjektiven Tatbestandes nicht vereinbar.

In dubio pro reo

Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der (berauschte) Täter womöglich voll schuldfähig, möglicherweise aber auch schuldunfähig gewesen ist, denn § 21 StGB beschreibt keine Abstufung der Schuldunfähigkeit, sondern der Schuldfähigkeit.3

  • 1. Fischer, StGB, § 323a, Rn. 11c., Aufl. 63.
  • 2. Fischer, StGB, § 323a, Rn. 11c., Aufl. 63.
  • 3. Fischer, StGB, § 323a, Rn. 11c., Aufl. 63.

Überblick

Unproblematisch muss § 323a StGB angenommen werden, wenn der Täter zur Tatzeit schuldunfähig iSd. § 20 StGB gewesen ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass § 323a StGB entfällt, wenn die Schuldunfähigkeit ausgeschlossen werden kann. Problematisch sind mithin Konstellationen, in denen die Schuldunfähigkeit nicht ausgeschlossen werden und zumindest „möglich“ erscheint. Auch in diesem Fall ist § 323a StGB grundsätzlich zu bejahen, soweit nur sicher feststeht, dass der Täter zumindest vermindert schuldfähig ist und die Grenze des § 21 StGB erreicht hat. Schwierigkeiten ergeben sich erst dann, wenn weder die Schuldunfähigkeit noch die verminderte Schuldfähigkeit sicher angenommen werden kann und der Täter mithin genauso gut voll schuldfähig sein könnte.1


Folgen und Auswirkungen des Meinungstreits

1. Ansicht - Vollrausch nach § 323a StGB muss ausscheiden, wenn nicht mal die Schwelle des § 21 StGB erreicht ist.2

Argumente für diese Ansicht

Der ansonsten resultierende Rauschbegriff würde den Anforderungen des Art. 103 II GG nicht gerecht werden.

Zwar kann man sich vorstellen, dass sich eine Person auch unterhalb der Grenze des § 21 StGB in einem dem § 323a StGB prinzipiell genügenden Vollrausch befindet, allerdings wäre der Begriff ohne den § 21 StGB als Untergrenze nicht hinreichend bestimmt.3

Dass der Täter möglicherweise auch voll schuldfähig gehandelt hat, passt nicht in das Tatbild des § 323a StGB.4

2. Ansicht - Der Tatbestand des § 323a StGB kann auch dann verwirklicht werden, wenn die Schwelle des § 21 StGB nicht sicher erreicht ist, aber auch nicht ausgeschlossen ist, dass der Täter schuldunfähig gewesen ist.5

Argumente für diese Ansicht

Wortlaut des § 323a StGB spricht gegen die Beschränkung auf Fälle sicherer verminderter Schuldfähigkeit.

Ein solches Erfordernis lässt sich ihm nicht entnehmen.6

Systematisch ist eine solche Einschränkung nicht geboten.

Eine Gleichsetzung von „Rausch“ und der Einschränkung der Schuldfähigkeit ist mit den Voraussetzungen des subjektiven Tatbestandes nicht vereinbar.

In dubio pro reo

Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der (berauschte) Täter womöglich voll schuldfähig, möglicherweise aber auch schuldunfähig gewesen ist, denn § 21 StGB beschreibt keine Abstufung der Schuldunfähigkeit, sondern der Schuldfähigkeit.7

  • 1. Rengier, BT II, § 41, Rn. 19ff., Aufl. 16.
  • 2. Lackner/Kühl, StGB, § 323a, Rn. 4, Aufl. 28.; Rengier, BT II, § 41, Rn. 22, Aufl. 16.; Eisele, BT I, Rn. 1237, Aufl. 3.; NK/Paeffgen, StGB, § 323a, Rn. 44ff., Aufl. 4.
  • 3. Rengier, BT II, § 41, Rn. 22, Aufl. 16.
  • 4. Rengier, BT II, § 41, Rn. 22, Aufl. 16.
  • 5. Fischer, StGB, § 323a, Rn. 11c., Aufl. 63.
  • 6. Fischer, StGB, § 323a, Rn. 11c., Aufl. 63.
  • 7. Fischer, StGB, § 323a, Rn. 11c., Aufl. 63.
Vorlesung: 
Strafrecht BT II
Rechtsgebiet: 
Strafrecht

Ist Teilnahme an dem Vollrausch nach § 323a StGB im Sinne einer Beihilfe oder Anstiftung möglich?

Überblick

Da der Vollrausch gemäß § 323a StGB nach überwiegender Auffassung ein eigenhändiges Delikt ist, scheidet eine täterschaftliche Beteiligung an dem Vollrausch iSe. mittelbaren Täterschaft z.B. durch Verabreichung der berauschenden Mittel zwangsläufig aus.
Fraglich ist nun, ob dann jedenfalls die Möglichkeit einer Anstiftung oder Beihilfe zu § 323a StGB besteht. Davon unterschieden werden muss die Teilnahme an der im Rausch begangenen Tat – diesbezüglich gelten unstreitig die §§ 26, 27 StGB.

1. Ansicht - Eine Anstiftung oder Beihilfe zu § 323a StGB ist nicht möglich.1

Argumente für diese Ansicht

Nach der gesetzgeberischen Intention soll nur der Sichberauschende selbst in die Pflicht genommen werden.

Bei der Vorschrift handelt es sich um einen Tatbestand, der nach der Intention des Gesetzgebers eine Strafbarkeitslücke schließen soll, die unter den Voraussetzungen des § 20 StGB entsteht und durch die Rechtsfigur der actio libera in causa nicht ausgefüllt werden kann. Daher liegt es nahe, anzunehmen, dass nur der Sichberauschende selbst in Pflicht genommen werden soll.2

Die Strafbarkeit würde dadurch unangemessen ausgedehnt werden.3

Dies gilt vor allem für die Berufsgruppe der Gastwirte.

  • 1. Ranft in JA 83, 239 (244).; Lackner/Kühl, StGB, § 323a, Rn. 17, Aufl. 28.
  • 2. Ranft in JA 83, 239 (244).; ähnlich auch: Lackner/Kühl, StGB, § 323a, Rn. 17, Aufl. 28.
  • 3. Lackner/Kühl, StGB, § 323a, Rn. 17, Aufl. 28.; Ranft in JA 83, 239 (244).

2. Ansicht - Eine Teilnahme iSe. einer Anstiftung oder Beihilfe ist möglich, sofern der Täter mit entsprechendem Vorsatz – auch bezüglich der konkreten Gefährlichkeit des Berauschten handelt.1

Argumente für diese Ansicht

Keine ausufernde Strafbarkeit von Gastwirten

Der vermeintlich ausufernden Strafbarkeit, insbesondere von Gastwirte, kann bereits durch die Grundsätze der objektiven Zurechnung hinreichend begegnet werden, nach welchen der Teilnehmer zunächst einmal ein unerlaubtes Risiko geschaffen haben muss. Weitere Restriktionen ergeben sich zudem aus dem Erfordernis des vorsätzlichen Teilnehmerhandelns.2

  • 1. BGHSt 10, 247 (248, 251f.).; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323a, Rn. 33, Aufl. 29.; Rengier, BT II, § 41, Rn. 26, Aufl. 16.
  • 2. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323a, Rn. 33, Aufl. 29.; Rengier, BT II, § 41, Rn. 26, Aufl. 16.

Überblick

Da der Vollrausch gemäß § 323a StGB nach überwiegender Auffassung ein eigenhändiges Delikt ist, scheidet eine täterschaftliche Beteiligung an dem Vollrausch iSe. mittelbaren Täterschaft z.B. durch Verabreichung der berauschenden Mittel zwangsläufig aus.
Fraglich ist nun, ob dann jedenfalls die Möglichkeit einer Anstiftung oder Beihilfe zu § 323a StGB besteht. Davon unterschieden werden muss die Teilnahme an der im Rausch begangenen Tat – diesbezüglich gelten unstreitig die §§ 26, 27 StGB.


Folgen und Auswirkungen des Meinungstreites

1. Ansicht - Eine Anstiftung oder Beihilfe zu § 323a StGB ist nicht möglich.1

Argumente für diese Ansicht

Nach der gesetzgeberischen Intention soll nur der Sichberauschende selbst in die Pflicht genommen werden.

Bei der Vorschrift handelt es sich um einen Tatbestand, der nach der Intention des Gesetzgebers eine Strafbarkeitslücke schließen soll, die unter den Voraussetzungen des § 20 StGB entsteht und durch die Rechtsfigur der actio libera in causa nicht ausgefüllt werden kann. Daher liegt es nahe, anzunehmen, dass nur der Sichberauschende selbst in Pflicht genommen werden soll.2

Die Strafbarkeit würde dadurch unangemessen ausgedehnt werden.3

Dies gilt vor allem für die Berufsgruppe der Gastwirte.

2. Ansicht - Eine Teilnahme iSe. einer Anstiftung oder Beihilfe ist möglich, sofern der Täter mit entsprechendem Vorsatz – auch bezüglich der konkreten Gefährlichkeit des Berauschten handelt.4

Argumente für diese Ansicht

Keine ausufernde Strafbarkeit von Gastwirten

Der vermeintlich ausufernden Strafbarkeit, insbesondere von Gastwirte, kann bereits durch die Grundsätze der objektiven Zurechnung hinreichend begegnet werden, nach welchen der Teilnehmer zunächst einmal ein unerlaubtes Risiko geschaffen haben muss. Weitere Restriktionen ergeben sich zudem aus dem Erfordernis des vorsätzlichen Teilnehmerhandelns.5

  • 1. Ranft in JA 83, 239 (244).; Lackner/Kühl, StGB, § 323a, Rn. 17, Aufl. 28.
  • 2. Ranft in JA 83, 239 (244).; ähnlich auch: Lackner/Kühl, StGB, § 323a, Rn. 17, Aufl. 28.
  • 3. Lackner/Kühl, StGB, § 323a, Rn. 17, Aufl. 28.; Ranft in JA 83, 239 (244).
  • 4. BGHSt 10, 247 (248, 251f.).; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323a, Rn. 33, Aufl. 29.; Rengier, BT II, § 41, Rn. 26, Aufl. 16.
  • 5. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323a, Rn. 33, Aufl. 29.; Rengier, BT II, § 41, Rn. 26, Aufl. 16.
Vorlesung: 
Strafrecht BT I
Rechtsgebiet: 
Strafrecht

Entfernt sich der Täter iSd. § 142 II Nr. 2 StGB entschuldigt, wenn er § 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB im Vollrausch (§ 323a StGB) begeht?

Überblick

Umstritten ist, ob sich derjenige Täter iSd. § 142 II Nr. 2 StGB entschuldigt von Unfallort entfernt, wenn er § 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB im Vollrausch (§ 323a StGB) begeht. Würde man dies bejahen, dann würde den Vollrauschtäter die Pflicht treffen, die Unfallfeststellung zu ermöglichen, sobald er wieder nüchtern ist. Voraussetzung wäre mithin, dass der Vollrausch einen den Täter entschuldigenden Zustand hervorruft.

1. Ansicht

Der sich im Vollrausch entfernende Täter, entfernt sich nicht entschuldigt iSd. § 142 II Nr. 2 StGB vom Unfallort. Ihn trifft mithin auch nicht die Pflicht, die Unfallfeststellung zu ermöglichen.1

Argumente für diese Ansicht

Der Vollrausch stellt keinen Entschuldigungsgrund entsprechend der §§ 33, 35 StGB dar.

Der Begriff „entschuldigt“ erfasst lediglich die in §§ 33, 35 StGB aufgeführten Entschuldigungsgründe. Da der Vollrausch nach § 323a StGB kein solcher Entschuldigungsgrund ist, kommt auch eine Pflicht nach § 142 II Nr. 2 StGB nicht in Betracht.2

Der Täter macht sich bereits nach §§ 323a iVm. 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB strafbar.

Wegen des Sichentfernens im Zustand des Vollrauschs macht sich der Täter bereits nach §§ 323a iVm. 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB strafbar. Da es sich bei § 142 II StGB lediglich um einen Auffangtatbestand handelt, der Täter erfassen soll, die sich in nicht strafbarer Weise vom Unfallort entfernt haben, ist § 142 II StGB nicht anzuwenden.3

  • 1. Im Ergebnis: Rengier, BT II, § 46, Rn. 32, Aufl. 16.
  • 2. Satzger in Jura 13, 355 f.
  • 3. Rengier, BT II, § 46, Rn. 32, Aufl. 16.

2. Ansicht

Der sich im Vollrausch entfernende Täter, entfernt sich entschuldigt vom Unfallort. Ihn trifft mithin auch nicht die Pflicht nach § 142 II Nr. 2 StGB, die Unfallfeststellung zu ermöglichen.1

Argumente für diese Ansicht

Der Begriff „entschuldigt“ erfasst nicht nur die Entschuldigungsgründe nach §§ 33, 35 StGB, sondern auch den Zustand von (vorübergehender) Schuldunfähigkeit iSd. § 20 StGB.2

Somit muss auch der Vollrauschzustand grundsätzlich entschuldigende Umstände und somit eine nachträgliche Pflicht zur Unfallfeststellung begründen.

Es ist nicht ersichtlich, wieso die vorübergehende Schuldunfähigkeit – insbesondere der Vollrausch – im Rahmen des § 142 II Nr. 2 StGB einer Sonderbehandlung bedarf.3

  • 1. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 49, Rn. 53, Aufl. 10.; Dornseifer in JZ 80, 299 (303).
  • 2. Berz in Jura 79, 127.
  • 3. Dornseifer in JZ 80, 299 (303).

Überblick

Umstritten ist, ob sich derjenige Täter iSd. § 142 II Nr. 2 StGB entschuldigt von Unfallort entfernt, wenn er § 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB im Vollrausch (§ 323a StGB) begeht. Würde man dies bejahen, dann würde den Vollrauschtäter die Pflicht treffen, die Unfallfeststellung zu ermöglichen, sobald er wieder nüchtern ist. Voraussetzung wäre mithin, dass der Vollrausch einen den Täter entschuldigenden Zustand hervorruft.

Die Ansichten und ihre Argumente

1. Ansicht

Der sich im Vollrausch entfernende Täter, entfernt sich nicht entschuldigt iSd. § 142 II Nr. 2 StGB vom Unfallort. Ihn trifft mithin auch nicht die Pflicht, die Unfallfeststellung zu ermöglichen.1

Argumente für diese Ansicht

Der Vollrausch stellt keinen Entschuldigungsgrund entsprechend der §§ 33, 35 StGB dar.

Der Begriff „entschuldigt“ erfasst lediglich die in §§ 33, 35 StGB aufgeführten Entschuldigungsgründe. Da der Vollrausch nach § 323a StGB kein solcher Entschuldigungsgrund ist, kommt auch eine Pflicht nach § 142 II Nr. 2 StGB nicht in Betracht.2

Der Täter macht sich bereits nach §§ 323a iVm. 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB strafbar.

Wegen des Sichentfernens im Zustand des Vollrauschs macht sich der Täter bereits nach §§ 323a iVm. 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB strafbar. Da es sich bei § 142 II StGB lediglich um einen Auffangtatbestand handelt, der Täter erfassen soll, die sich in nicht strafbarer Weise vom Unfallort entfernt haben, ist § 142 II StGB nicht anzuwenden.3

2. Ansicht

Der sich im Vollrausch entfernende Täter, entfernt sich entschuldigt vom Unfallort. Ihn trifft mithin auch nicht die Pflicht nach § 142 II Nr. 2 StGB, die Unfallfeststellung zu ermöglichen.4

Argumente für diese Ansicht

Der Begriff „entschuldigt“ erfasst nicht nur die Entschuldigungsgründe nach §§ 33, 35 StGB, sondern auch den Zustand von (vorübergehender) Schuldunfähigkeit iSd. § 20 StGB.5

Somit muss auch der Vollrauschzustand grundsätzlich entschuldigende Umstände und somit eine nachträgliche Pflicht zur Unfallfeststellung begründen.

Es ist nicht ersichtlich, wieso die vorübergehende Schuldunfähigkeit – insbesondere der Vollrausch – im Rahmen des § 142 II Nr. 2 StGB einer Sonderbehandlung bedarf.6

  • 1. Im Ergebnis: Rengier, BT II, § 46, Rn. 32, Aufl. 16.
  • 2. Satzger in Jura 13, 355 f.
  • 3. Rengier, BT II, § 46, Rn. 32, Aufl. 16.
  • 4. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 49, Rn. 53, Aufl. 10.; Dornseifer in JZ 80, 299 (303).
  • 5. Berz in Jura 79, 127.
  • 6. Dornseifer in JZ 80, 299 (303).
Vorlesung: 
Strafrecht BT I
Rechtsgebiet: 
Strafrecht