§ 142 StGB - Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

§ 142 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er

  1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder

  2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich

  1. nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder

  2. berechtigt oder entschuldigt

vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.

(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er
den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.

(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).

(5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann. 

Schema zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort nach § 142 I StGB

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Unfall im Straßenverkehr

Hierbei handelt es sich um ein plötzliches Ereignis im öffentlichen Verkehr, das mit dessen Gefahren in ursächlichem Zusammenhang steht und zu einem nicht völlig belanglosen Personen- oder Sachschaden führt. Völlige Belanglosigkeit liegt nur vor, wenn für Schäden dieser Art (bei objektiver ex-ante-Betrachtung) üblicherweise keine Ersatzansprüche geltend gemacht werden.

b) Unfallbeteiligter

c) Entfernen vom Unfallort

Der Unfallort ist die Stelle, an der der Unfall sich ereignet hat, wobei der gesamte Unfallablauf vom Beginn bis zum Ende (wozu auch noch das Zum-Stillstand-Kommen des Fahrzeugs unter Berücksichtigung der Verkehrssicherheit gehört).

d) Ohne Ermöglichung von Feststellungen (Nr. 1) ODER

Grundsätzlich kommt jede sich am Unfallort befindende oder innerhalb der Wartefrist hinzukommende Person als „feststellungsbereite Person“ in Betracht. Voraussetzung ist, dass in Betracht kommende Personen zur Durchführung der Feststellungen zugunsten aller Beteiligten sowie des Geschädigten und zur Weitergabe der Feststellungen an den Geschädigten auch tatsächlich bereit und in der Lage sind.

e) angemessene Wartezeit (Nr. 2)

f) Kausalität

Kausal ist jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.

g) Objektive Zurechnung

Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg dann, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert.

2. Subjektiver Tatbestand

Vorsatz
Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände.

II. Rechtswidrigkeit 

Allgemeine Rechtfertigungsgründe

III. Schuld 

Allgemeine Entschuldigungsgründe

IV. § 142 IV StGB

V. Ergebnis

Vorlesung: 
Strafrecht BT I
Rechtsgebiet: 
Strafrecht
Zweittitel: 
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort nach § 142 I StGB

Schema zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort, § 142 II StGB

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Unfall im Straßenverkehr

Hierbei handelt es sich um ein plötzliches Ereignis im öffentlichen Verkehr, das mit dessen Gefahren in ursächlichem Zusammenhang steht und zu einem nicht völlig belanglosen Personen- oder Sachschaden führt. Völlige Belanglosigkeit liegt nur vor, wenn für Schäden dieser Art (bei objektiver ex-ante-Betrachtung) üblicherweise keine Ersatzansprüche geltend gemacht werden.

b) Unfallbeteiligter

c) Entfernen vom Unfallort

Der Unfallort ist die Stelle, an der der Unfall sich ereignet hat, wobei der gesamte Unfallablauf vom Beginn bis zum Ende (wozu auch noch das Zum-Stillstand-Kommen des Fahrzeugs unter Berücksichtigung der Verkehrssicherheit gehört).

d) Nach Ablauf der Wartefrist (Nr. 1) oder

e) Berechtigt oder entschuldigt (Nr. 2)

Berechtigt
Berechtigt hat sich derjenige Unfallbeteiligte entfernt, der sich auf Rechtfertigungsgründe berufen kann.

Entschuldigt
Entschuldigt ist das Sich-Entfernen, wenn der Täter ohne Schuld gehandelt hat, wenn also Entschuldigungs- oder Schuldausschließungsgründe vorliegen.

f) Nichtermöglichen nachträglicher Feststellungen (unverzüglich)

g) Kausalität

Kausal ist jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.

h) Objektive Zurechnung

Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg dann, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert.

2. Subjektiver Tatbestand

Vorsatz
Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände.

II. Rechtswidrigkeit 

Allgemeine Rechtfertigungsgründe

III. Schuld 

Allgemeine Entschuldigungsgründe

IV. § 142 IV StGB

V. Ergebnis 

Vorlesung: 
Strafrecht BT I
Rechtsgebiet: 
Strafrecht
Zweittitel: 
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, § 142 II StGB

Unfall im Straßenverkehr

Ein plötzliches Ereignis im öffentlichen Verkehr, das mit dessen Gefahren in ursächlichem Zusammenhang steht und zu einem nicht völlig belanglosen Personen- oder Sachschaden führt. Völlige Belanglosigkeit liegt nur vor, wenn für Schäden dieser Art (bei objektiver ex-ante-Betrachtung) üblicherweise keine Ersatzansprüche geltend gemacht werden.

Quelle: 
Lackner/Kühl/Heger, 30. Auflage München 2023, § 142 Rdn. 5ff.
Rechtsgebiet: 
Strafrecht
Vorlesung: 
Strafrecht BT I
Stichwortverzeichnis: 

Berechtigtes oder entschuldigtes Sich-Entfernen vom Unfallort

Berechtigt ist das Sich-Entfernen, wenn Rechtfertigungsgründe eingreifen.
Entschuldigt ist das Sich-Entfernen, wenn Entschuldigungs- oder Schuldausschließungsgründe vorliegen.

Quelle: 
Kindhäuser/Schramm, StrafR BT I, 10. Auflage Baden-Baden 2022, § 68 Rn. 38, 39; Lackner/Kühl/Heger, 30. Auflage München 2023, § 142 Rn. 23 ff.
Paragraphen: 
§ 142 StGB
Rechtsgebiet: 
Strafrecht
Vorlesung: 
Strafrecht BT I

Feststellungsbereite Person i.S.d. § 142 StGB

Grundsätzlich kommt jede sich am Unfallort befindende oder innerhalb der Wartefrist hinzukommende Person als „feststellungsbereite Person“ in Betracht. Voraussetzung ist, dass in Betracht kommende Personen zur Durchführung der Feststellungen zugunsten aller Beteiligter sowie des Geschädigten und zur Weitergabe der Feststellungen an den Geschädigten auch tatsächlich bereit und in der Lage sind.

Quelle: 
Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, § 142 StGB, Rdn. 53; LK-Geppert § 142 StGB, Rdn. 51.
Rechtsgebiet: 
Strafrecht
Vorlesung: 
Strafrecht AT
Strafrecht BT I
Strafrecht BT II

Kausalität

Nach der conditio-sine-qua-non-Formel, ist eine Handlung kausal, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.

Quelle: 
RGSt 1, 373; BGHSt 1, 332.
Paragraphen: 
§223 StGB, §212 StGB,§211 StGB,
Rechtsgebiet: 
Strafrecht
Vorlesung: 
Strafrecht AT
Schuldrecht BT II (Gesetzliche Schuldverhältnisse)

Objektive Zurechnung

Objektiv zurechenbar ist ein durch menschliches Verhalten verursachter Erfolg, wenn dieses Verhalten eine rechtlich missbilligte Gefahr des Erfolgseintritts geschaffen und diese Gefahr sich auch tatsächlich in dem konkreten erfolgsverursachenden Geschehen realisiert hat.

Quelle: 
Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Salinger/Altenhain, StGB, 6. Auflage Heidelberg 2023, Rn. 57; MüKo/Freud, 4. Auflage München 2020, vor § 13 Rn. 181; Kühl, StafR AT, 8. Auflage München 2017, § 4 Rn. 43.
Rechtsgebiet: 
Strafrecht
Vorlesung: 
Strafrecht AT

Vorsatz

Vorsatz ist Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs im Bewusstsein der Rechts-(Pflicht-)widrigkeit.

Quelle: 
Jauernig BGB/Stadler, 19. Auflage München 2023, § 276 Rn. 15.
Rechtsgebiet: 
Zivilrecht
Vorlesung: 
Sonstiges Zivilrecht (inklusive Prozessrecht)

Handelt es sich noch um einen Unfall im Straßenverkehr iSd. § 142 StGB, wenn zwei Fußgänger auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen unbeabsichtigt zusammen prallen?

Überblick

Ein Unfall im Straßenverkehr ist ein plötzliches Ereignis im öffentlichen Straßenverkehr, das mit dessen typischen Gefahren in ursächlichem Zusammenhang steht und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat, der nicht ganz unerheblich ist.
Fraglich ist nun, ob das Zusammenprallen zweier Fußgänger auf einer öffentlichen Straße o.ä. auch als Unfall im Straßenverkehr zu werten ist.

1. Ansicht - Bei dem Zusammenstoßen zweier Fußgänger handelt es sich immer noch um einen Unfall im Straßenverkehr.1

Ein Fahrzeug muss am Unfall folglich nicht beteiligt sein.

Argumente für diese Ansicht

Der Wortlaut des § 142 StGB „Feststellung seines Fahrzeuges“ steht nicht entgegen.

Diese Formulierung ist zu lesen als: „...ggf. seines Fahrzeuges“.2

Dies typischen Verkehrsgefahren realisieren sich auch noch beim unbeabsichtigten Zusammenstoß von Fußgängern.3

  • 1. Rengier, BT II, § 46, Rn. 4, Aufl. 16.; Maurach/Schröder/Maiwald, BT I, § 49, Rn. 13, 18, Aufl. 10.
  • 2. Maurach/Schröder/Maiwald, BT I, § 49, Rn. 13, 18, Aufl. 10.
  • 3. Rengier, BT II, § 46, Rn. 4, Aufl. 16.

2. Ansicht - In dem unbeabsichtigten Zusammenstoß zweier Fußgänger ist kein Unfall mehr zu erblicken.

Mindestens ein Fahrzeug muss an dem Unfall auf irgendeine Art und Weise beteiligt sein.1

Argumente für diese Ansicht

§ 142 StGB ist eine Folge des Massenverkehrs und der sich daraus ergebenden Konsequenzen.2

Ein Zusammenstoß zweier Fußgänger passt also nicht in das Tatbild.

  • 1. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 142, Rn. 17, Aufl. 29.
  • 2. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 142, Rn. 17, Aufl. 29.

Überblick

Ein Unfall im Straßenverkehr ist ein plötzliches Ereignis im öffentlichen Straßenverkehr, das mit dessen typischen Gefahren in ursächlichem Zusammenhang steht und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat, der nicht ganz unerheblich ist.
Fraglich ist nun, ob das Zusammenprallen zweier Fußgänger auf einer öffentlichen Straße o.ä. auch als Unfall im Straßenverkehr zu werten ist.

Die Ansichten und ihre Argumente

1. Ansicht - Bei dem Zusammenstoßen zweier Fußgänger handelt es sich immer noch um einen Unfall im Straßenverkehr.1

Ein Fahrzeug muss am Unfall folglich nicht beteiligt sein.

Argumente für diese Ansicht

Der Wortlaut des § 142 StGB „Feststellung seines Fahrzeuges“ steht nicht entgegen.

Diese Formulierung ist zu lesen als: „...ggf. seines Fahrzeuges“.2

Dies typischen Verkehrsgefahren realisieren sich auch noch beim unbeabsichtigten Zusammenstoß von Fußgängern.3

2. Ansicht - In dem unbeabsichtigten Zusammenstoß zweier Fußgänger ist kein Unfall mehr zu erblicken.

Mindestens ein Fahrzeug muss an dem Unfall auf irgendeine Art und Weise beteiligt sein.4

Argumente für diese Ansicht

§ 142 StGB ist eine Folge des Massenverkehrs und der sich daraus ergebenden Konsequenzen.5

Ein Zusammenstoß zweier Fußgänger passt also nicht in das Tatbild.

  • 1. Rengier, BT II, § 46, Rn. 4, Aufl. 16.; Maurach/Schröder/Maiwald, BT I, § 49, Rn. 13, 18, Aufl. 10.
  • 2. Maurach/Schröder/Maiwald, BT I, § 49, Rn. 13, 18, Aufl. 10.
  • 3. Rengier, BT II, § 46, Rn. 4, Aufl. 16.
  • 4. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 142, Rn. 17, Aufl. 29.
  • 5. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 142, Rn. 17, Aufl. 29.
Vorlesung: 
Strafrecht BT I
Rechtsgebiet: 
Strafrecht

Macht sich auch der Unfallbeteiligte nach § 142 I Nr. 1 StGB strafbar, der erst nach dem Unfall am Unfallort eintrifft?

Überblick

Umstritten ist, ob sich der Unfallbeteiligte nach § 142 I Nr. 1 StGB strafbar macht, der erst nach dem Unfall am Unfallort eintrifft und diesen dann verlässt. Demgegenüber macht sich der Unfallbeteiligte unstreitig nicht strafbar, wenn er den Unfallort gar nicht erst aufsucht, denn nur wer am Unfallort anwesend ist, kann sich auch von diesem entfernen.

1. Ansicht

Ein Unfallbeteiligter, der erst nach dem Unfall am Unfallort eintrifft, macht sich nicht wegen § 142 I Nr. 1 StGB strafbar. Somit muss der Unfallbeteiligte gerade zur Unfallzeit am Unfallort anwesend sein.1

Argumente für diese Ansicht

Wer von vornherein nicht zum Kreis der von Gesetzes wegen Unterlassungs- und Duldungspflichtigen gehört, kann nicht nachträglich infolge freiwilligen Handelns diesem Kreis zugerechnet werden.2

Begibt sich ein Unfallbeteiligter, der durch ein verkehrswidriges Verhalten vor dem Unfall – z.B. durch verbotenes Parken – ursächlich zu diesem beigetragen hat, erst nach dem Unfall freiwillig und ohne Rechtspflicht erstmals zum Unfallort, so kann er dadurch nicht in die durch § 142 I Nr. 1 StGB strafbewehrte Pflicht genommen werden, sich ab sofort nicht mehr vom Unfallort zu entfernen. Denn wer von vornherein nicht zum Kreis der von Gesetzes wegen Unterlassungs- und Duldungspflichtigen gehört, kann nicht nachträglich infolge freiwilligen Handelns diesem Kreis zugerechnet werden.

  • 1. Rengier, BT II, § 46, Rn. 10, Aufl. 16.; OLG Stuttgart, NStZ 92, 384.
  • 2. OLG Stuttgart, NStZ 92, 384 (385).

2. Ansicht

Auch der Unfallbeteiligte, der erst nach dem Unfall am Unfallort eintrifft, kann sich nach § 142 I Nr. 1 StGB strafbar machen.1

Argumente für diese Ansicht

Auch der Unfallbeteiligte, der erst nach dem Unfall am Unfallort eintrifft, kann sich von diesem wieder entfernen.2

Die durch § 142 StGB statuierten Pflichten treffen jeden Unfallbeteiligten.3

So trifft die Pflicht nach § 142 StGB jeden, bei dem nach den Umständen in Frage kommt, dass sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat. Das kann aber auch der Unfallbeteiligte sein, der zum Zeitpunkt des Unfalls nicht zugegen war und erst später eintrifft (z.B. der Falschparker).

  • 1. Bertz in NStZ 92, 591 (592).
  • 2. Bertz in NStZ 92, 591 (592).
  • 3. Bertz in NStZ 92, 591 (592).

Überblick

Umstritten ist, ob sich der Unfallbeteiligte nach § 142 I Nr. 1 StGB strafbar macht, der erst nach dem Unfall am Unfallort eintrifft und diesen dann verlässt. Demgegenüber macht sich der Unfallbeteiligte unstreitig nicht strafbar, wenn er den Unfallort gar nicht erst aufsucht, denn nur wer am Unfallort anwesend ist, kann sich auch von diesem entfernen.

Die Ansichten und ihre Argumente

1. Ansicht

Ein Unfallbeteiligter, der erst nach dem Unfall am Unfallort eintrifft, macht sich nicht wegen § 142 I Nr. 1 StGB strafbar. Somit muss der Unfallbeteiligte gerade zur Unfallzeit am Unfallort anwesend sein.1

Argumente für diese Ansicht

Wer von vornherein nicht zum Kreis der von Gesetzes wegen Unterlassungs- und Duldungspflichtigen gehört, kann nicht nachträglich infolge freiwilligen Handelns diesem Kreis zugerechnet werden.2

Begibt sich ein Unfallbeteiligter, der durch ein verkehrswidriges Verhalten vor dem Unfall – z.B. durch verbotenes Parken – ursächlich zu diesem beigetragen hat, erst nach dem Unfall freiwillig und ohne Rechtspflicht erstmals zum Unfallort, so kann er dadurch nicht in die durch § 142 I Nr. 1 StGB strafbewehrte Pflicht genommen werden, sich ab sofort nicht mehr vom Unfallort zu entfernen. Denn wer von vornherein nicht zum Kreis der von Gesetzes wegen Unterlassungs- und Duldungspflichtigen gehört, kann nicht nachträglich infolge freiwilligen Handelns diesem Kreis zugerechnet werden.

2. Ansicht

Auch der Unfallbeteiligte, der erst nach dem Unfall am Unfallort eintrifft, kann sich nach § 142 I Nr. 1 StGB strafbar machen.3

Argumente für diese Ansicht

Auch der Unfallbeteiligte, der erst nach dem Unfall am Unfallort eintrifft, kann sich von diesem wieder entfernen.4

Die durch § 142 StGB statuierten Pflichten treffen jeden Unfallbeteiligten.5

So trifft die Pflicht nach § 142 StGB jeden, bei dem nach den Umständen in Frage kommt, dass sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat. Das kann aber auch der Unfallbeteiligte sein, der zum Zeitpunkt des Unfalls nicht zugegen war und erst später eintrifft (z.B. der Falschparker).

  • 1. Rengier, BT II, § 46, Rn. 10, Aufl. 16.; OLG Stuttgart, NStZ 92, 384.
  • 2. OLG Stuttgart, NStZ 92, 384 (385).
  • 3. Bertz in NStZ 92, 591 (592).
  • 4. Bertz in NStZ 92, 591 (592).
  • 5. Bertz in NStZ 92, 591 (592).
Vorlesung: 
Strafrecht BT I
Rechtsgebiet: 
Strafrecht

Welche Deliktsnatur weist § 142 I StGB auf?

Überblick

Während unstreitig ist, dass es sich bei § 142 II StGB um ein echtes Unterlassungsdelikt handelt, ist hinsichtlich § 142 I StGB umstritten, ob es sich dabei um ein zumindest „verkapptes“ Unterlassungsdelikt oder viel mehr um ein Begehungsdelikt handelt.1
Nimmt man an, dass es sich bei § 142 I StGB um ein Unterlassungsdelikt handelt, führt das dazu, dass die Zumutbarkeit der Handlung als regulatives Prinzip und mithin als Schuldelement anzuerkennen ist.2 Die Auswirkung dessen ist allerdings durch § 142 I Nr. 2 StGB begrenzt, da die Zumutbarkeit im Rahmen dessen bereits vertatbestandlicht ist.

  • 1. Rengier, BT II, § 46, Rn. 23, Aufl. 16.
  • 2. Fischer, StGB, § 142, Rn. 5, Aufl. 63.

1. Ansicht - Bei § 142 I StGB handelt es sich um ein echtes bzw. zumindest verkapptes Unterlassungsdelikt.1

Argumente für diese Ansicht

§ 142 I StGB ist tatbestandlich eher durch Verhaltensgebote geprägt, was die Annahme eines Unterlassungsdelikts nahe legt.

Zwar deutet die Tathandlung namentlich das Sichentfernen auf ein Begehungsdelikt hin, allerdings wird das Unrecht viel mehr durch die Verhaltensgebote wie die Feststellungsduldungs- und Vorstellungspflicht geprägt, sodass es näher liegt, ein (verkapptes) Unterlassungsdelikt anzunehmen.2 Im Kern wird dem Täter die Pflicht auferlegt, durch Verbleiben am Unfallort und durch die Angabe, an dem Unfall beteiligt zu sein, Ermittlungen an Ort und Stelle und mithin eine Unfallfeststellung zu ermöglichen.3

  • 1. Fischer, StGB, § 142, Rn. 5, Aufl. 63.; Lackner/Kühl, StGB, § 142, Rn. 9.; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 142, Rn. 2, Aufl. 29.; Rengier, BT II, § 46, Rn. 22a., Aufl. 16.
  • 2. Lackner/Kühl, StGB, § 142, Rn. 9.; Rengier, BT II, § 46, Rn. 22a., Aufl. 16.
  • 3. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 142, Rn. 2, Aufl. 29.; Fischer, StGB, § 142, Rn. 5, Aufl. 63.

2. Ansicht - Bei § 142 I StGB handelt es sich um ein Begehungsdelikt.1

Argumente für diese Ansicht

Die Tathandlung namentlich das Sichentfernen ist ebenso ein Begehungsdelikt wie das „Verlassen“ in § 221 StGB a.F. Und § 16 WstG.2

  • 1. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 49, Rn. 5, Aufl. 10.
  • 2. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 49, Rn. 5, Aufl. 10.

Überblick

Während unstreitig ist, dass es sich bei § 142 II StGB um ein echtes Unterlassungsdelikt handelt, ist hinsichtlich § 142 I StGB umstritten, ob es sich dabei um ein zumindest „verkapptes“ Unterlassungsdelikt oder viel mehr um ein Begehungsdelikt handelt.1
Nimmt man an, dass es sich bei § 142 I StGB um ein Unterlassungsdelikt handelt, führt das dazu, dass die Zumutbarkeit der Handlung als regulatives Prinzip und mithin als Schuldelement anzuerkennen ist.2 Die Auswirkung dessen ist allerdings durch § 142 I Nr. 2 StGB begrenzt, da die Zumutbarkeit im Rahmen dessen bereits vertatbestandlicht ist.

Die Ansichten und ihre Argumente

1. Ansicht - Bei § 142 I StGB handelt es sich um ein echtes bzw. zumindest verkapptes Unterlassungsdelikt.3

Argumente für diese Ansicht

§ 142 I StGB ist tatbestandlich eher durch Verhaltensgebote geprägt, was die Annahme eines Unterlassungsdelikts nahe legt.

Zwar deutet die Tathandlung namentlich das Sichentfernen auf ein Begehungsdelikt hin, allerdings wird das Unrecht viel mehr durch die Verhaltensgebote wie die Feststellungsduldungs- und Vorstellungspflicht geprägt, sodass es näher liegt, ein (verkapptes) Unterlassungsdelikt anzunehmen.4 Im Kern wird dem Täter die Pflicht auferlegt, durch Verbleiben am Unfallort und durch die Angabe, an dem Unfall beteiligt zu sein, Ermittlungen an Ort und Stelle und mithin eine Unfallfeststellung zu ermöglichen.5

2. Ansicht - Bei § 142 I StGB handelt es sich um ein Begehungsdelikt.6

Argumente für diese Ansicht

Die Tathandlung namentlich das Sichentfernen ist ebenso ein Begehungsdelikt wie das „Verlassen“ in § 221 StGB a.F. Und § 16 WstG.7

  • 1. Rengier, BT II, § 46, Rn. 23, Aufl. 16.
  • 2. Fischer, StGB, § 142, Rn. 5, Aufl. 63.
  • 3. Fischer, StGB, § 142, Rn. 5, Aufl. 63.; Lackner/Kühl, StGB, § 142, Rn. 9.; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 142, Rn. 2, Aufl. 29.; Rengier, BT II, § 46, Rn. 22a., Aufl. 16.
  • 4. Lackner/Kühl, StGB, § 142, Rn. 9.; Rengier, BT II, § 46, Rn. 22a., Aufl. 16.
  • 5. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 142, Rn. 2, Aufl. 29.; Fischer, StGB, § 142, Rn. 5, Aufl. 63.
  • 6. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 49, Rn. 5, Aufl. 10.
  • 7. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 49, Rn. 5, Aufl. 10.
Vorlesung: 
Strafrecht BT I
Rechtsgebiet: 
Strafrecht

Entfernt sich auch derjenige nach § 142 II Nr. 2 berechtigt oder entschuldigt, der sich dahingehend in einem Erlaubnistatbestandsirrtum befindet?

Überblick

Nach § 142 I wird laut § 142 II Nr. 2 StGB auch derjenige bestraft, der sich zwar vorab berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, die Feststellung aber nicht unverzüglich nachholt. Berechtigt iSd. § 142 II Nr. 2 StGB entfernt sich der, für den Rechtfertigungsgründe eingreifen. Entsprechend entfernt sich der Täter entschuldigt, wenn dieser ohne Schuld gehandelt hat, da insoweit Entschuldigungs- oder Schuldausschließungsgründe eingreifen.
Fraglich ist nun, ob die Pflicht, die Feststellung nachzuholen, auch denjenigen Täter trifft, der hinsichtlich der berechtigenden oder entschuldigenden Umstände einem Erlaubnistatbestandsirrtum unterlegen hat.

1. Ansicht

Auch der Täter, der sich in einem Erlaubnistatbestandsirrtum befindet, entfernt sich entschuldigt oder berechtigt vom Unfallort. Daher trifft diesen auch die Pflicht, die Unfallfeststellung nachzuholen.1

Argumente für diese Ansicht

Die irrtümliche Annahme der tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes ist dem Fall eines tatsächlich bestehenden Grundes gleichzusetzen.2

Auch bei einer irrigen Annahme erreicht den Täter der „Appell der Unfallsituation“3 ebenso wie, wenn die rechtfertigenden oder entschuldigenden Umstände tatsächlich vorlägen.

Insoweit besteht zwischen beiden Situationen eine gewisse sachliche Vergleichbarkeit, die die Gleichstellung, mit der Folge der nachträglichen Feststellungspflicht auch eines sich in einem Erlaubnistatbestandsirrtum befindlichen Täters, rechtfertigt.4

Es leuchtet nicht ein, wieso derjenige, der sich das Bestehen eines Rechtfertigungsgrundes nur vorstellt, besser gestellt werden soll als derjenige, bei dem ein Rechtfertigungsgrund tatsächlich vorliegt.5

  • 1. BGHSt 28, 134.; Fischer, StGB, § 142, Rn. 50, Aufl. 63.; Rengier, BT II, § 46, Rn. 25a., Aufl. 16.; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 142, Rn. 55.; NK/Schild, StGB, § 142, Rn. 131, Aufl. 4.
  • 2. BGHSt 28, 134.; Fischer, StGB, § 142, Rn. 50, Aufl. 63.
  • 3. NK/Schild, StGB, § 142, Rn. 131, Aufl. 4.
  • 4. NK/Schild, StGB, § 142, Rn. 131, Aufl. 4.
  • 5. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 142, Rn. 55.

2. Ansicht

Soweit der Täter irrtümlich von einem Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes ausgeht, entfernt er sich nicht berechtigt oder entschuldigt iSd. § 142 II Nr. 2 StGB, sodass ihn auch nicht die Pflicht trifft, die Unfallfeststellung nachträglich nachzuholen.1

Argumente für diese Ansicht

Die Einbeziehung auch desjenigen Täters, der sich hinsichtlich eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes in einem Irrtum befindet, führt zu einer Ausweitung des Tatbestandes und widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes.

Bei einer systematischen Trennung der Pflichten nach Abs. 1 und Abs. 2, führt die Einbeziehung des Täters, der einem Erlaubnistatbestandsirrtum unterliegt im Ergebnis zu einer Ausweitung der Handlungspflichten auf einen Unfallbeteiligten gegen den Wortlaut des Gesetzes. Der Gesetzgeber hat die in Abs. 2 normierte Pflicht nicht ohne Grund an das Vorliegen tatsächlicher und nicht nur eingebildeter Notsituationen gebunden. Wenn eine solche Situation nur nach der Vorstellung der Täters gegeben ist, stellt sich schon die Frage des Verstoßes gegen die Pflicht aus § 142 Abs. 1 StGB.2

  • 1. Dornseifer in JZ 80, 299 (303).
  • 2. Dornseifer in JZ 80, 299 (303).

Überblick

Nach § 142 I wird laut § 142 II Nr. 2 StGB auch derjenige bestraft, der sich zwar vorab berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, die Feststellung aber nicht unverzüglich nachholt. Berechtigt iSd. § 142 II Nr. 2 StGB entfernt sich der, für den Rechtfertigungsgründe eingreifen. Entsprechend entfernt sich der Täter entschuldigt, wenn dieser ohne Schuld gehandelt hat, da insoweit Entschuldigungs- oder Schuldausschließungsgründe eingreifen.
Fraglich ist nun, ob die Pflicht, die Feststellung nachzuholen, auch denjenigen Täter trifft, der hinsichtlich der berechtigenden oder entschuldigenden Umstände einem Erlaubnistatbestandsirrtum unterlegen hat.

Die Ansichten und ihre Argumente

1. Ansicht

Auch der Täter, der sich in einem Erlaubnistatbestandsirrtum befindet, entfernt sich entschuldigt oder berechtigt vom Unfallort. Daher trifft diesen auch die Pflicht, die Unfallfeststellung nachzuholen.1

Argumente für diese Ansicht

Die irrtümliche Annahme der tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes ist dem Fall eines tatsächlich bestehenden Grundes gleichzusetzen.2

Auch bei einer irrigen Annahme erreicht den Täter der „Appell der Unfallsituation“3 ebenso wie, wenn die rechtfertigenden oder entschuldigenden Umstände tatsächlich vorlägen.

Insoweit besteht zwischen beiden Situationen eine gewisse sachliche Vergleichbarkeit, die die Gleichstellung, mit der Folge der nachträglichen Feststellungspflicht auch eines sich in einem Erlaubnistatbestandsirrtum befindlichen Täters, rechtfertigt.4

Es leuchtet nicht ein, wieso derjenige, der sich das Bestehen eines Rechtfertigungsgrundes nur vorstellt, besser gestellt werden soll als derjenige, bei dem ein Rechtfertigungsgrund tatsächlich vorliegt.5

2. Ansicht

Soweit der Täter irrtümlich von einem Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes ausgeht, entfernt er sich nicht berechtigt oder entschuldigt iSd. § 142 II Nr. 2 StGB, sodass ihn auch nicht die Pflicht trifft, die Unfallfeststellung nachträglich nachzuholen.6

Argumente für diese Ansicht

Die Einbeziehung auch desjenigen Täters, der sich hinsichtlich eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes in einem Irrtum befindet, führt zu einer Ausweitung des Tatbestandes und widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes.

Bei einer systematischen Trennung der Pflichten nach Abs. 1 und Abs. 2, führt die Einbeziehung des Täters, der einem Erlaubnistatbestandsirrtum unterliegt im Ergebnis zu einer Ausweitung der Handlungspflichten auf einen Unfallbeteiligten gegen den Wortlaut des Gesetzes. Der Gesetzgeber hat die in Abs. 2 normierte Pflicht nicht ohne Grund an das Vorliegen tatsächlicher und nicht nur eingebildeter Notsituationen gebunden. Wenn eine solche Situation nur nach der Vorstellung der Täters gegeben ist, stellt sich schon die Frage des Verstoßes gegen die Pflicht aus § 142 Abs. 1 StGB.7

  • 1. BGHSt 28, 134.; Fischer, StGB, § 142, Rn. 50, Aufl. 63.; Rengier, BT II, § 46, Rn. 25a., Aufl. 16.; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 142, Rn. 55.; NK/Schild, StGB, § 142, Rn. 131, Aufl. 4.
  • 2. BGHSt 28, 134.; Fischer, StGB, § 142, Rn. 50, Aufl. 63.
  • 3. NK/Schild, StGB, § 142, Rn. 131, Aufl. 4.
  • 4. NK/Schild, StGB, § 142, Rn. 131, Aufl. 4.
  • 5. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 142, Rn. 55.
  • 6. Dornseifer in JZ 80, 299 (303).
  • 7. Dornseifer in JZ 80, 299 (303).
Vorlesung: 
Strafrecht BT I
Rechtsgebiet: 
Strafrecht

Entfernt sich dem § 142 II Nr. 2 StGB entsprechend auch derjenige, der ohne oder gegen seinen Willen vom Unfallort entfernt wird?

Überblick

Fraglich ist, ob auch ein Verhalten bzw. das Sichentfernen, das gar nicht vom Willen des Täters getragen ist unter § 142 II Nr. 2 StGB fällt. Von dem unvorsätzlichen Sichentfernen ist diese Konstellation dadurch zu unterscheiden, dass hier z.B. mangels Bewusstsein oder durch Zwang überhaupt kein Vorsatz hätte gebildet werden können. Unstreitig ist allerdings, dass ein solches Verhalten nicht nach § 142 I StGB strafbar ist.1

  • 1. MüKo/Zopfs, StGB, § 142, Rn. 106, Aufl. 2.

1. Ansicht

Derjenige, der ohne oder gegen seinen Willen vom Unfallort entfernt wird, entfernt sich nicht im Sinne des § 142 II Nr. 2 StGB.1

Argumente für diese Ansicht

Erst-Recht-Schluss

Wenn schon denjenigen die Pflichten aus § 142 II Nr. 2 StGB nicht treffen, der sich unvorsätzlich vom Unfallort entfernt, so gilt dies erst recht für den, der gegen seinen Willen vom Unfallort entfernt wird und damit gar nicht die Möglichkeit hatte, einen Vorsatz zu bilden.2 (Siehe dazu den vorangegangenen Meinungsstreit)

Ein nicht vom Willen getragenes Verhalten kann fachsprachlich nicht als „berechtigt“ oder „entschuldigt“ verstanden werden.3

Der Wortlaut „Sichentfernen“ kann nicht mit „Entferntwerden“ gleichgesetzt werden.4

Auf die Diskussion, ob das nicht vom Willen getragene Entferntwerden unter die Begriffe „berechtigt“ oder „entschuldigt“ subsumiert werden kann, kommt es nicht an, da bereits das Tatbestandsmerkmal des Sichentfernens nicht gegeben ist. Das Entferntwerden ist nicht als Sichentfernen zu werten.5

  • 1. Folgt zwangsläufig aus: BVerfG NJW 07, 1666ff.; Lackner/Kühl, StGB, § 142, Rn. 25, Aufl. 28.; Rengier, BT II, § 46, Rn. 31, Aufl. 16.; MüKo/Zopfs, StGB, § 142, Rn. 106, Aufl. 2.
  • 2. Lackner/Kühl, StGB, § 142, Rn. 25, Aufl. 28.; Rengier, BT II, § 46, Rn. 31, Aufl. 16.
  • 3. Rengier, BT II, § 46, Rn. 31, Aufl. 16.
  • 4. Rengier, BT II, § 46, Rn. 31, Aufl. 16.
  • 5. MüKo/Zopfs, StGB, § 142, Rn. 106, Aufl. 2.

2. Ansicht

Der Unfallbeteiligte ist auch in diesem Fall nach § 142 II Nr. 2 StGB dazu verpflichtet, die Unfallfeststellung nachzuholen.1 (Diese Auffassung lehnt sich an die frühere Rechtsprechung des BGH an: BGHSt 28, 129. Siehe dazu abermals den vorangegangen Meinungsstreit.)

Argumente für diese Ansicht

Dies besagt bereits die Rechtsprechung mit BGHSt 28, 129.

Wenn man danach das Tatbestandsmerkmal „berechtigt“ oder „entschuldigt“ nicht nur dahin auslegt, dass es nur Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe umfasst, besteht kein Hindernis, darunter auch den Fall zu subsumieren, dass die Entfernung nicht auf einer vom Willen getragenen eigenen Handlung des Täters, sondern auf dem Eingreifen eines Dritten beruht.2

Das Entferntwerden schließt ein Sichentfernen iSd. § 142 II Nr. 2 StGB nicht aus.

Dass der Gesetzgeber das Tatbestandsmerkmal in der Aktivform gefasst hat, bedeutet nicht, dass er den Fall der gewaltsamen Entfernung durch einen Dritten aus dem Anwendungsbereich herausnehmen wollte.3

  • 1. BayObLG NJW 82, 1059ff.
  • 2. BayObLG NJW 82, 1059 (1060).
  • 3. BayObLG NJW 82, 1059 (1060).

Überblick

Fraglich ist, ob auch ein Verhalten bzw. das Sichentfernen, das gar nicht vom Willen des Täters getragen ist unter § 142 II Nr. 2 StGB fällt. Von dem unvorsätzlichen Sichentfernen ist diese Konstellation dadurch zu unterscheiden, dass hier z.B. mangels Bewusstsein oder durch Zwang überhaupt kein Vorsatz hätte gebildet werden können. Unstreitig ist allerdings, dass ein solches Verhalten nicht nach § 142 I StGB strafbar ist.1

Die Ansichten und ihre Argumente

1. Ansicht

Derjenige, der ohne oder gegen seinen Willen vom Unfallort entfernt wird, entfernt sich nicht im Sinne des § 142 II Nr. 2 StGB.2

Argumente für diese Ansicht

Erst-Recht-Schluss

Wenn schon denjenigen die Pflichten aus § 142 II Nr. 2 StGB nicht treffen, der sich unvorsätzlich vom Unfallort entfernt, so gilt dies erst recht für den, der gegen seinen Willen vom Unfallort entfernt wird und damit gar nicht die Möglichkeit hatte, einen Vorsatz zu bilden.3 (Siehe dazu den vorangegangenen Meinungsstreit)

Ein nicht vom Willen getragenes Verhalten kann fachsprachlich nicht als „berechtigt“ oder „entschuldigt“ verstanden werden.4

Der Wortlaut „Sichentfernen“ kann nicht mit „Entferntwerden“ gleichgesetzt werden.5

Auf die Diskussion, ob das nicht vom Willen getragene Entferntwerden unter die Begriffe „berechtigt“ oder „entschuldigt“ subsumiert werden kann, kommt es nicht an, da bereits das Tatbestandsmerkmal des Sichentfernens nicht gegeben ist. Das Entferntwerden ist nicht als Sichentfernen zu werten.6

2. Ansicht

Der Unfallbeteiligte ist auch in diesem Fall nach § 142 II Nr. 2 StGB dazu verpflichtet, die Unfallfeststellung nachzuholen.7 (Diese Auffassung lehnt sich an die frühere Rechtsprechung des BGH an: BGHSt 28, 129. Siehe dazu abermals den vorangegangen Meinungsstreit.)

Argumente für diese Ansicht

Dies besagt bereits die Rechtsprechung mit BGHSt 28, 129.

Wenn man danach das Tatbestandsmerkmal „berechtigt“ oder „entschuldigt“ nicht nur dahin auslegt, dass es nur Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe umfasst, besteht kein Hindernis, darunter auch den Fall zu subsumieren, dass die Entfernung nicht auf einer vom Willen getragenen eigenen Handlung des Täters, sondern auf dem Eingreifen eines Dritten beruht.8

Das Entferntwerden schließt ein Sichentfernen iSd. § 142 II Nr. 2 StGB nicht aus.

Dass der Gesetzgeber das Tatbestandsmerkmal in der Aktivform gefasst hat, bedeutet nicht, dass er den Fall der gewaltsamen Entfernung durch einen Dritten aus dem Anwendungsbereich herausnehmen wollte.9

  • 1. MüKo/Zopfs, StGB, § 142, Rn. 106, Aufl. 2.
  • 2. Folgt zwangsläufig aus: BVerfG NJW 07, 1666ff.; Lackner/Kühl, StGB, § 142, Rn. 25, Aufl. 28.; Rengier, BT II, § 46, Rn. 31, Aufl. 16.; MüKo/Zopfs, StGB, § 142, Rn. 106, Aufl. 2.
  • 3. Lackner/Kühl, StGB, § 142, Rn. 25, Aufl. 28.; Rengier, BT II, § 46, Rn. 31, Aufl. 16.
  • 4. Rengier, BT II, § 46, Rn. 31, Aufl. 16.
  • 5. Rengier, BT II, § 46, Rn. 31, Aufl. 16.
  • 6. MüKo/Zopfs, StGB, § 142, Rn. 106, Aufl. 2.
  • 7. BayObLG NJW 82, 1059ff.
  • 8. BayObLG NJW 82, 1059 (1060).
  • 9. BayObLG NJW 82, 1059 (1060).
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Entfernt sich der Täter iSd. § 142 II Nr. 2 StGB entschuldigt, wenn er § 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB im Vollrausch (§ 323a StGB) begeht?

Überblick

Umstritten ist, ob sich derjenige Täter iSd. § 142 II Nr. 2 StGB entschuldigt von Unfallort entfernt, wenn er § 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB im Vollrausch (§ 323a StGB) begeht. Würde man dies bejahen, dann würde den Vollrauschtäter die Pflicht treffen, die Unfallfeststellung zu ermöglichen, sobald er wieder nüchtern ist. Voraussetzung wäre mithin, dass der Vollrausch einen den Täter entschuldigenden Zustand hervorruft.

1. Ansicht

Der sich im Vollrausch entfernende Täter, entfernt sich nicht entschuldigt iSd. § 142 II Nr. 2 StGB vom Unfallort. Ihn trifft mithin auch nicht die Pflicht, die Unfallfeststellung zu ermöglichen.1

Argumente für diese Ansicht

Der Vollrausch stellt keinen Entschuldigungsgrund entsprechend der §§ 33, 35 StGB dar.

Der Begriff „entschuldigt“ erfasst lediglich die in §§ 33, 35 StGB aufgeführten Entschuldigungsgründe. Da der Vollrausch nach § 323a StGB kein solcher Entschuldigungsgrund ist, kommt auch eine Pflicht nach § 142 II Nr. 2 StGB nicht in Betracht.2

Der Täter macht sich bereits nach §§ 323a iVm. 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB strafbar.

Wegen des Sichentfernens im Zustand des Vollrauschs macht sich der Täter bereits nach §§ 323a iVm. 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB strafbar. Da es sich bei § 142 II StGB lediglich um einen Auffangtatbestand handelt, der Täter erfassen soll, die sich in nicht strafbarer Weise vom Unfallort entfernt haben, ist § 142 II StGB nicht anzuwenden.3

  • 1. Im Ergebnis: Rengier, BT II, § 46, Rn. 32, Aufl. 16.
  • 2. Satzger in Jura 13, 355 f.
  • 3. Rengier, BT II, § 46, Rn. 32, Aufl. 16.

2. Ansicht

Der sich im Vollrausch entfernende Täter, entfernt sich entschuldigt vom Unfallort. Ihn trifft mithin auch nicht die Pflicht nach § 142 II Nr. 2 StGB, die Unfallfeststellung zu ermöglichen.1

Argumente für diese Ansicht

Der Begriff „entschuldigt“ erfasst nicht nur die Entschuldigungsgründe nach §§ 33, 35 StGB, sondern auch den Zustand von (vorübergehender) Schuldunfähigkeit iSd. § 20 StGB.2

Somit muss auch der Vollrauschzustand grundsätzlich entschuldigende Umstände und somit eine nachträgliche Pflicht zur Unfallfeststellung begründen.

Es ist nicht ersichtlich, wieso die vorübergehende Schuldunfähigkeit – insbesondere der Vollrausch – im Rahmen des § 142 II Nr. 2 StGB einer Sonderbehandlung bedarf.3

  • 1. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 49, Rn. 53, Aufl. 10.; Dornseifer in JZ 80, 299 (303).
  • 2. Berz in Jura 79, 127.
  • 3. Dornseifer in JZ 80, 299 (303).

Überblick

Umstritten ist, ob sich derjenige Täter iSd. § 142 II Nr. 2 StGB entschuldigt von Unfallort entfernt, wenn er § 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB im Vollrausch (§ 323a StGB) begeht. Würde man dies bejahen, dann würde den Vollrauschtäter die Pflicht treffen, die Unfallfeststellung zu ermöglichen, sobald er wieder nüchtern ist. Voraussetzung wäre mithin, dass der Vollrausch einen den Täter entschuldigenden Zustand hervorruft.

Die Ansichten und ihre Argumente

1. Ansicht

Der sich im Vollrausch entfernende Täter, entfernt sich nicht entschuldigt iSd. § 142 II Nr. 2 StGB vom Unfallort. Ihn trifft mithin auch nicht die Pflicht, die Unfallfeststellung zu ermöglichen.1

Argumente für diese Ansicht

Der Vollrausch stellt keinen Entschuldigungsgrund entsprechend der §§ 33, 35 StGB dar.

Der Begriff „entschuldigt“ erfasst lediglich die in §§ 33, 35 StGB aufgeführten Entschuldigungsgründe. Da der Vollrausch nach § 323a StGB kein solcher Entschuldigungsgrund ist, kommt auch eine Pflicht nach § 142 II Nr. 2 StGB nicht in Betracht.2

Der Täter macht sich bereits nach §§ 323a iVm. 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB strafbar.

Wegen des Sichentfernens im Zustand des Vollrauschs macht sich der Täter bereits nach §§ 323a iVm. 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB strafbar. Da es sich bei § 142 II StGB lediglich um einen Auffangtatbestand handelt, der Täter erfassen soll, die sich in nicht strafbarer Weise vom Unfallort entfernt haben, ist § 142 II StGB nicht anzuwenden.3

2. Ansicht

Der sich im Vollrausch entfernende Täter, entfernt sich entschuldigt vom Unfallort. Ihn trifft mithin auch nicht die Pflicht nach § 142 II Nr. 2 StGB, die Unfallfeststellung zu ermöglichen.4

Argumente für diese Ansicht

Der Begriff „entschuldigt“ erfasst nicht nur die Entschuldigungsgründe nach §§ 33, 35 StGB, sondern auch den Zustand von (vorübergehender) Schuldunfähigkeit iSd. § 20 StGB.5

Somit muss auch der Vollrauschzustand grundsätzlich entschuldigende Umstände und somit eine nachträgliche Pflicht zur Unfallfeststellung begründen.

Es ist nicht ersichtlich, wieso die vorübergehende Schuldunfähigkeit – insbesondere der Vollrausch – im Rahmen des § 142 II Nr. 2 StGB einer Sonderbehandlung bedarf.6

  • 1. Im Ergebnis: Rengier, BT II, § 46, Rn. 32, Aufl. 16.
  • 2. Satzger in Jura 13, 355 f.
  • 3. Rengier, BT II, § 46, Rn. 32, Aufl. 16.
  • 4. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 49, Rn. 53, Aufl. 10.; Dornseifer in JZ 80, 299 (303).
  • 5. Berz in Jura 79, 127.
  • 6. Dornseifer in JZ 80, 299 (303).
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Strafrecht BT I
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