Begründetheit der Verfassungsbeschwerde bzgl. der Gleichheitsrechte aus Art. 3 GG

Art 3 GG

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. 

Schema zur Begründetheit der Verfassungsbeschwerde bzgl. der Gleichheitsrechte aus Art. 3 I GG

Gleiches darf nicht wesentlich ungleich, Ungleiches darf nicht wesentlich gleich behandelt werden!

I. Ungleichbehandlung von wesentliche gleichen Sachverhalten ODER Gleichbehandlung von wesentlich ungleichen Sachverhalten

Liegt vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.“

II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

1. Zulässiges Differenzierungs- / Gleichbehandlungsziel

2. Zulässiges Differenzierungs- / Gleichbehandlungskriterium

3. Sachgerechtes Verhältnis zwischen Ziel und Kriterium

a) Nicht sachfremd und nicht willkürlich

Willkürlich: Wenn keine vernünftigen Erwägungen gegeben sind.

b) Geeignet und angemessen

Vorlesung: 
Grundrechte
Rechtsgebiet: 
Öffentliches Recht
Zweittitel: 
Begründetheit der Verfassungsbeschwerde bzgl. der Gleichheitsrechte aus Art. 3 I GG
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Welche Anforderungen werden an die Rechtfertigung in Art. 3 I GG gestellt?

Überblick

m Rahmen der Rechtfertigung in Art. 3 I GG gibt es verschiedene Ansichten welche Anforderungen an diese zu stellen sind. Eine Meinung geht vom Willkürverbot aus, eine andere,neuere Meinung setzt eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung voraus, um die Ungleichbehandlung festzustellen.

1. Ansicht - Willkürverbot1

Nach dieser Ansicht ist der Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG dann verletzt, wenn wesentlich Gleiches ungleich und wesentlich Ungleiches gleich behandelt wird, ohne dass sich hierfür ein aus der Natur der Sache ergebender oder anderweitig sachlicher Grund finden lässt.

Argumente für diese Ansicht

Reine Willkürprüfung

Eine über die Maßstäbe der Willkür hinausgehende Prüfung wäre gleichbedeutend mit einer Über- und Befrachtung von Gerechtigkeitsvorstellungen. Über die Willkürgrenze hinausgehende Rechtfertigungsanforderungen zu stellen, birgt die Gefahr, die Gesetzgebung in ihrer politischen Gestaltungsaufgabe einzuengen und die Gerechtigkeitsvorstellungen des Gesetzgeber durch eigene zu ersetzen. Der Maßstab des Art. 3 I GG muss sich jedoch darauf beschränken, eine Ungleichbehandlung auf eine mögliche Willkürlichkeit hin zu überprüfen, andernfalls würde diese Prüfung aktuelle politische Entwicklungen widerspiegeln.

Verhältnismäßigkeitsprüfung unpassend

Im Rahmen des Art. 3 I GG ist eine Prüfung nach Eingriff in den Schutzbereich und die daran anschließende Verhältnismäßigkeitsprüfung unpassend. Bei einer Ungleichbehandlung kann nicht die Verhältnismäßigkeit einer Belastung geprüft werden, es mangelt schon an einem Bezugspunkt welcher jedoch bei der Ungleichbehandlung berührt wird.

  • 1. vertreten von: BverfGE 1,14 (52);Maunz/Dürig, 56. Auflage 2009, Art. 3 I GG,Rn. 282.

2. Ansicht - Neue Formel des BVerfG1

Nach dieser Ansicht ist zwischen den Ungleichbehandlungen zu unterscheiden. Eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dann anzuwenden, wenn eine Ungleichbehandlung den Betroffenen intensiv betreffen. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Kriterium der Ungleichbehandlung personenbezogen ist oder aber wenn die Ungleichbehandlung sich auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirkt.
In diesen Fällen ist zunächst das Differenzierungsziel als solches auf seine verfassungsrechtliche Zulässigkeit zu prüfen und sodann das Differenzierungskriterium auf seine verfassungsrechtliche Zulässigkeit zu prüfen. Abschließend muss das Differenzierungskriterium im Hinblick auf das Differenzierungsziel geeignet, notwendig und angemessen sein.

Argumente für diese Ansicht

Keine Vergleichsgruppen - Gefahr eigener Wertung

Bei einer reinen Willkürprüfung mangelt es schon an an einer Mehrheit von zu bildenden Vergleichsgruppen. Bedingt durch diesen Mangel birgt die Offenheit dieses Prüfungsmaßstabes die Gefahr, dass eigene Wertungen an die Stelle des Gesetzgebers treten.

Ermessensspielraum

Der Gesetzgeber braucht einen Ermessensspielraum, da bei Ungleichbehandlungen ihrer Natur nach auch immer Freiheitsbeschränkungen beinhalten, diese sind jedoch im Rahmen der gesetzgeberischen Regelungen und Gestaltungen notwendig. Es ist daher zwischen intensiven und weniger intensiven Eingriffen zu unterscheiden, um dem Gesetzgeber einen Ermessensspielraum zu ermöglichen.

  • 1. vertreten von: BVerfGE 105, 73 (110 f.); BverfGE 101, 54 (101).

Überblick

m Rahmen der Rechtfertigung in Art. 3 I GG gibt es verschiedene Ansichten welche Anforderungen an diese zu stellen sind. Eine Meinung geht vom Willkürverbot aus, eine andere,neuere Meinung setzt eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung voraus, um die Ungleichbehandlung festzustellen.

Die Meinungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Willkürverbot1

Nach dieser Ansicht ist der Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG dann verletzt, wenn wesentlich Gleiches ungleich und wesentlich Ungleiches gleich behandelt wird, ohne dass sich hierfür ein aus der Natur der Sache ergebender oder anderweitig sachlicher Grund finden lässt.

Argumente für diese Ansicht

Reine Willkürprüfung

Eine über die Maßstäbe der Willkür hinausgehende Prüfung wäre gleichbedeutend mit einer Über- und Befrachtung von Gerechtigkeitsvorstellungen. Über die Willkürgrenze hinausgehende Rechtfertigungsanforderungen zu stellen, birgt die Gefahr, die Gesetzgebung in ihrer politischen Gestaltungsaufgabe einzuengen und die Gerechtigkeitsvorstellungen des Gesetzgeber durch eigene zu ersetzen. Der Maßstab des Art. 3 I GG muss sich jedoch darauf beschränken, eine Ungleichbehandlung auf eine mögliche Willkürlichkeit hin zu überprüfen, andernfalls würde diese Prüfung aktuelle politische Entwicklungen widerspiegeln.

Verhältnismäßigkeitsprüfung unpassend

Im Rahmen des Art. 3 I GG ist eine Prüfung nach Eingriff in den Schutzbereich und die daran anschließende Verhältnismäßigkeitsprüfung unpassend. Bei einer Ungleichbehandlung kann nicht die Verhältnismäßigkeit einer Belastung geprüft werden, es mangelt schon an einem Bezugspunkt welcher jedoch bei der Ungleichbehandlung berührt wird.

2. Ansicht - Neue Formel des BVerfG2

Nach dieser Ansicht ist zwischen den Ungleichbehandlungen zu unterscheiden. Eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dann anzuwenden, wenn eine Ungleichbehandlung den Betroffenen intensiv betreffen. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Kriterium der Ungleichbehandlung personenbezogen ist oder aber wenn die Ungleichbehandlung sich auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirkt.
In diesen Fällen ist zunächst das Differenzierungsziel als solches auf seine verfassungsrechtliche Zulässigkeit zu prüfen und sodann das Differenzierungskriterium auf seine verfassungsrechtliche Zulässigkeit zu prüfen. Abschließend muss das Differenzierungskriterium im Hinblick auf das Differenzierungsziel geeignet, notwendig und angemessen sein.

Argumente für diese Ansicht

Keine Vergleichsgruppen - Gefahr eigener Wertung

Bei einer reinen Willkürprüfung mangelt es schon an an einer Mehrheit von zu bildenden Vergleichsgruppen. Bedingt durch diesen Mangel birgt die Offenheit dieses Prüfungsmaßstabes die Gefahr, dass eigene Wertungen an die Stelle des Gesetzgebers treten.

Ermessensspielraum

Der Gesetzgeber braucht einen Ermessensspielraum, da bei Ungleichbehandlungen ihrer Natur nach auch immer Freiheitsbeschränkungen beinhalten, diese sind jedoch im Rahmen der gesetzgeberischen Regelungen und Gestaltungen notwendig. Es ist daher zwischen intensiven und weniger intensiven Eingriffen zu unterscheiden, um dem Gesetzgeber einen Ermessensspielraum zu ermöglichen.

  • 1. vertreten von: BverfGE 1,14 (52);Maunz/Dürig, 56. Auflage 2009, Art. 3 I GG,Rn. 282.
  • 2. vertreten von: BVerfGE 105, 73 (110 f.); BverfGE 101, 54 (101).
Vorlesung: 
Grundrechte
Rechtsgebiet: 
Öffentliches Recht

Gibt es eine Gleichheit im Unrecht?

Überblick

Eine immer wieder gern genommene Frage ist die, ob es eine Gleichheit im Unrecht geben kann. Einen Anspruch auf Fehlerwiederholung der Verwaltung und damit auch einen Ausschluss der Gleichheit im Unrecht, sieht eine Meinung als richtig an. Ihr hält eine Gegenmeinung entgegen, dass ein Anspruch auf die Gleichheit im Unrecht je nach Einzelfall sehr wohl bestehen kann.

1. Ansicht - Ablehnende Meinung1

Nach dieser Meinung kann es keine Gleichheit im Unrecht geben, es gibt keinen Anspruch auf Fehlerwiederholung gegen die Verwaltung.

Argumente für diese Ansicht

Art. 20 III GG

Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aus Art. 20 III GG widerspricht einer Gleichheit im Unrecht. Würde es einen Gleichbehandlungsanspruch im Unrecht geben, wäre für die Verwaltung die Rückkehr zur Gesetzmäßigkeit erschwert oder gar unmöglich gemacht. Denn die Verwaltung wäre dann dazu verpflichtet ihr gesetzwidriges Handeln zu wiederholen.

Art. 3 I GG

Der Wortlaut des Art. 3 I GG beinhaltet eine Gleichheit vor dem Gesetz. Würde dies auch eine Gleichheit im Unrecht umfassen, müsste es jedoch „entgegen dem Gesetz“ lauten. Denn nichts anderes wäre eine Gleichheit im Unrecht.

Art. 97 I GG

Der Richter ist gem. Art. 97 I GG an das Gesetz gebunden. Gäbe es eine Gleichheit im Unrecht, wäre der Richter jedoch an das tatsächliche Handeln der Verwaltung gebunden. Dies würde aber einen Verstoß gegen Art. 97 I GG darstellen.

  • 1. BVerfGE 50, 142 (166);BVerwGE 5, 1 (8).

2. Ansicht - Differenzierende Meinung1

Nach dieser Meinung gibt es zwar grundsätzlich keinen generellen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht, jedoch kann im Einzelfall ein solcher Anspruch bestehen. Dies wäre insbesondere dann der Fall wenn ein überwiegend schutzwürdiges Vertrauen bestünde, welches das gesetzwidrige Handeln der Verwaltung gebietet oder die Versagung einer Gleichbehandlung im Unrecht einen unerträglichen Wettbewerbsnachteil beinhalte.

Argumente für diese Ansicht

Nachteilsausgleich

Grundsätzlich ist die Verwaltung auch ein Garant für die Rechtsanwendungsgleichheit. Die Gesetzesbindung der Verwaltung versagt jedoch, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendungsgleichheit immer zu Lasten desjenigen ausgeht, in dessen Fall gesetzmäßig gehandelt wird. Es muss also möglich sein im Sinne eines Nachteilsausgleichs eine Gleichheit im Unrecht in Einzelfällen herzustellen.

Vertrauensschutz

Liegen im Einzelfall konkrete Anzeichen eines Vertrauensschutzes vor, muss die Verwaltung eine Gleichheit im Unrecht gewähren. Denn der Vertrauensschutz ist ebenso ein Verfassungsprinzip wie auch die Gesetzbindung der Verwaltung.

Einzelfallprüfung

Insbesondere im Subventionsrecht ist im Einzelfall eine Gleichheit im Unrecht angebracht. Erhält ein Konkurrent fälschlicherweise Subventionen und der Mitbewerber aufgrund der gesetzmäßigen Handlung der Verwaltung nicht, so stellt dies einen Wettbewerbsnachteil dar der so nicht hingenommen werden kann. Insofern ist im Einzelfall abzuwägen, ob hier angesichts der Wettbewerbssituation eine Gleichheit im Unrecht angebracht ist.

  • 1. Berg, JuS 1980, 418 (420 ff.); Hufen, Staatsrecht II - Grundrechte, 4. Auflage 2014, § 39, Rn. 27.

Überblick

Eine immer wieder gern genommene Frage ist die, ob es eine Gleichheit im Unrecht geben kann. Einen Anspruch auf Fehlerwiederholung der Verwaltung und damit auch einen Ausschluss der Gleichheit im Unrecht, sieht eine Meinung als richtig an. Ihr hält eine Gegenmeinung entgegen, dass ein Anspruch auf die Gleichheit im Unrecht je nach Einzelfall sehr wohl bestehen kann.

Die Meinungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Ablehnende Meinung1

Nach dieser Meinung kann es keine Gleichheit im Unrecht geben, es gibt keinen Anspruch auf Fehlerwiederholung gegen die Verwaltung.

Argumente für diese Ansicht

Art. 20 III GG

Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aus Art. 20 III GG widerspricht einer Gleichheit im Unrecht. Würde es einen Gleichbehandlungsanspruch im Unrecht geben, wäre für die Verwaltung die Rückkehr zur Gesetzmäßigkeit erschwert oder gar unmöglich gemacht. Denn die Verwaltung wäre dann dazu verpflichtet ihr gesetzwidriges Handeln zu wiederholen.

Art. 3 I GG

Der Wortlaut des Art. 3 I GG beinhaltet eine Gleichheit vor dem Gesetz. Würde dies auch eine Gleichheit im Unrecht umfassen, müsste es jedoch „entgegen dem Gesetz“ lauten. Denn nichts anderes wäre eine Gleichheit im Unrecht.

Art. 97 I GG

Der Richter ist gem. Art. 97 I GG an das Gesetz gebunden. Gäbe es eine Gleichheit im Unrecht, wäre der Richter jedoch an das tatsächliche Handeln der Verwaltung gebunden. Dies würde aber einen Verstoß gegen Art. 97 I GG darstellen.

2. Ansicht - Differenzierende Meinung2

Nach dieser Meinung gibt es zwar grundsätzlich keinen generellen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht, jedoch kann im Einzelfall ein solcher Anspruch bestehen. Dies wäre insbesondere dann der Fall wenn ein überwiegend schutzwürdiges Vertrauen bestünde, welches das gesetzwidrige Handeln der Verwaltung gebietet oder die Versagung einer Gleichbehandlung im Unrecht einen unerträglichen Wettbewerbsnachteil beinhalte.

Argumente für diese Ansicht

Nachteilsausgleich

Grundsätzlich ist die Verwaltung auch ein Garant für die Rechtsanwendungsgleichheit. Die Gesetzesbindung der Verwaltung versagt jedoch, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendungsgleichheit immer zu Lasten desjenigen ausgeht, in dessen Fall gesetzmäßig gehandelt wird. Es muss also möglich sein im Sinne eines Nachteilsausgleichs eine Gleichheit im Unrecht in Einzelfällen herzustellen.

Vertrauensschutz

Liegen im Einzelfall konkrete Anzeichen eines Vertrauensschutzes vor, muss die Verwaltung eine Gleichheit im Unrecht gewähren. Denn der Vertrauensschutz ist ebenso ein Verfassungsprinzip wie auch die Gesetzbindung der Verwaltung.

Einzelfallprüfung

Insbesondere im Subventionsrecht ist im Einzelfall eine Gleichheit im Unrecht angebracht. Erhält ein Konkurrent fälschlicherweise Subventionen und der Mitbewerber aufgrund der gesetzmäßigen Handlung der Verwaltung nicht, so stellt dies einen Wettbewerbsnachteil dar der so nicht hingenommen werden kann. Insofern ist im Einzelfall abzuwägen, ob hier angesichts der Wettbewerbssituation eine Gleichheit im Unrecht angebracht ist.

  • 1. BVerfGE 50, 142 (166);BVerwGE 5, 1 (8).
  • 2. Berg, JuS 1980, 418 (420 ff.); Hufen, Staatsrecht II - Grundrechte, 4. Auflage 2014, § 39, Rn. 27.
Vorlesung: 
Grundrechte
Rechtsgebiet: 
Öffentliches Recht