Die Strafstation im Referendariat: Überblick
Eine der kürzesten Stationen im Referendariat ist die Strafstation. Im Durchschnitt dauert sie nur drei Monate, was schade ist, da Du hier meiner Meinung nach die interessantesten Erfahrungen sammeln kannst. Dich erwarten drei Monate, in denen Du viel theoretischen Stoff lernen aber auch eng mit Deinem praktischen Ausbilder (Staatsanwalt oder Strafrichter) zusammenarbeiten wirst.
Wie bereits in vorhergehenden Artikeln beschrieben wird sich die Strafstation – wie grundsätzlich jede andere Station auch – in mehrere Ausbildungsbestandteile gliedern: Einführungslehrgang, Arbeitsgemeinschaften, praktische Ausbildung, Vor- und Nachbereitung sowie Probeklausuren.
Gegenstand der Strafstation wird in allen Ausbildungsbestandteilen vorwiegend das Strafprozessrecht sein - in der Theorie und in der Praxis. Wie auch in der Zivilstation gilt auch in der Strafstation: Das materielle Recht wird nur noch partiell gelehrt bzw. wiederholt. Es empfiehlt sich daher vor und während des Referendariats Wiederholungseinheiten für das materielle Recht einzuplanen.
Das Strafprozessrecht
In der Strafstation wirst Du Dich hauptsächlich mit dem Strafprozessrecht beschäftigen. Bundesländerabhängig umfasst der Prüfungsstoff neben dem StGB auch die Regelungen der Strafprozessordnung (StPO), des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) und des Jugendgerichtsgesetzes (JGG), welches das Jugendstrafrecht in Deutschland regelt.
Der Einführungslehrgang
Im Einführungslehrgang zu Beginn Deiner Strafstation wirst Du – wie immer – einen ersten, sehr komprimierten Einblick in das Strafprozessrecht erhalten. Anders als in der Zivilstation ist der Einführungslehrgang in der Strafstation aber deutlich praxisbezogener.Das liegt daran, dass Du in der Strafstation in der Regel bei der Staatsanwaltschaft den Sitzungsdienst übernehmen musst bzw. bundesländerabhängig übernehmen kannst. Das bedeutet, dass Du als Vertreter der Staatsanwaltschaft die Anklageschrift (die Du vorher von Deinem Ausbilder bekommst) verlesen und am Ende der Verhandlung ein Plädoyer halten musst.
Bereits im Einführungslehrgang wirst Du das erste Mal üben, wie Du ein Plädoyer hältst. Hierfür wird je nach Bundesland im Einführungslehrgang ein Plädierkurs angeboten. Möglicherweise wird in diesem Plädierkurs ein „Glücklicher“ (meistens per Los) ausgesucht, der gleich in der Einführungswoche das erste Mal in einem echten Strafverfahren plädieren darf/muss. Hierbei wird es sich erfahrungsgemäß aber um einen vergleichsweise einfachen Strafrechtsfall handeln. Zudem wird der Leiter des Einführungslehrgangs bei der Hauptverhandlung dabei sein.
Bestandteil des Einführungslehrgangs ist ggf. auch die Teilnahme an einer Hauptverhandlung als Zuschauer.
Neben den spannenden praktischen Einheiten gesellen sich selbstverständlich auch umfangreiche Lerneinheiten zum Strafprozessrecht dazu. In der Regel wirst Du hier lernen, wie Du als Staatsanwalt eine Anklage aufbaust und verfasst.
Zwar gibt es in einigen Bundesländern die Möglichkeit, Dich für Deine praktische Ausbildung einem Strafrichter zuweisen zu lassen; in den meisten Bundesländern sind die Referendare allerdings verpflichtet, die Strafstation bei einem Staatsanwalt abzuleisten bzw. trotz Zuweisung zu einem Strafrichter (nach dem Rotationsprinzip) Sitzungsdienste zu übernehmen. Es ist also sinnvoll, bereits im Einführungslehrgang zu lernen, wie Du eine Anklage verfasst. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Anklage im zweiten Staatsexamen immer noch der häufigste Klausurentyp im Strafrecht ist. Selbstverständlich lernst Du später im Rahmen Deiner Arbeitsgemeinschaft auch, wie Du ein strafrechtliches Urteil schreibst.
Auch wenn Du einem Strafrichter zugewiesen bist und keinen Sitzungsdienst übernimmst, solltest Du im Einführungslehrgang und auch im weiteren Verlauf des Referendariats den Aufbau und das Verfassen einer Anklage üben und hier besonders aufmerksam sein.
Die Arbeitsgemeinschaft und Co.
Wie immer schließt sich an den Einführungslehrgang nicht nur die Arbeit bei Deinem praktischen Ausbilder an, sondern selbstverständlich auch der Unterricht in den Arbeitsgemeinschaften. Hier wirst Du neben Anklage und Urteil vor allem den konkreten Verlauf eines Strafprozesses kennenlernen, ebenso wie das vorgelagerte Ermittlungsverfahren. In diesem Zusammenhang wirst Du Dich vor allem intensiv mit den Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverboten auseinandersetzen und hierauf aufbauend insbesondere lernen, Revisionsbegründungen und Revisionsurteile zu verfassen.Auch Zeugnisverweigerungsrechte werden unter anderem eine bedeutende Rolle in der theoretischen Ausbildung darstellen. In keinem Fall solltest Du den auf dem ersten Blick geringen Umfang der StPO unterschätzen. Wie auch schon im materiellen Recht ist auch das Prozessrecht weitaus komplexer, als es zunächst erscheinen mag. Du solltest daher ausreichend Zeit für die Vor- und Nachbereitung einplanen.
Neben dem Unterricht in Deiner Arbeitsgemeinschaft bietet Dir die Strafstation aber weitere und vor allem praktische Ausbildungsmöglichkeiten, die sehr interessant sein können. So kannst Du zum Beispiel die einmalige Chance ergreifen und an einer Obduktion in der Gerichtsmedizin teilnehmen. Die Teilnahme an einer medizinischen Obduktion kann sehr einprägsam sein; vor allem der Geruch. Zwar erfordert eine solche Obduktion starke Nerven und vor allem einen starken Magen, allerdings ist es höchst interessant, den menschlichen Körper buchstäblich in seinen Einzelteilen von innen zu sehen. Der Leiter der Obduktion erklärt währenddessen detailliert die einzelnen Untersuchungsschritte und erläutert sämtliche Auffälligkeiten, die den Tod verursacht oder zumindest dazu beigetragen haben könnten. Es empfiehlt sich, das Frühstück am Tag der Obduktion ausnahmsweise einmal wegzulassen und im Anschluss eine Dusche einzuplanen (der Geruch legt sich gefühlt auf dem gesamten Körper ab).
Neben dem Besuch in der Gerichtsmedizin wird je nach Bundesland auch die Besichtigung einer Justizvollzugsanstalt (JVA) und oder des Polizeipräsidiums angeboten.
Leistest Du Deine praktische Ausbildung bei der Staatsanwaltschaft ab, kannst Du bundesländerabhängig auch an einer Polizeifahrt teilnehmen und hautnah miterleben, wie die Staatsanwaltschaft bzw. die Polizei bei der Aufklärung von Straftaten arbeitet. Hier empfiehlt es sich, wenn möglich, sich eine Nachtfahrt während des Wochenendes auszusuchen, da hier erfahrungsgemäß die meisten (interessanten) Delikte verübt werden.
Schlussendlich gibt es in fast jedem Bundesland eine gesonderte „Veranstaltung“ zum Trinkversuch. Beim Trinkversuch wirst Du mit den anderen Referendaren kontrolliert und „wissenschaftlich“ trinken, um hierbei Deine Blutalkoholkonzentration zu prüfen und zu protokollieren.
Dabei wirst Du Deine Blutalkoholkonzentration und deren Anstieg im Laufe des Trinkversuchs schätzen, berechnen und mittels Atemalkoholkontrolle prüfen. Hierzu wirst Du ein Trinkprotokoll ausfüllen auf dem genau eingetragen wird, wann Du wie viel Alkohol mit welchem Promillegehalt zu Dir genommen hast. Vor und nach dem Trinkversuch kannst Du in der Regel Reaktionstests ablegen, die Deine Reaktionsgeschwindigkeit vor und nach dem Alkoholkonsum vergleichen.
Die Arbeit beim praktischen Ausbilder
Neben dem Unterricht in Deiner Arbeitsgemeinschaft wirst Du mit Deinem Dir zugewiesenen praktischen Ausbilder zusammenarbeiten. Für die Zuweisung des Ausbilders treffen die Bundesländer recht unterschiedliche Regelungen. Kannst Du in einigen Bundesländern den Wunsch angeben, Deine Strafstation bei der Staatsanwaltschaft oder beim Gericht zu absolvieren („Wahlrecht“), ist die Ausbildung bei einem Staatsanwalt in anderen Bundesländern fakultativ und damit Pflicht.Du solltest Dich also vorab informieren, welche Regelung für Dein Bundesland bzw. Oberlandesgerichtsbezirk gilt. Etwaige Wünsche sind bundesländerabhängig bereits bei Deiner Bewerbung oder erst im Laufe des Referendariats abzugeben.
Die praktische Ausbildung und Deine Aufgabenfelder bei der Staatsanwaltschaft und beim Gericht unterscheiden sich erheblich, sodass Du Dir – solltest Du hier ein „Wahlrecht“ haben – gut überlegen solltest, wie Du Dir Deine Ausbildung vorstellst und sie gestalten möchtest.
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