Referendariat: Wahlstation im Unternehmen

Einblick in offene Stellen für Studenten & Referendare bei spannenden Kanzleien 
Eine gelebte Work-Life-Balance, in der nicht nur juristisch gearbeitet wird 
Nachdem ich mich nun fast mein gesamtes Erwachsenendasein mit Jura beschäftigt hatte, stand zum Ende des Referendariats die wichtige Frage an: Wohin mit mir? Als ich das Jurastudium begonnen hatte, war für mich ganz klar, Richterin sollst du werden. Nach den ersten Stationen im Referendariat, war dieser Weg für mich nicht mehr ganz so klar. Die Staatsanwaltschaft und auch die Anwaltsstation gefielen mir auf einmal auch sehr gut. Daneben tat sich aber auch ein weiterer Zwiespalt auf: Du hast dich dein gesamtes Erwachsenendasein mit Jura befasst! Und die klassischen Berufe, in denen du dich siehst, bedeuten, sich auch den Rest des Erwachsenendaseins mit Jura zu befassen. Will ich das noch? Tatsächlich hat mich das Referendariat mehr verunsichert, als dass es mich in meiner einst getroffenen Entscheidung bestärkt hat. Nach der ganzen Paukerei sehnte ich mich dann nach einem Tapetenwechsel. Wenn es dir beim lesen dieser Zeilen genauso ergeht, dann willkommen im Club!
In weiser Voraussicht hatte ich mir deswegen – wie so viele andere auch – ursprünglich eine Station im Ausland gesucht. Natürlich nur um mein Englisch aufzubessern und den Lebenslauf aufzuhübschen ;)
Spaß beiseite, die Vorstellung eines bezahlten Urlaubs gefiel mir selbstverständlich sehr gut und so machte ich mich ans Werk mir eine Stelle im Ausland zu suchen. Das Schicksal sollte mich am Ende aber in die Arme eines Unternehmens* treiben. Eine Verkettung (un)glücklicher Umstände führte dazu, dass ich mir vier Wochen vor den schriftlichen Klausuren eine neue Stelle für die Wahlstation suchen musste. Am Ende des Tages sollte sich das jedoch als wahrer Glücksgriff erweisen.

Der Wink des Schicksals 

Nachdem mich die Hiobsbotschaft erreichte, dass der Traum vom verlängerten, bezahlten Urlaub geplatzt war, machte ich mich auf die Suche nach einer neuen Ausbildungsstation für die Zeit nach meinen Klausuren. Mir hatte zu Beginn des Referendariats eine Bekannte bereits nahegelegt, sich während des Referendariats auch ein Unternehmen anzuschauen. Sie selbst hatte das in ihrer Wahlstation getan und später auch den Beruf der Unternehmensjuristin ergriffen. Meine Prioritäten lagen während des Referendariats aber woanders – der rote Faden und so... Großkanzlei mit anschließendem Auslandseinsatz. Klassiker eben! Allerdings überkam mich dann der Gedanke, wenn es mit der Auslandsstation schon nicht klappte, sich stattdessen ein Unternehmen anzuschauen. Denn nachdem ich nun sämtliche Stationen hinter mir hatte, ragte ein großes Fragezeichen über meiner Berufswahl. So bewarb ich mich neben ein paar Kanzleien auch auf die Anzeige eines Unternehmens, das kurzfristig eine Referendarstelle ausgeschrieben hatte. Volltreffer! Keine Woche später war der Vertrag unterschrieben.

Die Rahmbedingungen

Auch wenn seit der Syndikus-Debatte der Unternehmensjurist in aller Munde ist, haben es Unternehmen neben der Justiz und den klassischen Kanzleien schwerer Volljuristen für sich zu gewinnen. Das mag zum einen an der einst schwierigen Syndikus-Stellung liegen, wohl aber auch daran, das der Otto Normaljurastudierende wohl nicht mit dem Studium beginnt, weil er in ein Unternehmen möchte.
Dass sich der Weg in ein Unternehmen aber auch für Juristen durchaus lohnt, möchte ich euch zunächst an den Rahmbedingungen veranschaulichen.
Kanzleien und die Justiz sind häufig noch sehr konservativ eingestellt. So musste ich ab Beginn meiner Zivilstation sämtliche Vorgesetzte siezen. Wenn man aber sehr viel miteinander zu tun hat und sich sympathisch ist, empfinde ich einen weniger formellen Ton umgänglicher. Des Weiteren bieten nur wenige klassische juristische Arbeitsplätze Home-Office und flexible Arbeitszeitmodelle an. In Unternehmen ist dies, auch für die juristischen Mitarbeiter, bereits Alltag. Gerade Start-Ups und jüngere Unternehmen legen viel Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance. So bieten viele Unternehmen neben den gängigen Getränke- und Obst- Goodies auch eine Fitnessstudiomitgliedschaft, hauseigene Fitnesskurse oder gar ein campuseigenes Fitnessstudio an. In mein Unternehmen wurde auch monatlich ein Friseur bestellt und man konnte Massagetermine im Haus vereinbaren. Neben der Home-Office Möglichkeit hatte ich als Referendar eine „normale“ 40-Stunden Woche und wurde dafür auch ordentlich vergütet.
Festangestellte erhalten in dem Unternehmen, in dem ich meine Wahlstation abgeleistet habe, alle paar Jahre ein Sabbatjahr, was vier-Wochen extra Urlaub ohne Gehaltsabstriche bedeutet. Auch wenn ich als Referendarin davon überhaupt nicht profitiert habe, finde ich diese Regelung erwähnenswert, weil ich das außerhalb des LehrerInnenberufes noch gar nicht kannte. Insbesondere nicht in der Arbeitswelt von Juristen.
Da in einem Unternehmen verschiedene Abteilungen zusammenarbeiten, trafen auch unterschiedliche Arbeitsweisen und Charaktere aufeinander, was zu einer Auflockerung des Arbeitsklimas beitrug und auch die Arbeit selbst bunter gestaltete. Insgesamt herrschte eine flache Hierarchie in dem das „Du“ selbstverständlich war.
Je nach Unternehmensphilosophie kann die Liste an sonstigen Benefits natürlich beliebig verlängert oder variiert werden.

Meine Aufgaben

Wie oben bereits angedeutet besteht in einem Unternehmen die Möglichkeit auch als Jurist unjuristisch zu arbeiten. Das bedeutet natürlich nicht, dass man sein erlerntes Wissen überhaupt nicht einsetzen muss. Aber eben anders. So sind neben der rein juristischen Perspektive auch unternehmerische Betrachtungsweisen gefragt, was ich sehr spannend fand. Mir hatte im Studium häufig der Praxisbezug gefehlt und auch im Referendariat fand ich viele Fragestellungen nicht geeignet für eine juristische Aufarbeitung. Im Unternehmen konnte ich dann endlich juristische Expertise mit wirtschaftlichen Erwägungen ergänzen. Schon während meiner Zivilstation habe ich viele Prozesse als absolut unwirtschaftlich erachtet und mich gefragt, warum bestimmte Sachverhalte zu Gericht kommen. Bei der Arbeit im Unternehmen konnte ich also endlich auch weitere Ideen außerhalb der rein juristischen Betrachtungsweise mit einfließen lassen und an praxisgerechten Lösungen mitarbeiten. Auch die Themen selbst – gekleidet in eine juristische Aufgabestellung – waren häufig unjuristischer Natur. Reine Fallbearbeitung kam selten vor, die Aufgaben waren jeweils sehr individuell. Häufig war dabei nicht nur juristisches Wissen sondern rein logisches Denken und vor allem „Weiterdenken“ gefragt. So sollte ich beispielsweise eine Pro- und Kontraliste erstellen, was für und gegen eine Personalisierung von Eintrittskarten spricht. Neben juristischen Aspekten und Problemen, die sich aus einer (nicht-) Personalisierung von Tickets ergibt, waren auch praktische Argumente nicht juristischer Natur gefordert.
Ansonsten bereitet die Rechtsabteilung eines Unternehmens natürlich Prozesse bzw. Schriftsätze vor und arbeitet Rechtsanwälten, die das Unternehmen vertreten, zu oder handelt Verträge und Vergleiche aus.
Daneben sind – wie es auch bei mir der Fall war – viele Unternehmen international ausgerichtet, sodass ich auch grenzüberschreitende Sachverhalte zu bearbeiten hatte. So musste ich meistens Schriftsätze auf zwei Sprachen verfassen, damit auch die Teams aus anderen Staaten verstehen konnten, worüber gerade in Deutschland gestritten oder diskutiert wird. Ebenfalls erhielt ich so Einblicke in die Rechtssysteme diverser anderer Staaten. Wer also eine Affinität dazu hat wirklich interkulturell zu arbeiten, dem empfehle ich dringend die Arbeit in einem internationalen Unternehmen. Auch in der Großkanzlei durfte ich bereits an internationalen Mandaten arbeiten – allerdings war das eine ganz andere Arbeit am Fall und insgesamt auch wesentlich seltener. Im Unternehmen verging kein Tag, an dem nicht eine Telefonkonferenz mit Teams aus Übersee stattfand oder jedenfalls weltweiter Schriftverkehr erforderlich war.
Im Übrigen fanden auch gelegentlich Meetings mit anderen Abteilungen statt, sodass auch unjuristische Themen Gegenstand der Mitarbeit war. Besonders hervorzuheben ist hier das wöchentliche Pizza-Meeting! Es gab Pizza. Zum Meeting.

Fazit

Wer ein entspanntes Arbeitsumfeld und nicht nur rein juristische Arbeit sucht, dem lege ich eine Station in einem Unternehmen nahe. Trotz der hohen Arbeitsbelastung während meines Referendariats hat mir die Arbeit im Unternehmen am meisten Freude bereitet. Am Ende des Tages ein wahrer Glücksgriff, der mir eine weitere Perspektive aufgezeigt hat. Gerade für Unentschlossene oder Juraüberdrüssige sehe ich hier eine echte Chance! Wenn Du nach einer besonderen Anwalts- oder Wahlstation, einem besonderen Praktikum oder erster Arbeitserfahrung neben dem Studium/Referendariat suchst, dann findest Du hier den perfekten Überblick: Stellenüberblick für Studenten & Referendare


*Ich habe bewusst auf die Nennung des Unternehmens verzichtet, damit nicht der Eindruck von Werbung oder einer Kooperation entsteht. Dieser Erfahrungsbericht soll lediglich einen allgemeinen aber dennoch persönlichen Eindruck in die Welt der Unternehmensjuristen und deren Rahmbedingungen geben. Um aber überhaupt eine Zuordnung hinsichtlich der Unternehmensbedingungen treffen zu können, möchte ich anmerken, dass besagtes Unternehmen aus dem E-Commerce Bereich stammt.
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