Fristen

Autorin: Rechtsanwältin Vera Oldenburger

Ein großes aber immerzu wehleidiges Thema in der Juristenausbildung sind Fristen. Besonders im zweiten Examen müsst Ihr euch in fast jeder Klausur mit der Fristberechnung auseinandersetzen. Im Folgenden haben wir für Euch eine Übersicht zu den wichtigsten Fristen und deren Berechnung erstellt.

I. Fristart

Bei der Art der Frist ist zwischen Folgenden zu unterscheiden:

  • Einfache Fristen (weder Not- noch Ausschlussfristen) §§ 224 ff. ZPO

  • Ausschlussfristen = starre Fristen.
    Wird die Frist versäumt, kann der Anspruch nach Ablauf der Frist nicht mehr geltend gemacht werden. Häufig finden sich Ausschlussfristen auch in Arbeitsverträgen, wodurch Rechte aus dem Arbeitsverhältnis nur innerhalb eines bestimmten Zeitraumes geltend gemacht werden können. z.B. § 517 2. Hs. ZPO (Berufungsfrist)

  • Notfrist = Fristen, die nicht verlängerbar sind (vgl. Definition § 224 Abs. 1 S. 2 ZPO) z.B. § 339 ZPO (Einspruchsfrist)

  • Gesetzliche Fristen = werden durch das Gesetz bestimmt. z.B. § 217 ZPO (Ladungsfrist)

  • Richterliche Fristen = Richter können die Frist bestimmen. z.B. § 276 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 ZPO (Schriftsatzfrist)

  • Besondere Frist § 227 Abs. 3 S. 1 ZPO: Fällt eine mündliche Verhandlung in den Zeitraum zwischen dem 1. Juli und 31. August, ist binnen einer Woche nach Zugang der Ladung oder der Terminsbestimmung der Termin auf Antrag zu verlegen. („quasi Gerichtsferien“)

II. Fristbeginn

Die Frist beginnt grundsätzlich immer mit einem bestimmten Ereignis. Das Ereignis muss dabei zwingend immer auch wirksam sein. Ist das Ereignis die Zustellung, muss diese ordnungsgemäß erfolgt sein.

  • Gesetzliche Fristen: Gesetz bestimmt das Ereignis des Fristbeginns
    (idR ist das die Zustellung z.B. § 339 Abs. 1 ZPO oder die Verkündung § 320 Abs. 2 S. 3 ZPO)

  • Richterliche Fristen beginnen nach § 221 ZPO mit Zustellung des Dokuments, das die Frist enthält oder mit Verkündung der Frist

III. Fristdauer

IV. Fristberechnung

Grundsätzlich richtet sich die Fristberechnung nach § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 – 192 BGB.

Auch in den anderen Rechtsgebieten führt die Fristberechnung regelmäßig über § 222 Abs 1 ZPO in die Regelungen des BGB z.B. über § 57 Abs. 2 VwGO.

Bei der StPO richtet sich die Fristberechnung nach §§ 42, 43 StPO.

1. Beginn § 187 BGB

idR = Ereignis (häufig Verkündung/ Zustellung), wobei der Tag des Ereignisses selbst nicht mitgezählt wird § 187 Abs. 1 BGB.

§ 187 Abs. 1 ZPO gilt analog auch für Stundenfristen (z.B. Wechselprozess § 604 Abs. 2 ZPO): Angebrochene Stunde wird nicht mitgezählt + Samstage sowie Sonn- und Feiertage werden ebenfalls nicht mitgezählt § 222 Abs. 3 ZPO!

Ausnahme: z.B. § 234 Abs. 2 ZPO Tag des Ereignisses wird mitgezählt § 187 Abs. 2 BGB

2. Fristende § 188 Abs. 2 BGB

  • Wochenfrist: Tagesanzahl addieren (2 Wochen = 14 Tage)

  • Monatsfrist: Endet mit Ablauf des Tages, der seiner Zahl nach dem des Ereignistages entspricht (↔ Sofern der Ereignistag mitgezählt wird, endet die Frist ein Tag früher § 188 Abs. 2 S. 2 BGB)

V. Fristversäumnis

Wurde eine Frist ohne Verschulden versäumt, besteht nach den §§ 233 ff. ZPO für die in § 233 ZPO genannten Fristen die Möglichkeit der Widereinsetzung in den vorigen Stand.

1. Zulässigkeit

a. Statthaftigkeit § 233 ZPO

Versäumung einer in § 233 ZPO genannten Frist (insbesondere Notfristen + Berufungsbegründungsfrist)

b. Zuständigkeit § 237 ZPO

Gericht, dem die Entscheidung über die nachzuholende Prozesshandlung zusteht.

c. Form § 236 Abs. 1, Abs. 2 ZPO

Form für den Widereinsetzungsantrag richtet sich nach der Form der versäumten Prozesshandlung + Glaubhaftmachung des Verhinderungsgrundes

d. Frist § 234 ZPO

Zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses, maximal ein Jahr.

2. Begründetheit

a. Verhinderungsgrund + Ursächlichkeit für Fristversäumnis

Verhinderungsgrund muss zulässig sowie kausal für das Fristsäumnis sein.

b. Kein Verschulden

Beachte § 85 Abs. 2 ZPO, wonach das Verschulden eines Prozessbevollmächtigten der Partei zugerechnet wird. Das Verschulden von Büroangestellten des Prozessbevollmächtigten wird grundsätzlich nicht zugerechnet, sofern den Prozessbevollmächtigten kein eigenes Verschulden trifft (z.B. Organisationsverschulden/ schuldhaft falsche Anweisung).