Autorin: Rechtsanwältin Vera Oldenburger
In der Klausur wird die Anklageschrift als letztes angefertigt und stellt das Herzstück Eurer Klausur dar. Gefordert wird ein „praxistauglicher Entwurf“. Da hier nach der Prüfung des A-Gutachtens, des B-Gutachtens und der Fertigung der Abschlussverfügung idR nur noch wenig Zeit verbleibt, solltet Ihr euch den Aufbau und die gängigen Formulierungen gut eingeprägen werden.
Inhalt und Form der Anklageschrift sind gesetzlich nicht geregelt. Allerdings ergeben sich aus §§ 200, 199 StPO sowie Nr. 110 – 114 RiStBV Hinweise, denen ihr Inhalt und Aufbau entnehmen könnt. Die folgende Darstellung einer Anklageschrift ist lediglich ein Beispiel. Regional gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Aufbaus. Achtet also darauf, die regionalen Besonderheiten zu beachten!
Anklageschrift
Staatsanwaltschaft (Stadt) - 256 Js 1729/20 - An das AG/LG (Stadt) -Strafrichter- -Vorsitzender des Schöffengerichts- -Große Strafkammer- -Schwurgericht- |
Ort, Datum |
HAFT!
Haftprüfungstermin gem. § 121 StPO: (Datum)
(1Tag vor Ablauf der 6-Monatsfrist!)
Anklageschrift/
Schwurgerichtsklage
1. Der z.B. Handwerker (letzter Beruf, sonst weglassen) Name + Nachname (+ Geburtsname), geboren am (Datum) in (Stadt) (Angeschuldigter A)
wohnhaft: Anschrift / ohne festen WS / z. Zt. in der JVA (Stadt) in Haft zur
Gefangenenbuchnummer XYZ
ledig, deutsch (Staatsangehörigkeit)
(Bei Minderjährigen: Name + Anschrift des gesetzlichen Vertreters)
„In dieser Sache am (Datum) vorläufig festgenommen und seit dem (Datum) aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts (Stadt) vom gleichen Tag in Untersuchungshaft in der JVA (Stadt) zur Gefangenenbuchnummer XYZ“ (Haftverhältnisse)
Verteidiger: | RA XY Anschrift |
2. Angeschuldigter B (hier ebenso wie beim Angeschuldigten A sämtliche Personaldaten aufführen)
3. weitere Beschuldigte mit Personalangaben aufzählen
wird/werden angeklagt / wird – unter Beschränkung gem. § 154a StPO – angeklagt,
am (Datum) / in der Zeit vom (Datum) bis zum (Datum) / in den Monaten (Monate X-Y)
in (Stadt) oder bei mehreren Orten: in (Stadt) und andernorts
Abstrakter Anklagesatz
Es folgt der abstrakte Anklagesatz. Dabei ist der jeweilige Gesetzeswortlaut zu „zitieren“, angepasst an Variante und Form der Begehung.
der Angeschuldigte A (+ ggf. im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit / in einem minderschweren Fall)...
Tatmehrheit
Hier wird zunächst die Anzahl an Handlungen erwähnt, durch die die einzelnen Straftaten begangen wurden. Im Anschluss werden die einzelnen Straftaten durch römische Ziffern aufgezählt:
...durch X selbstständige Handlungen1. einem anderen eine fremde bewegliche Sache weggenommen zu haben, in der Absicht, sich diese rechtswidrig zuzueignen.
2. zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde benutzt zu haben.
Tateinheit
Die tateinheitlich begangenen Delikte werden durch die Formulierung „tateinheitlich“ oder „durch die selbe Handlung“ eingeleitet und sodann in Form von Buchstaben aufgelistet:
...tateinheitlich/durch die selbe Handlung1. einem anderen eine fremde bewegliche Sache weggenommen zu haben, in der Absicht, sich diese rechtswidrig zuzueignen,
2. in die Wohnung eines anderen widerrechtlich eingedrungen zu sein.
Beispiel einer Kombination von tatmehrheitlichen und tateinheitlichen Delikten:
...durch 2 selbstständige HandlungenBesonderheiten bei der Formulierung des abstrakten Anklagesatzes (@Paul: Das kann auch gerne untereinander, falls das besser aussieht) Mittäter § 25 II StGB: „gemeinschaftlich“ Mittelbare Täterschaft § 25 I 2. Alt StGB: „durch einen anderen“ Unterlassen § 13 StGB: „durch unterlassen“ Versuch §§ 22, 23 StGB „versucht zu haben, einen anderen....“1. tateinheitlich
a. einem anderen eine fremde bewegliche Sache weggenommen zu haben, in der Absicht, sich diese rechtswidrig zuzueignen,
b. in die Wohnung eines anderen widerrechtlich eingedrungen zu sein.
2. zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde benutzt zu haben.
„und dabei ein gefährliches Werkzeug bei sich geführt zu haben …“
„einen dem Hindernisbereiten ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vorgenommen zu haben …“
oder
„einen gefährlichen Eingriff vorgenommen zu haben …“
„… vorsätzlich eine andere Person …“
„… fahrlässig im Verkehr ein Fahrzeug geführt zu haben, obwohl …“
„1. (sofern vorhanden Tat 1)
2. entweder
einem anderen eine fremde bewegliche Sache, die durch eine Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist, in der Absicht weggenommen zu haben, sich diese rechtswidrig zuzueignen
oder
eine Sache, die ein anderer gestohlen hat, angekauft zu haben, um sich zu bereichern.“
Anstiftung:
„vorsätzlich einen anderen bestimmt zu haben, einen anderen Menschen körperlich misshandelt zu haben …“
Beihilfe:
„vorsätzlich einem anderen Hilfe geleistet zu haben, mit Gewalt gegen eine Person einem anderen eine fremde bewegliche Sache in der Absicht weggenommen zu haben …“
Kürzung (+), wenn auch der Haupttäter angeklagt ist:
„ …vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener, rechtswidriger Tat, einem Diebstahl, bestimmt zu haben.“
Reihenfolge
- Grds. zeitlich!
Ausnahme: besonders schweres Delikt voranstellen! - Verbindung einzelner Tatbestände durch „und“ oder „ , “ !
Konkretisierung
- Zeitform = Imperfekt
- Chronologische Reihenfolge des Geschehens
- Bei Tatmehrheit ggf. gliedern nach I., II., ect.
- Füllen des obj. + subj. TB durch Beschreibung konkreter Handlungen + Absichten durch eine genaue Beschreibung des Ortes und der Zeit sowie den Wert der Beute, der Höhe des Schadens, der Folgen bei Körperverletzungen (+ subj. Empfinden der Opfer „Schmerzen ja/nein“), des Taterfolgs ect.
- Beteiligungsform erörtern. Beispiel bei Mittätern: „in bewusstem & gewollten Zusammenwirken…“ und „entsprechend des zuvor gefassten gemeinsamen Tatplans“
Beachte besonders:
- keine wörtliche Gesetzeswiedergabe ! Tatbestand umschreiben. Z.B. anstatt „hat das Buch weggenommen“ besser: „steckte das Buch in seinen mitgebrachten Rucksack“ keine Beweiswürdigung! Auch nicht versteckt à la <í>„Zeugin X beobachtete …“
- FAKTEN! Z.B. Nennung des gemessenen BAK-Wert und nicht den durch Rückrechnung errechneten BAK zum Tatzeitpunkt!
„Dem Angeschuldigten wird folgendes zur Last gelegt:
I.
Am 29. April 2020 steckte der Angeschuldigte gegen 12:03 Uhr das auf dem Tisch Nummer 17 der Universitätsbibliothek Bielefeld liegende Buch mit dem Titel „Die Staatsanwaltsklausur“ in seinen mitgebrachten Plastikbeutel um dieses zu behalten.
II.
Einen Tag später, am 30. April 2020 befuhr der Angeschuldigte gegen 17:30 Uhr....“
Am Ende nach der Geschehenserzählung:
+ ggf. §§ 73 ff. StGB:
„Die folgenden Gegenstände unterliegen gem. § 74 StGB der Einziehung: 1. Pistole; 2. Sturmhaube …“
+ ggf. § 69 StGB:
„Durch sein Verhalten (in den Fällen 2 & 3) hat sich der Angeschuldigte als zum Führen von Fahrzeugen ungeeignet erwiesen“
Zusammenfassung der Delikte in aufsteigender Reihenfolge, wobei BT vor AT aufgelistet wird:
Tatmehrheit:
Verbrechen und Vergehen strafbar nach §§ 123, 242, 315b I Nr. 2 ..., 52, 53, 69, 69a, 74, 77 StGB.
Tateinheit und ein Delikt ist ein Verbrechen:
„Verbrechen strafbar nach §§...StGB“
Bei Strafantragserfordernis:
„Strafantrag ist frist- und formgerecht gestellt.“
Beweismittel
(unzulässige/nicht erforderliche dürfen nicht angegeben werden)
I. Einlassung des Angeschuldigten
II. Zeugen (Name, Anschrift)
- Reihenfolge = Wichtigkeit des Zeugen
- auch wer sich auf Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat!
- öffentliche Beamte sind über den Dienstherrn zu laden: „Polizeioberkommisar (POK) (Name) zu laden über 3. Revier.“
- Jugendliche + gesetzliche Vertreter laden!
- Sind grds. vor gefertigten Urkunden zu verhören.
Ausnahme: Zulässiges Gutachten als Urkunde (+)
- z.B.
- Beiakten (= Urkunden (+))
- Atteste
- Gutachten BAK-Untersuchung
- Kaufvertrag
- = Tatwerkzeug, Tatbeute etc.
- Messer
- Sturmhaube
- Ring
z.B.
(WESENTLICHES ERGEBNIS DER ERMITTLUNGEN) idR. erlassen!
= Mitteilung an Gericht über Beweisgrundlage + auf Person des Angeschuldigten bezogene Rechtsfolgenumstände
I. Beweisgrundlage
Hier erfolgt eine Darstellung, woraus sich der hinreichender Tatverdacht ergibt. Ausgangspunkt ist hierbei idR die Einlassung des Angeklagten. (siehe A-Gutachten)
II. Rechtsfolgenrelevante Umstände
Die für die zu erwartende Strafe relevanten Umstände ergeben sich idR aus:
- Vorgeschichte der Tat
- Lebenslauf des Angeschuldigten
- Nachtatverhalten
- Vorstrafen
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Es wird beantragt,
- a. das Hauptverfahren vor dem AG/LG - Strafrichter – (Stadt) zu eröffnen.
(…+ und die Anklage zur Hauptverhandlung zuzulassen.)
- b. den Haftbefehl des AG (Stadt) vom (Datum) aufzuheben und einen neuen Haftbefehl nach Maßgabe dieses Anklagesatzes zu erlassen / die Fortdauer der Haftverhältnisse anzuordnen. (vgl. § 207 IV StPO)
- c. (Anregung nach Nr. 113 III RistBV) „Wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage wird angeregt, die Hauptverhandlung in der Besetzung mit drei Richtern durchzuführen“
(Unterschrift)
Staatsanwalt