Referendariat in Baden-Württemberg
Baden-Württemberg hat etwas über 11 Millionen Einwohner; die Landeshauptstadt ist Stuttgart (ca. 635.000 Einwohner). Das juristische Studium (mit Staatsexamen) kann an den Universitäten Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Konstanz und Tübingen absolviert werden. Rechtsreferendare werden je nach Bewerbung an den Oberlandesgerichten Karlsruhe und Stuttgart auf die jeweiligen Landgerichtsbezirke verteilt. Das Landesjustizprüfungsamt beim Ministerium der Justiz und für Europa sitzt in Stuttgart.
Ausbildungsgerichte
Die Oberlandesgerichte Karlsruhe und Stuttgart sind für die Rechtsreferendare in Baden-Württemberg zugleich die obersten Ausbildungsbehörden. Die fachliche Ausbildung erfolgt an den jeweiligen Land- und Amtsgerichten in den 17 Landgerichtsbezirken:
- Oberlandesgericht Karlsruhe: Landgerichtsbezirk Baden-Baden, Landgerichtsbezirk Freiburg im Breisgau, Landgerichtsbezirk Heidelberg, Landgerichtsbezirk Karlsruhe, Landgerichtsbezirk Konstanz, Landgerichtsbezirk Mannheim, Landgerichtsbezirk Mosbach, Landgerichtsbezirk Offenburg, Landgerichtsbezirk Waldshut-Tiengen.
- Oberlandesgericht Stuttgart: Landgerichtsbezirk Ellwangen, Landgerichtsbezirk Hechingen, Landgerichtsbezirk Heilbronn, Landgerichtsbezirk Ravensburg, Landgerichtsbezirk Rottweil, Landgerichtsbezirk Stuttgart, Landgerichtsbezirk Tübingen, Landgerichtsbezirk Ulm.
Ein Anspruch auf Zuweisung zu einem bestimmten Landgerichtsbezirk gibt es nicht. Die Ableistung des Rechtsreferendariats ist neben den Landgerichtsbezirken Karlsruhe und Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Konstanz, Mannheim (OLG Karlsruhe) auch am Landgerichtsbezirk Stuttgart, Tübingen oder Ulm (OLG Stuttgart) wegen der Verbindung zu den jeweiligen Universitäten oder der Beliebtheit der Städte begehrt. Die Anzahl der Bewerbungen pro Durchgang können im Einzelfall die tatsächlichen Aufnahmekapazitäten übersteigen, weshalb insgesamt vier Ortswünsche für das Landgericht als Stammdienststelle angegeben werden müssen. Größere Chancen auf Zuweisung in den ersten gewünschten Landgerichtsbezirk sind vor allem unter familiären Gesichtspunkten wie Ehe, eigene Kinder, Pflege von Angehörigen oder eigener schwerer körperlicher Beeinträchtigung zu erwarten.
Einstellungstermine und Bewerbung
In Baden-Württemberg werden Rechtsreferendare zweimal pro Jahr, jeweils zum April und Oktober, eingestellt. Die vollständigen Bewerbungsunterlagen sind an die gewünschten Oberlandesgerichte frühestens 6 Monate vor der gewünschten Einstellung jedoch nicht später als 4 Monate vor Beginn des gewünschten Einstellungstermins (30. November des Vorjahres für Einstellung im April, 31. Mai für Einstellung im Oktober) zu adressieren:
- Oberlandesgericht Karlsruhe, Verwaltungsabteilung, Hoffstr. 10, 76133 Karlsruhe
- Oberlandesgericht Stuttgart, Verwaltungsabteilung, Olgastr. 2, 70182 Stuttgart
Anzahl der Neueinstellungen
Die Anzahl der Neueinstellungen hängt von den Bewerbungen ab. Im statistischen Mittel werden etwa 385 Referendare pro Durchgang, d. h. insgesamt ca. 770 pro Jahr*, eingestellt.
Wartezeiten
In Baden-Württemberg bestehen zwar grundsätzlich keine Wartezeiten*, jedoch kann es wegen der Beliebtheit verschiedener Landgerichtsbezirke ggf. nicht zur gewünschten Erstzuweisung kommen.
Vergütung und Nebentätigkeit
In Baden-Württemberg beträgt die Unterhaltsbeihilfe 1.302,51 €**, zuzüglich etwaiger Familienzuschläge. Zusätzliche Einkünfte aus Nebentätigkeiten bleiben bis zur 1,5-fachen Höhe der Unterhaltsbeihilfe anrechnungsfrei. Juristische Nebentätigkeiten können ab Beginn des Rechtsreferendariats bis zu 35 Stunden, nicht-juristische Nebentätigkeiten bis zu 20 Stunden (in den ersten vier Monaten, danach ebenso 35 Stunden) im Monat ausgeübt werden. Ausnahmen hiervon gibt es in der Rechtsanwalts- oder Wahlstation für Rechtsreferendare mit besonderer juristischer Qualifikation (1. Jur. Prüfung mit mindestens 8 Punkten bestanden): Hier kann eine Nebentätigkeit bis zu 70 Stunden pro Monat bei der zugewiesenen Ausbildungsstelle ausgeübt werden. Nebentätigkeiten müssen genehmigt bzw. angezeigt werden.
Stationen, Ablauf und Gestaltungsmöglichkeiten
# | Station | Dauer |
---|---|---|
1. | Zivilstation Ausbildung am Land- oder Amtsgericht in Zivilsachen |
5 Monate (1. - 5. Monat) |
2. | Strafstation Ausbildung bei der Staatsanwaltschaft oder am Strafgericht |
3,5 Monate (6. - 9. Monat) |
3. | Rechtsanwaltsstation I renommierte Großkanzleien und Boutiquen bspw. in Stuttgart |
4,5 Monate (9. - 13. Monat) |
4. | Verwaltungsstation Ausbildung bei einer Verwaltungsbehörde und am Verwaltungsgericht möglich; fakultativer Aufenthalt in Speyer |
3,5 Monate (14. - 17. Monat) |
5. | Rechtsanwaltsstation II Klausuren werden im 21. Ausbildungsmonat in der Regel an den Stammdienststellen geschrieben |
4,5 Monate (17. - 21. Monat) |
6. | Wahlstation Station im In- oder Ausland nach freier Wahl |
3 Monate (22. - 24. Monat) |
7. | Mündliche Prüfung Prüfung findet in Stuttgart statt; neben dem Pflichtfachstoff erstreckt sich die mündliche Prüfung auch auf ein durch den Prüfungskandidaten bzw. Prüfungskandidatin zu bestimmenden Schwerpunktbereich |
25. Monat |
Struktur der Prüfung zum 2. Examen sowie Anteil an der Note
Die schriftliche Prüfung fließt zu 70 % und die mündliche Prüfung zu 30 % in das Gesamtergebnis ein. Es werden acht Klausuren geschrieben, davon vier aus dem Zivilrecht, zwei aus dem Öffentlichen Recht und zwei aus dem Strafrecht (jede Klausur wird damit zu 8,75 % in der Endnote gewichtet). Der Aktenvortrag der mündlichen Prüfung zählt zu 6 % und das Prüfungsgespräch aus den drei Rechtsgebieten inklusive dem Schwerpunktgespräch zu 24 % in der Gesamtnote.
Examensstatistik der vergangenen Jahre
Wer in Baden-Württemberg das zweite Staatsexamen absolvieren will, der kann entspannter leben: Die Durchfallquoten sind deutlich niedriger als im Bundesdurchschnitt (ca. 13-14 %). Gleichwohl fällt auf, dass gute Examensergebnisse in Baden-Württemberg häufiger als im Rest der Republik (ca. 2,8 %) vergeben werden. Ebenso haben die zukünftigen Absolventen höhere Chancen auf ein VB als im Mittelwert der übrigen Bundesländer (ca. 16 %). Befriedigende und ausreichende Examina sind in Baden-Württemberg etwa im Bundesdurchschnitt vorzufinden (Quellen siehe BMJV, Juristenausbildung 2014-2017).
Bestanden | 90,6 % |
Sehr gut | 0,1 % |
Gut | 3,0 % |
VB | 18,3 % |
Befriedigend | 39,7 % |
Ausreichend | 29,5 % |
Bestanden | 91,5 % |
Sehr gut | 0,0 % |
Gut | 4,2 % |
VB | 17,0 % |
Befriedigend | 37,2 % |
Ausreichend | 33,2 % |
Bestanden | 92,8 % |
Sehr gut | 0,1 % |
Gut | 3,3 % |
VB | 16,1 % |
Befriedigend | 41,6 % |
Ausreichend | 31,8 % |
Bestanden | 92,0 % |
Sehr gut | 0,0 % |
Gut | 2,8 % |
VB | 20,4 % |
Befriedigend | 37,4 % |
Ausreichend | 31,4 % |
Erlaubte Hilfsmittel im Staatsexamen
- Gesetze: Schönfelder, Sartorius I, Sartorius II oder Beck dtv Europa-Recht, Beck dtv Arbeitsgesetze oder Nipperdey I (Arbeitsrecht), Dürig (Gesetze des Landes Baden-Württemberg)
- Kommentare: Palandt (BGB), Thomas/Putzo (ZPO), Fischer (StGB), Meyer-Goßner (StPO), Kopp/Ramsauer (VwVfG), Kopp/Schenke (VwGO)
- Je nach Schwerpunkt für die mündliche Prüfung: Aichberger (Sozialgesetzbuch) oder Beck dtv Sozialgesetzbuch, Steuergesetze (Beck) oder Aktuelle Steuertexte (Beck), Jayme/Hausmann (Internationales Privat- und Verfahrensrecht), Schönfelder Ergänzungsband oder Beck dtv Strafvollzugsgesetze, Sartorius Ergänzungsband oder Beck dtv Umweltrecht
Besonderheiten im Bundesland
In Zusammenarbeit mit dem Landesjustizprüfungsamt werden kostenfreie Klausurenkurse angeboten, in denen originale Examensklausuren geschrieben, bewertet und besprochen werden. Eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich. Das Wahlfachgespräch in der mündlichen Prüfung ist vom gewählten Schwerpunkt abhängig (Familien- und Erbrecht, Rechtsanwalt, Wirtschaft, Gewerblicher Rechtsschutz, IT-Recht, Verwaltung, Arbeit, soziale Sicherung, Steuern, Europarecht, Internationales Privatrecht, strafrechtliche Rechtspflege). Fakultativ kann ein Lernprogramm (ELAN-REF) zur Prüfungsvorbereitung und zu Ausbildungszwecken verwendet werden. Baden-Württemberg bezuschusst ein Jobticket für Rechtsreferendare.
Ansprechpartner und weitere Informationen
Fragen hinsichtlich des Rechtsreferendariats beantworten die Ausbildungsleiter der Oberlandesgerichte. Für das Oberlandesgericht Karlsruhe ist Ausbildungsleiter Richter am Oberlandesgericht Dr. Stohrer per Telefon unter 0721 926-2074 bzw. per E-Mail unter klaus.stohrer@olgkarlsruhe.justiz.bwl.de zu kontaktieren.
Für das Oberlandesgericht Stuttgart ist der Ausbildungsleiter Herr Dr. Katzenstein. Dieser ist telefonisch unter 0711 212-3075 bzw. per E-Mail unter katzenstein@olgstuttgart.justiz.bwl.de zu erreichen. Daneben stehen weitere Mitarbeiter für Auskünfte zur Verfügung; eine Übersicht ist hier zusammengestellt. Weitere Informationen zum Rechtsreferendariat finden sich zentral auf den Seiten der Justiz in Baden-Württemberg. Engagierte Rechtsreferendare haben für das OLG Karlsruhe bzw. OLG Stuttgart ein Welcome Paper mit weiteren nützlichen Informationen zusammengestellt.
*Stand: 08/2019 **Stand 09/2019 | Erhöhung der Unterhaltsbeihilfe voraussichtlich rückwirkend zum 01.01.2019 (Gesetzesentwurf, Drucksache Landtag 16/649)