Die Entscheidung: Referendariat. Ja oder Nein?

Für die meisten Jurastudenten stellt sich die Frage erst gar nicht, ob sie nach dem Studium und dem ersten Staatsexamen auch ihr zweites Staatsexamen und somit das Referendariat absolvieren wollen. Die Antwort auf diese Frage lautet in der Regel „Ja“. Doch solltest Du diese Frage für Dich individuell beantworten. Vor- und Nachteile sind zu beleuchten und gegeneinander abzuwiegen.

Das Referendariat, auch Vorbereitungsdienst genannt, befähigt Dich nach erfolgreich bestandenem zweitem Staatsexamen zum Richteramt. Mit Abschluss des zweiten Staatsexamens darfst Du Dich als Volljurist oder auch als „Assessor jur.“ bezeichnen. Abhängig von den Noten im ersten und zweiten Staatsexamen und den Bestimmungen des jeweiligen Bundeslandes kannst Du als Richter oder Staatsanwalt berufen oder (notenunabhängig) als Anwalt zugelassen werden. Auch eine Position im Öffentlichen Dienst ist möglich.

„Fundierte Kenntnisse des materiellen Rechts aus dem Studium und dem ersten Staatsexamen sind unabdingbar“

Was Dir als angehender Referendar bewusst sein sollte: Das Referendariat ist kein Zuckerschlecken. Der Vorbereitungsdienst ist aufgrund mehrerer Faktoren anspruchsvoll und wird Dir einiges an Energie und Kraft abverlangen.

Zum einen sind fundierte Kenntnisse des materiellen Rechts aus dem Studium und dem ersten Staatsexamen unabdingbar. Der Lernstoff des zweiten Staatsexamens erstreckt sich beinahe ausschließlich auf das Prozessrecht und damit auf die Um- und Durchsetzung des im Studium erlernten materiellen Rechts. Folglich baut das zweite Staatsexamen unweigerlich auf dem ersten Staatsexamen auf. Das Wissen aus dem ersten Staatsexamen wird schlicht vorausgesetzt. Es ist daher wichtig, dass Du „im Stoff“ bleibst, um Dir eine fundierte Basis zu erarbeiten, auf der Du den Lernstoff aus dem Referendariat „aufsetzen“ kannst. Denn: Das Prozessrecht (gleichgültig, welchen Rechtsgebiets) hat es in sich! Es ist daher von Vorteil, im materiellen Recht „sattelfest“ zu sein, um mehr Energie für das prozessuale Verständnis aufwenden zu können.
Mit dem Prozessrecht hängen darüber hinaus viele Formalitäten zusammen. Du wirst lernen, wie Du materielle Ansprüche und Rechte behördlich und/oder gerichtlich geltend machst und durchsetzt. Wie Du Urteile, Beschlüsse, Anträge und Klageschriften verfasst und welche (teils zwingenden) Formalitäten und Strukturen hierfür gelten, die Du beachten und beherrschen musst (z. B. der Urteilsstil). Das Prozessrecht und die geltenden Formalitäten werden vorwiegend im Unterricht im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften gelehrt, die in der Regel zwingend zu besuchen sind.

Zum anderen musst Du neben dem Lernstoff und den regelmäßig stattfindenden Arbeitsgemeinschaften auch praktische Ausbildungszeiten unterbringen. Je nach Station wird Dir ein Ausbilder zugeteilt, dem Du (bestenfalls) tatkräftig unter die Arme greifen und Arbeit abnehmen kannst. Das Referendariat kombiniert daher erste praktisch Erfahrungen und Leistungen mit den gewohnten Lernerfordernissen, die Du schon aus dem Studium kennst. Diese Anforderungen (Wiederholung des materiellen Rechts + Erlernen des Prozessrechts und der jeweiligen Formalitäten + praktische Ausbildung) sollten Dir bewusst sein.

Allerdings sind all diese Komponenten mit dem richtigen Zeitmanagement gut händelbar!

„Nirgendwo sonst hat man die Möglichkeit, Anwaltschaft, Justiz und Öffentlichen Dienst in so kurzer Zeit aus der Nähe zu betrachten“

Außerdem birgt das Referendariat auch viele Vorteile: Zum einem ist es eine Wohltat, endlich einmal in die Praxis rein schnuppern zu dürfen und dafür obendrein auch noch ein wenig Geld zu bekommen. Aus fiktiven Sachverhalten werden plötzlich echte Fälle und echte Menschen. Man begreift schnell, dass das im Studium Erlernte tatsächlich einen direkten Einfluss in der Realität haben kann – es war also nicht alles umsonst.

Nirgendwo sonst hast Du die Möglichkeit, Anwaltschaft, Justiz und Öffentlichen Dienst in so kurzer Zeit aus der Nähe zu betrachten, um zu entscheiden, was Du selbst beruflich machen möchtest. Zudem bietet das Referendariat aufgrund der Wahlstation noch einmal die Möglichkeit, in völlig andere Nischen reinzuschauen und/oder ins Ausland zu gehen.
Für viele Volljuristen ist das Referendariat aus diesen Gründen rückblickend der schönste Teil der juristischen Ausbildungszeit. Und das zu Recht.

Nicht zu verachten und Teil der Entscheidungsfindung sollte die Tatsache sein, dass für viele Jobangebote, für die grundsätzlich das erste Staatsexamen ausreichen würde, trotzdem der Abschluss des zweiten Staatsexamens vorausgesetzt wird. Was zunächst unfair erscheint, wird verständlicher, wenn Du das Referendariat erst einmal abgeschlossen hast. Denn: Der studentische und vorwiegend theoretische Blickwinkel wird durch eine bedeutende, praxisnahe Komponente angereichert, die für den Großteil der Jobangebote unabdingbar ist (vom zusätzlichen Wissen einmal abgesehen).

„Klare Handlungsempfehlung“

Wenn Du das erste Examen „überlebt“ hast, wirst Du auch das Referendariat meistern. Und wenn Du im juristischen Bereich weiterhin tätig sein möchtest, bietet es sich aus den vorstehenden Gründen an, das Referendariat und das zweite Staatsexamen trotz aller Unwägbarkeiten zu absolvieren. Aus eigner Erfahrung kann ich sagen, dass es zwar anstrengend ist, das Referendariat aber zugleich eine wundervolle Zeit sein kann, in der Du viel lernst; auch über Menschen und Dich selbst.
Daher: klare Handlungsempfehlung!


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