Prüfungsschema:
a. Fremdes Geschäft
b. Fremdgeschäftsführungswille
c. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
d. Im Interesse und mit tatsächlichem oder mutmaßlichen Willen des GH
a. Fremdes Geschäft
Ein Geschäft i.S.d. §§ 677 ff. BGB ist jedes rechtsgeschäftliche oder tatsächliche Tätigwerden (im Rechtskreis eines anderen, des Geschäftsherrn).
Fremd ist das Geschäft, wenn es objektiv (d.h. nach Inhalt, Natur und/oder dem äußeren Erscheinungsbild nach) zum Pflichten- und Interessenkreis eines anderen gehört (z. B. die Begleichung einer fremden Kaufpreisschuld).
Fremdheit liegt auch vor, wenn der Geschäftsführer eigene und fremde Interessen verfolgt (sog. auch fremdes Geschäft).
Bei objektiv neutralen Geschäften wird ein fremdes Geschäft i.S.d. §§ 677 ff. BGB angenommen, wenn der Geschäftsführer das Geschäft führt, um zumindest auch fremde und nicht nur eigene Interessen wahrzunehmen. Diese Absicht muss zudem nach außen hin erkennbar geworden sein. Hier verleiht also die innere Willensrichtung dem Geschäft seine Fremdheit, man spricht daher auch vom subjektiv fremden Geschäft. Ein Beispiel hierfür ist die durch eine Privatperson beseitigte Störung des Eigentums, die durch einen Dritten hervorgerufen wird, z. B. wenn das unberechtigt geparkte Auto auf dem Privatparkplatz des Eigentümers von diesem abgeschleppt wird.
b. Fremdgeschäftsführungswille
Der Geschäftsführer handelt mit Fremdgeschäftsführungswille, wenn er Kenntnis von der Fremdheit des Geschäfts hat und für einen anderen tätig werden will.
Achtung: Der Geschäftsführer hat Kenntnis der Fremdheit, wenn er weiß, dass er ein fremdes Geschäft führt. Der Fremdgeschäftsführungswille bezieht sich auf den Willen, das fremde Geschäft auch für einen anderen zu führen. Zwischen Kenntnis und Wille muss auch in der Klausur unbedingt differenziert werden, vgl. § 687 Abs. 1 und Abs. 2 BGB.
Irrt der Geschäftsführer über die Person des Geschäftsherrn, weiß aber, dass er ein fremdes Geschäft führt und will das auch führen, so wird gem. § 686 BGB der wirkliche Geschäftsherr berechtigt.
Der Fremdgeschäftsführungswille wird bei objektiv fremden und nach h.M. beim auch fremden Geschäft widerleglich vermutet. Hier bedarf es keiner positiven Feststellung des Fremdgeschäftsführungswillen. Beim objektiv neutralen Geschäft hingegen ist der Fremdgeschäftswille positiv festzustellen.
Beachte, dass im Fall des objektiv neutralen Geschäfts der Fremdgeschäftsführungswille schon unter dem Prüfungspunkt „Fremdes Geschäft“ geprüft und bejaht werden muss, da im Falle seines Fehlens überhaupt kein fremdes Geschäft anzunehmen ist und daher keine Rechtsfolgen eintreten.
c. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
Eine GoA scheidet aus, wenn der Geschäftsführer durch Vertrag oder aufgrund einer gesetzlichen Regelung zur Handlung verpflichtet ist. Hier sind die speziellen vertraglichen und gesetzlichen Regelungen vorrangig, sodass kein Bedürfnis besteht, die Regelungen der GoA für einen Interessensausgleich heranzuziehen.
Achtung: Laut Rechtsprechung sind die Regeln der GoA auf nichtige vertragliche Regelungen anzuwenden. Die Gegenmeinung will stattdessen die speziellen Rückabwicklungsvorschriften des Bereicherungsrechts gem. §§ 812 ff. BGB anwenden. Im Fall des Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsverbot findet die GoA aber nach h.M. keine Anwendung. Die GoA scheitert hier am Merkmal der Erforderlichkeit der Aufwendungen i.S.d. § 683 BGB. Ansprüche aus Bereicherungsrecht scheitern im Übrigen an § 817 S. 2. BGB.
Eine sonstige Berechtigung kann sich aus familienrechtlichen Beziehungen z. B. zwischen Eltern und Kind oder aus einer Organstellung innerhalb einer juristischen Person ergeben.
Beachte: die allgemeine Hilfeleistungspflicht aus § 323 c StGB begründet keine sonstige Berechtigung, da diese Regelung sich auf die Allgemeinheit und nicht auf die Sonderbeziehung zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn bezieht.
d. Im Interesse und mit tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des GH
Diese Voraussetzung folgt aus § 683 BGB, die zu den Voraussetzungen des § 677 Abs. 1 BGB hinzutritt. § 683 BGB stellt auf die Übernahme an, also den Beginn der Geschäftsführung. Geprüft wird, ob die Übernahme als solche dem Interesse oder Wille des Geschäftsherrn entspricht (das sog. Ausführungsverschulden wird an anderer Stelle relevant).
Liegen die Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB nicht vor, ist die GoA unberechtigt. Der Geschäftsführer kann sie aber genehmigen. Dies hat zur Folge, dass die GoA gem. § 684 S. 2 BGB als von Anfang an berechtigt anzusehen ist. Dies ist konkludent anzunehmen, wenn der Geschäftsherr das vom Geschäftsführer Erlangte herausverlangt.
Die Geschäftsübernahme entspricht dem Interesse des Geschäftsherrn, wenn sie für ihn objektiv nützlich ist.
Die Geschäftsübernahme entspricht dem Willen des Geschäftsherrn, wenn
Der wirkliche Wille geht dabei vor dem mutmaßlichen Willen, auch wenn dieser unvernünftig ist. Die GoA ist kein Instrument der Zwangsbeglückung.
Beispiel:
F ist großer Anhänger von Borussia Dortmund und regelmäßig pleite. Als der BVB im Finale der Champions League steht, sagt er zu seinem bestem Freund M: „Hätte ich doch nur so eine Karte! Ich würde meine letzten Kröten dafür zusammenkratzen.“ Einige Tage darauf hört M in einer feuchtfröhlichen Kneipenrunde, wie ein junger Mann seine Karte zum Verkauf anbieten möchte, da er am Tag des Champions League Finales heiratet. M denkt sofort an F und kauft die Karte für 200 EUR. Hier kann M von F die 200 EUR über die Regeln der GoA herausverlangen, obwohl F immer pleite ist und seine Kröten in die Reparatur seines Kfz besser investiert worden wäre.
Für die GoA ist aber alleine entscheidend, dass der Geschäftsherr irgendwann einmal in irgendeiner Form seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat. Nach h.M. ist es für die GoA demnach ausreichend, wenn die Geschäftsübernahme zwar nicht dem Interesse, aber dem wirklichen Willen des Geschäftsherrn entspricht (keine Kumulation).
Bei (beschränkt) Geschäftsunfähigen kommt es gem. §§ 104 ff. BGB analog auf den Willen des gesetzlichen Vertreters an.
Gem. § 679 BGB ist der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn im Falle der Wahrnehmung öffentlicher Interessen durch den Geschäftsführer unbeachtlich, wenn das Geschäft eine Pflicht des Geschäftsherrn (durch Gesetz, Hoheitsakt oder Vertrag) darstellt, z. B. die Beseitigung einer verkehrsgefährdenden Straßenverschmutzung.
Achtung: die Übernahme des Geschäfts muss trotzdem objektiv dem Interesse des Geschäftsherrn entsprechen. Nur dann ist § 679 BGB eine Ausnahme zu § 678 BGB.
§ 679 BGB kommt auch zur Anwendung, wenn der Geschäftsherr eine gesetzliche Unterhaltspflicht (z. B. zwischen Ehegatten gem. §§ 1360 ff. BGB) nicht erfüllt hätte. Hier ist auf den Zeitpunkt der Fälligkeit abzustellen, die bei Übernahme eingetreten sein muss.
Umstritten ist, ob die ungewollte Rettung eines Selbstmordversuchs einen Anspruch aus GoA auslöst. Bei nachträglicher Genehmigung hilft § 684 S. 2. BGB. Im Übrigen wird der ernsthafte entgegenstehende Wille i.d.R. nur unter den Voraussetzungen der §§ 104 Nr. 2, 105 BGB für unbeachtlich gehalten.
Kann der wirkliche Wille nicht ermittelt werden, ist der mutmaßliche Wille zu ermitteln. Das ist derjenige Wille, den der Geschäftsherr bei objektiver Beurteilung aller Umstände im Zeitpunkt der Übernahme des Geschäfts geäußert haben würde.
Beachte, dass ein objektiv nützliches Geschäft zumeist auch dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht.
e. Rechtsfolge
aa. Ansprüche des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer
Gem. §§ 681 S. 2, 667 BGB muss der Geschäftsführer an den Geschäftsherrn das durch die Geschäftsführung Erlangte herausgeben.
Bei einem Ausführungsverschulden schuldet der Geschäftsführer Schadensersatz aus den §§ 280 ff. BGB (die berechtigte GoA begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis).
Achtung: Das Ausführungsverschulden betrifft das „Wie“ der Geschäftsführung. Das Übernahmeverschulden führt dazu, dass schon gar keine berechtigte GoA vorliegt, weil bereits die Übernahme des Geschäfts nicht dem Interesse und/oder dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Zwar kann die Übernahme dem Willen des Geschäftsherrn entsprechen, nicht aber die Ausführung.
Beispiel:
Nachbar G des T ist über ein langes Wochenende an die Nordsee verreist. Vor seiner Abfahrt hat er vergessen, seine zahlreichen Blumen noch einmal zu gießen. T weiß, wie sehr G seine Blumen liebt. Da an diesem Wochenende eine große Hitzewelle erwartet wird, bewässert T die Blumen des G. Dabei tritt er immer wieder aus Unachtsamkeit auf kleine Setzlinge und zerstört sie dabei.
Hier entspricht die Übernahme dem Interesse und mutmaßlichen Willen des G, denn durch die starke Sonneneinstrahlung wären die Blumen unter Umständen zu Schaden gekommen. Dass T dabei unvorsichtig ist und die Blumen zertritt, entspricht indes nicht dem Interesse und mutmaßlichen Willen des G. Hier trifft T kein Übernahmeverschulden, er haftet dem G aber aus §§ 280 ff. BGB wegen Ausführungsverschulden.
Außerdem ist der Geschäftsführer gegenüber dem Geschäftsherrn gem. §§ 681 S. 2, 666 BGB zu Auskunft und Rechenschaft verpflichtet.
Bei den Ansprüchen aus GoA ist es wichtig, sich mit der Systematik des Gesetzes vertraut zu machen, da die Regeln über die GoA immer wieder in das Auftragsrecht verweisen.
bb. Ansprüche des Geschäftsführers gegen den Geschäftsherrn
Der Geschäftsführer kann vom Geschäftsherrn die erforderlichen Aufwendungen gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB ersetzt verlangen.
Definition:
Aufwendungen sind zur Durchführung der Geschäftsführung freiwillig erbrachte Vermögensopfer. Erforderlich sind die Aufwendungen, wenn sie ein vernünftig Handelnder den Umständen nach für notwendig halten durfte. Für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Vornahme der Aufwendungen entscheidend.
Auch nutzlose Aufwendungen werden ersetzt.
Der Aufwendungsersatz erfasst auch diejenigen Schäden, in denen sich das typische Risiko der übernommenen Geschäftsführung realisiert hat. Hier ist aber das Mitverschulden nach § 254 BGB zu beachten. Bei der Beachtung des Mitverschuldens ist aber wiederum der Haftungsmaßstab des § 680 BGB zu berücksichtigen, der sich auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit des Geschäftsführers beschränkt. Die typischen Schäden können analog gem. §§ 677, 683, 670 i.V.m. 110 HGB (h.M.) verlangt werden. Nach h.M. wird Arbeitsentgelt analog § 1835 Abs. 3 BGB gezahlt, wenn die Geschäftsführungsmaßnahme zum Beruf des Geschäftsführers gehört. Dann liegt das Verhalten des Geschäftsführers im öffentlichen Interesse (ähnlich wie das des Vormundes). Diese Norm ist insbesondere bei Fällen mit einem zufällig vorbeikommenden Arzt relevant.
Der Geschäftsführer wird außerdem von einer im Rahmen der Geschäftsführung eingegangenen Verbindlichkeit gem. §§ 683, 670, 257 BGB befreit.
f. Verjährung
Ansprüche aus GoA unterliegen der gesetzlichen Verjährungsfrist gem. §§ 195, 199 Abs. 1, 3 BGB.
g. Konkurrenzen:
Gesetzliche Sonderreglungen wie z. B. das Mängelhaftungsrecht sind vorrangig gegenüber der Regelung der §§ 677 ff. BGB.
Die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) scheidet neben einer berechtigten GoA aus, denn diese ist Rechtsgrund für Leistung oder Eingriff. Beachte aber, dass die Rechtsprechung die GoA auf nichtige Vertragsverhältnisse anwenden will.
Im Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) scheiden Ansprüche aus berechtigter GoA aus, weil sie ein Rechtfertigungsgrund für eine bei Geschäftsübernahme verursachte Rechtsgutsverletzung darstellen. Bei Rechtsgutsverletzungen im Rahmen der Geschäftsausführung sind die §§ 280, 677 BGB und §§ 823 ff. BGB nebeneinander anwendbar. Im Rahmen des Verschuldens ist die Beschränkung der Haftung aus § 680 BGB zu beachten.
Die berechtigte GoA verleiht ein Recht zum Besitz, wenn die Inbesitznahme mit der Übernahme der Geschäftsführung zusammenfällt. Die Regeln des EBV aus §§ 987 ff. BGB sind daher nicht neben Ansprüchen aus berechtigter GoA anwendbar. Im Verhältnis des Eigentümers zum unrechtmäßigen Besitzer hält die Rechtsprechung die §§ 987 ff. BGB für Sonderreglungen, welche die §§ 677 ff. BGB verdrängen.