IX. Internationales Patentrecht
Das Patentrecht ist eine nationale Angelegenheit. Dementsprechend existieren in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Patentgesetze. Diese Gesetze können dabei in wesentlichen Punkten gleich oder unterschiedlich sein. Des Weiteren können überregionale Verträge zur Harmonisierung des Rechts bestehen.
1.Bemerkungen zum Europäisches Patentrecht
Die Europäische Patentorganisation ist eine supranationale Organisation. Sie wurde 1977 gegründet und fußt auf der Grundlage des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) von 1973. Die Europäische Patentorganisation besitzt zurzeit 38 Mitgliedsstaaten [Stand April 2013]. Diese Zahl der Mitgliedsstaaten zeigt bereits, dass die Europäische Patentorganisation kein Organ der Europäischen Union, sondern unabhängig ist. Das Europäische Patentamt (EPA) hat seinen Hauptsitz in München. Die Europäische Patentorganisation verwendet die drei Amtssprachen Deutsch, Englisch und Französisch. Die Patentansprüche jedes Patents müssen in allen drei Amtssprachen vorliegen.
Die Europäische Patentorganisation stellt die Möglichkeit bereit, ein einheitliches Patent in den Mitgliedsstaaten oder einer Auswahl aus diesen anzumelden. Die Patentanmeldung wird dann zentral durch das EPA geprüft und rechtskräftig erteilt. Das erteilte Patent zerfällt in der Folge in jedem Mitgliedsstaat in ein nationales Patent, indem die zentrale Patentschrift des EPAs in nationale Schriften übertragen wird. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Bündelpatenten.
Ist das Patent erst einmal rechtskräftig erteilt und in die nationalen Schriften übertragen worden, kann das Patent nur durch nationale Angriffe in den einzelnen Staaten nach dem nationalen Recht angegriffen werden. Vor der Erteilung gewährt das EPA eine Einspruchsfrist von neun Monaten ab Veröffentlichung des Erteilungsbeschlusses. In diesem Zeitraum kann das Europäische Patent durch Einspruch zentral angegriffen werden.
Für die Einsprüche sind die Beschwerdekammern des EPAs als unabhängige Einrichtungen zuständig. Derzeit existieren 27 technische und eine juristische Beschwerdekammern [Stand April 2013]. Um die Rechtseinheitlichkeit der Beschwerdekammern zu gewährleisten, kann eine Beschwerdekammer oder der Präsident des EPAs die Große Beschwerdekammer anrufen. Bei schweren Verfahrensfehlern ist ebenfalls die Große Beschwerdekammer zuständig.
Für die Patenterlangung eines Europäischen Patents ist es wichtig, den sogenannten Aufgabe-Lösungs-Ansatz zu beachten und innerhalb des Anmeldetexts besonders auf diesen Ansatz einzugehen.
Der Aufgabe-Lösungs-Ansatz beinhaltet, dass die für die Beurteilung der Patentfähigkeit heranzuziehenden Merkmale der Erfindung geeignet sein müssen, um die bei der Kritik des Stands der Technik gestellte Aufgabe der Erfindung zu lösen. Dies bedeutet beispielsweise, dass im Fall mangelnder Patentfähigkeit nur solche Merkmale als Rückzugspositionen genutzt werde können, die zu einer erfindungsgemäßen Lösung der Aufgabe betragen. Eine Abgrenzung vom Stand der Technik, die ausschließlich auf Merkmalen beruht, die für die Lösung der gestellten Aufgabe nicht geeignet sind, können deshalb keine Patentfähigkeit begründen.
Der Aufgabe-Lösungs-Ansatz stellt für einige Anmelder insbesondere deshalb ein Problem dar, weil die Aufgabe durch die Anmeldung bei der Verfassung des Anmeldetextes selbst gewählt und formuliert wird. Bei einem Europäischen Patent sollte die durch die Erfindung zu lösende Aufgabe deshalb mit großer Sorgfalt gewählt werden.
Es gibt Bestrebungen innerhalb der Europäischen Patentorganisation, die ein einheitliches europäisches Patent fordern. Auch die Europäische Union hat sich mit diesem Thema befasst und nach meh-reren gescheiterten Ansätzen im Dezember 2012 eine Verordnung verabschiedet, die nun vorsieht ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) für 25 der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu schaffen [Die Mitgliedsstaaten Spanien und Italien haben der EU-Verordnung aufgrund von Nichtberücksichtigung der spanischen und italienischen Sprache widersprochen]. Die Angelegenheiten des einheitlichen Patentschutzes sollen dem EPA übergeben werden, wenn die EU-Verordnung angewendet wird.
2. Bemerkungen zum US-Patentrecht
Das US-amerikanische Patentrecht ist eines der ältesten Patentgesetze, das auch heute noch Gültigkeit besitzt. Es ist verankert in der Verfassung; das amerikanische Patentamt (United States Patent and Trademark Office (USPTO)) wurde bereits 1790 gegründet und ist das weltweit größte Patentamt. Ein erteiltes amerikanisches Patent besitzt eine Laufzeit von 17 Jahren.
Ein zentraler Unterschied zum deutschen Patentrecht ist das Ersterfinderrecht. Während in Deutschland das Erstanmelderrecht gilt, kann es sein, dass ein angemeldetes Patent im Anmeldeverfahren auf eine Person übergeht, die keine Verbindung zum Anmelder hat, wenn nachweisbar ist, dass diese Person der Ersterfinder ist.
Des Weiteren sind die Ansprüche an die Patentfähigkeit geringer als in Deutschland. Für eine amerikanische Patentanmeldung sind allein die Neuheit, die erfinderische Tätigkeit und die Nützlichkeit einer Erfindung relevant – Technizität wird nicht gefordert. Vom United States Supreme Court wurde diesbezüglich der Spruch „everything under the sun that is made by man is patentable“ geprägt. Dies führt zu einer Reihe von Problemen, da beispielsweise Geschäftsmethoden nicht vom Patentschutz ausgenommen sind. Des Weiteren ist die Patentierung von lebenden Zellen nicht nur ethisch problematisch (Fall Diamond vs. Chakrabarty, 447 U.S. 303 (1980)).
Bezüglich der Neuheit gewährt das US-Patentrecht eine Neuheitsschonfrist von 12 Monaten. Das amerikanische Patentrecht sieht keine Einspruchsverfahren vor, sondern lediglich die Initiierung einer erneuten Prüfung (reexamination). Ebenso gibt es kein Vorbenutzerrecht.
Eine weitere große Problematik des US-Patentrechts ist die sogenannte black-out periode. Das US-Patentrecht sieht keine Veröffentlichungen vor, die mit der deutschen Offenlegungsschrift vergleichbar wären. Einzig das rechtskräftig erteilte Patent wird veröffentlicht. Dies führt dazu, dass ein Erfinder oder Wettbewerber keine Möglichkeit hat, während des Prüfungs- und Erteilungsverfahrens zu überprüfen, ob er das Patent, vom dem er keinerlei Kenntnis hat, verletzt. Erschwert wird dies durch die Möglichkeit des Patentanmelders, die Erteilung und damit die Veröffentlichung künstlich per Antrag heraus zu zögern. Man spricht in diesem Zusammenhang oft von sogenannten U-Boot-Patenten, die aus dem Nichts in einen voll entwickelten Markt treffen.
Da mehrere Probleme des amerikanischen Patentrechts bekannt sind und insbesondere die internationale Vergleichbarkeit darunter leidet, befindet sich das US-Patentrecht derzeit im Umbruch. So soll beispielsweise die black-out periode abgeschafft werden oder die Patentklassifizierung an internationale Standards angepasst werden.
Bemerkungen zu einer PCT-Anmeldung
Das Patent Cooperation Treaty (PCT) ist ein internationales Anmeldeverfahren für Patente. Es ist gültig für die Mitgliedsstaaten der World Intellectual Property Organisation (WIPO) in Genf (146 Mitgliedsstaaten [Stand April 2013]).
Die PCT-Anmeldung ist eine zentrale Anmeldung mit einheitlicher Priorität, die behandelt wird wie eine Einzelanmeldung in allen angegebenen Mitgliedsstaaten. Der entscheidende Vorteil dabei ist, dass bis 30 Monate nach Prioritätstag eine Entscheidung über den gewünschten Geltungsbereich getroffen werden kann. Danach erfolgt der Eintritt in die nationale Phase und die Prüfung der Anmeldung in jedem einzelnen Mitgliedsstaat des gewünschten Geltungsbereichs. Aufgrund der unabhängigen Prüfung sind die späteren rechtskräftigen Patentschriften in den einzelnen Mitgliedsstaaten nicht zwingend identisch (siehe beispielsweise unterschiedliche Neuheitsbegriffe in den USA und Deutschland).