§35STGB oder Garantenstellung

Hallo alle zusammen. ich bin in einer Fortbildung, der Dozent hat uns folgendes Zenario als Aufgabe gegeben. Der Mann kommt nach Hause, die Wohnung brennt. Im Wohnzimmer findet er seine Fau und sein Kind ohne Bewusstsein am Boden liegen. Er kann nur eine Person Retten. Welche der Personen muß er nach dem Gesetz Retten? Kann mir in diesem Fall jemand weiterhelfen?


Es handelt sich hier ja um die klassische Konstellation einer rechtfertigenden Pflichtenkollision: Der Vater hat sowohl das Leben der Tochter als auch das Lebend er Frau (also zwei Handlungspflichten) zu erfüllen.

Eine Entschuldigung über den Notstand nach § 35 StGB scheidet aus - obwohl eine Notstandslage nach § 35 I StGB vorliegt - weil das geschützte Rechtsgut das beeinträchtigte Rechtsgut überwiegen müsste. Dies ist jedoch bei einer Abwägung Leben gegen Leben nicht der Fall, weil das Leben als höchstes Rechtsgut nicht abwägbar ist.

Es könnte jedoch die rechtfertigende Pflichtenkollision eingreifen. Eine Rechtfertigung erfordert, dass der Täter bei zwei kollidierenden Handlungspflichten nur eine, die entweder gleichwertig oder höherrangig ist, wahrnehmen konnte.
Der Mann hier im Fall war für seine Tochter kraft Gesetzes Beschützergarant, da der Mann hinsichtlich der Tochter eine gesetzliche Garantenstellung aus § 1626 BGB hat. Eine solche Garantenstellung wird man in einer (funktionierenden) Ehe wohl auch für seine Ehefrau annehmen können/müssen. Daher besaß der Mann bezüglich der Tochter und der Frau gleichwertige Rettungspflichten (= Handlungspflichten). Er müsste sowohl die Tochter als auch die Frau retten. Da es ihm aber nur möglich war, entweder die Tochter oder die Frau zu retten, bleibt es dem Täter überlassen, welche Person er rettet. Auf die zugrundeliegende Motivation kommt es nicht an. Damit liegen die Voraussetzungen der rechtfertigenden Pflichtenkollision vor.

Ich Stimme dem Kollegen inhaltlich zu.

Methodisch gesehen müssen wir im Strafrecht für Fälle, Klausuren und Hausarbeiten im Strafrecht immer Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld unterscheiden. Während Rechtfertigungsgruende wie die von dem Kollegen genannten, geschriebenen oder ungeschrieben auf der Ebene der Rechtswidrigkeit zu prüfen sind, ist Paragraf 13 StGB auf der TB-Ebene zu prüfen, obj. TB, Täterschaft durch Unterlassen, was das Gesetz einem Tun unter bestimmten Voraussetzungen gleichstellt.

Kollegiale Gruesse aus Hamburg,
Ass. Jur Juergen Hanke